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Spezialfälle 2.0

Viele Rückmeldungen haben uns auf den Artikel „Spezialfälle“ aus der März-Ausgabe von Rheinlands Reiter+Pferde erreicht. „Was ist das genau für ein Beschlag auf dem Bild oben links?“, „Zur Therapie welcher Erkrankung wird ein Beschlag wie der unten in der Mitte eingesetzt?“. Die Antworten auf diese und alle anderen Fragen gibt Hufschmied Manuel Naber in unserem Artikel „Spezialfälle 2.0“!

„Natürlich handelt es sich bei den Abbildungen um Fallbeispiele und deren individuelle Therapie durch einen Spezialbeschlag“, betont der Experte für Hufbeschlag. Die Erklärungen erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit in Hinblick auf Diagnose, Prognose und Therapiemöglichkeiten bei den jeweiligen Krankheitsbildern.

Hornsäule

Erkrankungen des Hufes sind nicht nur zeitintensiv in der Therapie, manchmal sind sie auch schwer zu diagnostizieren. In diese Kategorie fällt auch die Hornsäule. Diese kann durch eine Entzündung der Huflederhaut im Inneren des Hufes entstehen, wobei der betroffene Bereich stärker durchblutet wird, was zu einer vermehrten Hornbildung führt. Diese äußert sich durch eine säulenartige Verdickung an der Innenseite der Hornwand und ist auf der Außenseite der Hufwand nicht zu erkennen. Erst wenn die Hornsäule bis zur Sohle durchgewachsen ist, erkennt man diese durch eine lokale Verbreiterung der weißen Linie an der betroffenen Stelle. Durch den Druck, den die Hornsäule nach innen ausübt, kann es zu einer Lahmheit kommen. Dies kann so weit gehen, dass es in diesem Bereich zu einem Rückbau des Hufbeins kommt, was dann deutlich auf dem Röntgenbild zu sehen ist.

„Im gezeigten Fall handelt es sich um eine entfernte Hornsäule, die sehr tiefgreifend bis zum Kronrand verlief. Um dem Huf nach der OP die nötige Stabilität zu geben, habe ich eine verschraubte Metallklammer verwendet”, erklärt Manuel Naber. Ist der Huf im Vorfeld nicht ideal gewachsen oder durch andere Eigenschaften beeinträchtigt, muss das bei dieser Therapiemöglichkeit berücksichtigt werden. „Erschwerend kommt in diesem Fall hinzu, dass dieses Pferd den Huf nicht gleichmäßig, sondern schief belastet. Ohne die Metallklammer würden sich die Hornhälften zueinander verschieben, dies gilt es bei solchen großen Eingriffen stets zu vermeiden.”

Anfangs muss der Huf noch durch einen Verband geschützt werden, doch wenn das Pferd die Klinik verlässt, reicht es meistens, den geöffneten Bereich mit Tape abzukleben. „Man ist immer überrascht, wie schnell der Heilungsprozess dabei vonstattengeht. Schon nach kurzer Zeit fängt das freigelegte Gewebe an zu granulieren und regeneriert sich. Wenn das Gewebe dann anfängt abzutrocknen – und die Stallhygiene das hergibt – kann das Pferd ohne Verband auskommen”, erläutert der Hufschmied. „Die Metallklammer hält die Hufkapsel stabil und verhindert, dass sich der Huf unkontrolliert bewegt und Spannungsschmerz entsteht. Beim Beschlagen wird die Metallklammer immer wieder abgeschraubt und neu versetzt. Das Pferd kann ohne die Metallverstärkung auskommen, sobald ungefähr ein Drittel des Hufes heruntergewachsen ist. Bei diesem intensiven Eingriff befindet sich das Pferd meistens zehn Tage in der Klinik, bevor es nach Hause entlassen wird, wobei – je nach Genesungsverlauf – mit mindestens zwei Monaten kompletter Boxenruhe zu rechnen ist. Zu diesem Zeitpunkt hat sich dann auf dem freigeschnittenen Gewebe wieder eine glatte, schon leicht verhornte Oberfläche gebildet. Bis das Pferd das erste Mal unter dem Sattel laufen kann, muss aber mindestens die Hälfte des Hufes wieder heruntergewachsen sein. Das dauert durchschnittlich sechs Monate. Wenn der Huf so weit geöffnet wird, besteht außerdem immer ein Infektionsrisiko. Im Falle einer Infektion muss man die Wunde wieder öffnen und das Gewebe neu kürettieren. Diese Problematik verzögert dann den Heilungsprozess.”

Teilweise entfernte Hornwand

Nicht immer muss die Hornwand komplett geöffnet werden, um die Hornsäule zu behandeln, manchmal reicht es aus, nur einen Teil davon zu entfernen. „Bei diesem Pferd wurde die Hornwand nicht komplett von oben nach unten geöffnet, sondern lediglich gefenstert. Hierbei wird ein Fenster in die Hornwand geschnitten, sodass ein sogenannter Gürtel stehen bleibt, der den Huf stabilisiert. Bei dieser Variante ist es durch die entstandene Öffnung möglich, um den betroffenen Bereich herumzuarbeiten.”

Ergänzt wurde diese Form der Behandlung durch einen Spezialbeschlag. „Durch diesen zehenoffenen Beschlag sind die Zehe und die dazugehörigen Wände komplett entlastet. Zusätzlich wird die Last durch das Polster und das verwendete Herzeisen mehr auf den Strahl umverteilt, sodass der entzündliche Bereich an der Zehe entlastet wird”, so Manuel Naber.

Hufbeinsenkung durch einen Hornspalt

Optisch ähnelt diese Behandlung die der Hornsäule, doch die Diagnose lautet gänzlich anders: Hornspalt. Diese Krankheit ist nicht nur unterschiedlich in ihrer Gravierung, sondern auch in ihrem Auftreten. Das Spektrum reicht hierbei von oberflächlichen Rissen bis hin zu durchdringenden Spalten im verhornten Teil des Hufes. Entstehen können diese durch schlechte Hornqualität, mangelnde Pflege, Verletzungen, Entzündungen, Pilzinfektionen oder Überbelastung einzelner Hufabschnitte.

„Auf diesem Foto sieht man die Behandlung eines vernachlässigten Hornspaltes in der Zehe. Das Hauptproblem bei dieser Art von Erkrankung ist der natürliche Hufmechanismus des Pferdes. Beim Huf bewegen sich hinten die Trachten auf und zu, aber vorne in der Zehe staucht sich das Horn. Bei einem massiven Hornspalt, wie in diesem Fall, hat sich in der Zehe alles nach innen gestaucht und nach innen gewölbt. Deutlich sichtbar wurde das durch die tiefe Mulde, die sich direkt am Kronrand gebildet hatte. Dadurch ist das Hufbein dem Druck gewichen und abgesunken. Zur Korrektur wurde der Hornspalt komplett ausgefräst und gereinigt. Da die Außenwände mittlerweile gelitten hatten, wurden sie komplett mit künstlichem Horn aufgefüttert. Anschließend habe ich eine Metallspange aufgeschraubt, deren Stellglieder wie eine Zahnspange funktionieren. Einmal in der Woche wird die Spange dann etwas aufgedreht, um die unnatürliche Krümmung des Kronrandes wieder zu begradigen. Für den Beschlag wurde ein vorne offenes Aluminiumeisen mit Polster verwendet, um die Zehe zu entlasten. In diesem Fall hatte das Pferd über einen Zeitraum von drei Monaten strikte Boxenruhe, ist aber mittlerweile komplett genesen und reitbar. Generell kommen bei Hornspalten verschiedene Spangen zum Einsatz, da in manchen Fällen die Außenwände des Hufes auseinandergezogen, bei anderen Umständen aber zusammengezogen werden müssen.”

Infizierter Hornspalt

Die aufwändige Behandlung von Hornspalten wird oft durch Infektionen erschwert. „In diesem Fallbeispiel war es nicht sofort möglich, den Spalt zu verschließen, da dieser noch infiziert war. Deshalb habe ich einen Schlauch eingeklebt, der zur Hufinnenseite geöffnet und nach unten etwas verjüngt ist. So war es möglich, dass die Besitzer täglich mit einer Spritze Desinfektionsmittel über den Schlauch verabreichen konnten, welches dann langsam nach unten lief. Beim nächsten Besuch war der Spalt frei von Bakterien, sodass er komplett verschlossen werden konnte. Da dieser Defekt so groß war, mussten die beiden Hornhälften mit Draht – ähnlich wie bei einem Korsett – miteinander verschnürt werden. Diese Konstruktion wurde dann mit künstlichem Horn verschlossen. Es gibt aber auch andere Varianten, um einen Hornspalt zu verschließen. Man kann zum Beispiel verschiedene Gewebearten, die man wie ein Gitter als Armierung auf die Öffnung legt und verklebt, nutzen. Aber diese Alternativen sind nicht so stabil wie eine Verbindung aus Schrauben, Draht und Kleber.”

Gleichbeinentzündung

Um bei einer akuten Gleichbeinentzündung die komplette Spannung der Sehnen auszuhebeln, wird das Pferd hinten hochgestellt. „Diese Konstruktion wird natürlich mit einem Verband abgedeckt, damit das Pferd sich nicht verletzt. Hierbei ist es Absicht, dass die Stege so weit nach hinten herausgezogen werden, damit das Pferd stabil steht und nicht einfach nach hintenüberkippt”, erklärt Manuel Naber. „Oft wird diese Methode mit Gewindestangen und Schrauben realisiert, sodass man dann den Huf Schritt für Schritt wieder flacher stellt, in dem man das Eisen wieder herunterschraubt. In diesem Fall dauerte die Behandlung, die unter kompletter Boxenruhe erfolgte, drei Monate.”

Auch bei Verletzungen der tiefen Beugesehne oder anderen starken Sehnenerkrankungen wird durch diese Methode die komplette Spannung vom erkrankten Bereich genommen.

Hufbeinfraktur

Bei einer Hufbeinfraktur besteht die konservative Methode darin, ein normales Hufeisen zu verwenden und im hinteren Teil, kurz nach der weitesten Stelle, zwei zusätzliche Kappen anzuziehen, um den Huf sozusagen in die Zange zu nehmen. Unterstützt wird dies zusätzlich durch einen Polsterbeschlag.

Manuel Naber favorisiert jedoch den Kunststoffgipsverband: „Bei einer Fraktur des Hufbeines muss man versuchen, den Hufmechanismus zu unterbrechen. Dazu verwende ich – in Verbindung mit einem relativ harten Hufpolster – einen Kunststoffgipsverband, den ich um den kompletten Huf lege. Der Beschlag schützt dann letztendlich den Kunststoffgips, den sogenannten Cast. In dieses Material kann man sehr gut Nägel schlagen, so dass man nicht in die Hornwand nageln muss. Der Gips umschließt den Huf komplett, was den Hufmechanismus aufs Geringste reduziert. Somit wird die Bewegung der Hornkapsel so weit eingeschränkt, dass das Hufbein ruhiggestellt wird und die Fraktur heilen kann. Durchschnittlich wird ein Huf mit einer Hufbeinfraktur drei bis vier Monate eingegipst. Bei jedem Beschlag wird erneut geröntgt, um zu kontrollieren wie die Kallusbildung voranschreitet und ob sich die Fraktur wieder schließt.”

Geklebter Kunststoffhufschutz

Bei manchen Erkrankungen am Huf wäre der herkömmliche Beschlag nicht förderlich für den Heilungsprozess. Seit einigen Jahren können Schmiede zum Glück auf Alternativen aus Kunststoff – die man aufkleben kann – zurückgreifen. „Hier sieht man eine sehr weiche, geklebte Kunststoffvariante, die oft bei Rehepferden eingesetzt wird, so dass man sich das, für das erkrankte Pferde sehr schmerzhafte, Aufnageln spart. Dieser Hufschutz eignet sich aber auch bei einer Huflederhautentzündung bei einem Pferd, das normalerweise barfuß läuft. Nach der erfolgreichen Therapie kann man den Kunststoffschutz einfach runter raspeln, ohne dass das Pferd danach fühlig läuft. Das ist sonst oft der Fall, wenn man einem Pferd die Eisen wieder abnimmt. Das hat aber meist nichts damit zu tun, dass dem Pferd die Hufsohle wehtut, sondern dieses Phänomen entsteht dadurch, dass die Bandstrukturen innerhalb der Hornkapsel durch das Eisen eingeschränkt werden und sie sich dadurch mit der Zeit verkürzen. Das Pferd muss sich bei der Umstellung zum Barfussläufer erst wieder daran gewöhnen, dass sich die Hornkapsel frei bewegen kann. Deswegen greift man zu Therapiezwecken gerne zu so einem weichen Kunststoffhufschutz, da man einerseits den Huf schützt, andererseits aber trotzdem alle Strukturen beweglich hält.”

Deckeleisensystem

Bei der Therapie von Hufverletzungen liegt die größte Schwierigkeit oft darin, die Wunde sauber zu halten und einen Hufverband herzustellen, der dies gewährleisten kann. Wenn es sich anbietet, setzt Manuel Naber auf folgende Variante: „Bei diesem Pferd habe ich ein Deckeleisensystem verwendet, um eine Verletzung im Sohlenbereich bestmöglich zu schützen, aber gleichzeitig noch eine Wundtoilette durchführen zu können. Bei Wunden mit freiliegender Sohlenlederhaut muss zuerst mit einem normalen Deckeleisen gearbeitet werden, um starken Druck auf den Bereich ausüben zu können. Die Sohlenlederhaut wölbt sich sonst nach außen auf und kann nicht regenerieren. Mit solch einem Deckeleisen, bei dem der Metalldeckel mit großen Schrauben auf das Eisen geschraubt wird, muss das Pferd aufgrund des großen Verletzungsrisikos in der Box bleiben. Nach der Verhornung des Bereiches kann auf das Lenz-Deckeleisensystem gewechselt werden. Der zu versorgende Sohlenbereich ist geschützt, aber das Pferd kann ganz normal – ohne Verletzungsrisiko – bewegt werden. Dieses System ist hervorragend bei extrem starker Strahlfäule oder Hufkrebs einzusetzen.”

Herzeisen

Für manche Erkrankungen muss man die Last, die auf den einzelnen Hufsegmenten ruht, umverteilen, damit der betroffene Part besser heilen kann. Gerade, wenn die Trachten in Mitleidenschaft gezogen sind, kommt hier oft das sogenannte Herzeisen zum Einsatz, das den Namen seiner charakteristischen Form verdankt.  „Mit Hilfe des Herzeisens wird der Strahl mehr zum Tragen herangezogen. Das entlastet die Trachten und diese können regenerieren. Doch dafür braucht man einen relativ intakten und tragfähigen Strahl”, erläutert Manuel Naber.

Segmentbeschlag

Für manche Therapien braucht man die Eigenschaften von verschiedenen Beschlagformen. Aus dieser Not entstand der sogenannte Segmentbeschlag. „Bei dieser Beschlagvariante wird ein relativ dünnes Eisen auf den Huf genagelt, auf den man verschiedene Kunststoffsegmente schrauben kann. Durch das normale Eisen ist Stabilität für die Hornkapsel gewährleistet, aber dennoch ein sehr weiches Gangbild möglich, wenn der Befund es nötig macht. Denn der gängige Kunststoffbeschlag ist nicht für jeden Huf geeignet. Verwendet man zum Beispiel den genagelten Kunststoffbeschlag für ein Pferd, dessen Hufwände vorher schon sehr desolat waren, führt dieser relativ flexible Beschlag dazu, dass im Huf mehr Bewegung entsteht. Dann brechen die Außenwände unter Umständen noch mehr aus.”

Lederplatte

Manchmal kommen statt Kunststoffen auch natürliche Materialien wie Leder zum Einsatz. „Bei diesem Pferd habe ich eine Platte aus Leder zwischen Huf und Eisen gelegt. Das Leder hat eine dämpfende Funktion und schützt die Sohle. Das Material ist deutlich atmungsaktiver, womit man den Feuchtigkeitsstau unter dem Huf besser in den Griff bekommt als mit einer Kunststoffplatte. Da diese Platte bei jedem Beschlag erneuert wird, hat man auch keine Probleme mit der Haltbarkeit des Materials. Durch die Gerbsäure, die in dem Leder steckt, haben Bakterien keine Chance, dort Schaden anzurichten”, so der Hufschmied. „Natürlich ist das Material aber eingeschränkt in der Festigkeit und es ist keine Variante, bei der ich eine große Lastverteilung anstrebe. Da gibt es deutlich stabilere Varianten aus Kunststoff, die besser geeignet sind, um mit Keilen zu arbeiten.”

Juliane Körner

RRP-Experte: Manuel Naber

Manuel Naber ist seit 2014 als Spezialist im Bereich Hufbeschlag in der Pferdeklinik Burg Müggenhausen tätig. Als ursprünglich gelernter Kfz-Mechaniker absolvierte er 2002 am renommierten Western-Gestüt und Trainingsstall Leckebusch in Nümbrecht eine Ausbildung zum Pferdewirt, um sich danach bei Michael Möllmann zum Hufbeschlagschmied ausbilden zu lassen. Zu seinen größten Turniererfolgen im Westernsattel gehören die Bronzemedaillen 2014 und 2015 in der Disziplin Working Cowhorse auf der Deutschen Meisterschaft der DQHA sowie die Auszeichnung zum Nordrhein-Westfalen Champion der DQHA 2015 in mehreren Disziplinen.

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