Es ist ein in der Reiterwelt nur allzu gut bekanntes Problem, wenn das Pferd an Kotwasser leidet. Ob beim Fertigmachen zum bevorstehenden Turnier, dem Umzug in einen neuen Stall oder der Umstellung des Futters: Die Situationen, in denen dieses Phänomen auftritt, sind vielschichtig – ebenso wie die Ursachen dafür. RRP-Expertin Franziska Meißner erklärt, in welchem Zusammenhang Kotwasser beim Pferd auftritt und was man dagegen tun kann.
Gleich zu Beginn sei gesagt: Bei Kotwasser handelt es sich nicht direkt um eine eigenständige Erkrankung, sondern vielmehr um ein Symptom. Ein Symptom, das zahlreiche verschiedene Ursachen haben kann. Und wie bei nahezu allen physischen oder auch psychischen Symptomen, die ein Organismus zeigen kann, gilt: Wer das Problem langfristig erfolgreich bekämpfen will, muss auf Ursachenforschung gehen. Das Behandeln des Symptoms allein reicht nicht aus – auch der Grund dafür muss erkannt und, nach Möglichkeit, behoben werden. Das ist im Falle von Kotwasser oftmals jedoch gar nicht so einfach, weiß die Veterinärmedizinerin Franziska Meißner: “Kotwasser entsteht multifaktoriell, das heißt, es sind viele Faktoren, die zusammenkommen.” Hier muss der Besitzer, Reiter oder die ansonsten für das Pferd verantwortliche Person also das “große Ganze” im Blick behalten. Von der Haltungsform über die Fütterung und Bewegung bis hin zur Sozialverträglichkeit sollten alle Komponenten, die das Management des Vierbeiners betreffen, einmal genauer unter die Lupe genommen werden. Denn besonders der modern gezüchtete Pferdekörper von heute kann unter Umständen schon auf kleinste Unstimmigkeiten sensibel reagieren.
“Man muss regelrecht auf Detektivsuche gehen”, appelliert Franziska Meißner für genügend Sorgfalt, mit der man sich diesem Thema widmen sollte. Schließlich sind die Ursachen für Kotwasser nicht nur äußerst vielseitig, sondern natürlich auch von Fall zu Fall individuell. So ist neben einer gründlichen Betrachtung des Umfelds des betroffenen Pferdes auch die Absprache mit dem Tierarzt unerlässlich, um den Gesundheitszustand zu überprüfen und Vorerkrankungen auszuschließen.
„Um die Ursache von Kotwasser herauszufinden, muss man regelrecht auf Detektivsuche gehen.„
Franziska Meißner
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Wie entsteht Kotwasser?
“Die Entstehung von Kotwasser ist wissenschaftlich leider noch nicht ausreichend belegt”, erklärt Franziska Meißner. “In der Regel ist diese jedoch bedingt durch eine Störung im Verdauungssystem. Es kommt dann zu Problemen bei der Resorption – also der Wiederaufnahme – von Flüssigkeit während der Verdauung, wofür der Dickdarm zuständig ist. So wird dann, aus bisher nicht hinreichend belegten Gründen, nicht gebundenes Wasser abgesetzt. Neben der freien Kotwasserflüssigkeit entsteht jedoch meistens ganz normal geformter Kot. Anders als beim Durchfall verändert sich die Konsistenz der Pferdeäpfel von Kotwasser also in der Regel nicht.”
Erkrankungen ausschließen
Die passende Haltungsform, hochwertiges Futter und optimales Bewegungsmanagement sind zwar wichtig und richtig. Sie helfen jedoch insofern nicht weiter, wenn dem Auftreten von Kotwasser eine andere Erkrankung zugrunde liegt. Dann kann sich das Pferd im Alltag theoretisch noch so wohlfühlen – das Problem wird weiterhin auftreten. Unabhängig davon, dass womöglich eine entsprechende Behandlung der Vorerkrankung nötig wird und die Gesundheit natürlich an oberster Stelle steht, hätten Veränderungen in den anderen Bereichen dann schlichtweg nicht den gewünschten Effekt. Um folglich nicht einfach so an einer der möglichen Stellschrauben zu drehen, sollte zunächst ein Tierarzt konsultiert werden. “Zahnerkrankungen, Gastrointestinale Erkrankungen oder auch Parasitenbefall können zu Kotwasser führen”, erklärt Franziska Meißner. “Man sollte daher erst einmal ausschließen, dass das Pferd an einer derartigen Problematik leidet, bevor man andere Komponenten in Betracht zieht.” Ist das Pferd erkrankt und wird es dahingehend entsprechend behandelt, ist das Kotwasser möglicherweise eine Begleiterscheinung, die im Verlauf der Genesung ebenfalls wieder abklingt. Ist das Pferd jedoch grundsätzlich gesund, gilt es, weitere Faktoren in Betracht zu ziehen.

Das Futter im Blick
Glücklicherweise ist Kotwasser beim Pferd nicht immer automatisch ein Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung. “Man kann jedoch grundsätzlich davon ausgehen, dass eine Verdauungsstörung vorliegt”, so Franziska Meißner. Wurden andere Erkrankungen als Ursache ausgeschlossen, liegt es daher nahe, als Nächstes den Speiseplan des Pferdes unter die Lupe zu nehmen. Erhält es ausreichend Raufutter und das passende Kraftfutter? Entstehen womöglich lange Fresspausen? Wie ist es um die Qualität des Futters bestellt? “Bei der Fütterung sollte man unbedingt auf eine gute Qualität achten”, betont Franziska Meißner. Eine Aussage, die jedem Pferdebesitzer nicht neu sein dürfte – die gerade bei betroffenen Vierbeinern aber nochmal umso mehr Gewicht bekommt. “Eine mangelnde Futterqualität steht nicht selten im Zusammenhang mit dem Auftreten von Kotwasser und kann natürlich auch noch weitere negative Konsequenzen haben. Hierauf sollte also wirklich viel Wert gelegt werden. Wenn man sich nicht sicher ist, wie es im heimischen Stall oder bei Zusatzprodukten um die Qualität des Futters bestellt ist, kann eine Futtermittelanalyse darüber Aufschluss geben.” Genauso wie Futter von minderwertiger Qualität, kann aber auch ein Futtermangel zu Problemen führen: “Hier geht es zum einen schlichtweg um die Menge des angebotenen Futters, insbesondere des Raufutters. Pferde benötigen dieses in ausreichender Menge und sollten möglichst nicht zu lange Fresspausen haben”, erklärt Franziska Meißner. “Zum anderen kann aber auch Mangelernährung eine Ursache für Kotwasser sein. Wenn das Pferd zwar ausreichend Futter erhält, ihm aber wichtige Nährstoffe fehlen, ist das natürlich ebenso problematisch.”

Werden Probleme bei der Fütterung des Pferdes festgestellt, müssen diese natürlich behoben werden. Grundsätzlich sollten häufige Futterwechsel jedoch möglichst vermieden werden, weiß Franziska Meißner: “Die Darmflora des Pferdes ist sehr empfindlich und braucht immer eine Weile, um sich auf einen Futterwechsel einzustellen. Daher ist eine gewisse Beständigkeit in der Fütterung besonders wichtig.” Somit kann auch die Umstellung des Futters selbst wiederum der Auslöser für Kotwasser sein. Das betrifft zum einen das Kraft- und Zusatzfutter, aber auch die auf den ersten Blick eher banal erscheinende Umstellung von frischem Gras auf Raufutter oder umgekehrt. “Besonders im Herbst zum Aufstallen zeigen viele Pferde Kotwasser aufgrund der Umstellung von Gras auf Heu oder Heulage”, so die RRP-Expertin. Wer also einmal ein gutes Fütterungskonzept mit qualitätsvollen und verträglichen Produkten für seinen Vierbeiner gefunden hat, sollte möglichst dabei bleiben. Denn gerade, wenn das Futter sich nicht als Auslöser des Kotwassers erweist, kann eine Veränderung hier unter Umständen sogar mehr schaden als helfen. Und es kommen noch einige andere Faktoren als Ursache des Problems in Frage.
„Besonders beim Aufstallen im Herbst zeigen viele Pferde Kotwasser aufgrund der Umstellung von Gras auf Heu oder Heulage.„
Franziska Meißner
Stress, lass nach
Häufig entsteht Kotwasser auch im Zusammenhang mit Stress. Erste Anzeichen hierfür spiegeln sich in der Regel im Verhalten des Pferdes wider. Ist das Tier unruhig, gähnt, scharrt oder wiehert es viel? Schlägt es oft mit dem Schweif oder knirscht mit den Zähnen? Ist der Gesichtsausdruck angespannt? All das können Hinweise darauf sein, dass ein Pferd Stress hat. Und auch dieser kann natürlich selbst die unterschiedlichsten Ursachen haben.
Stressbedingtes Kotwasser kann dabei schon relativ plötzlich in Situationen auftreten, die zwar wieder vorübergehen, für den Vierbeiner in dem Moment aber mental sehr fordernd und aufregend sind. Je nach Gemüt des Pferdes reicht da schon ein anstrengendes Training, die Vorbereitung zum Turnier oder eine längere Fahrt auf dem Pferdeanhänger aus. Kein Wunder also, dass dann gerade mehr oder weniger starker Dauerstress erst recht auf den Magen schlägt – im wahrsten Sinne des Wortes. Dieser entsteht beispielsweise im sozialen Gefüge einer Herde, insbesondere bei den ranghohen und rangniedrigen Tieren, die ihre Position immer mal wieder verteidigen müssen. Aber auch in der Boxenhaltung kann es Schwierigkeiten mit dem Sozialverhalten geben. Hat das Pferd als Herdentier einerseits genügend Artgenossen um sich? Oder gibt es andererseits vielleicht Probleme bei der Verträglichkeit mit den direkten Boxennachbarn? “Wenn Stress oder auch sozialer Stress als Auslöser für das Kotwasser in Frage kommen, sollte man natürlich versuchen, diese Situationen zu vermeiden”, sagt Franziska Meißner. Vor allem bei dauerhaft gestressten Pferden muss unter Umständen sogar ein Haltungswechsel erfolgen, um das Problem und die daraus resultierenden, negativen Folgen zu beheben.

Mentales und körperliches Unwohlsein entsteht jedoch auch bei Bewegungsmangel. Hier kommt es auf ein bedarfsgerechtes Management an. Pferde in Boxenhaltung benötigen ausreichend Bewegung, die natürlich unter dem Reiter erfolgen kann, aber unbedingt auch in freier Form auf der Weide oder dem Paddock gewährleistet werden muss. Umgekehrt sind Pferde, die 24 Stunden am Tag draußen gehalten werden, dankbar für einen Rückzugsort, an dem sie zur Ruhe kommen können. Auch in puncto Stress gibt es also eine Vielzahl an Komponenten, die sich individuell auswirken, die aber sehr relevante Ursachen für Kotwasser sein können. “Man kann ganz klar sagen, dass Stress und Fütterung sehr wesentliche Punkte sind, die definitiv sehr genau bei der Ursachenforschung hinterfragt werden sollten”, betont auch Franziska Meißner.
„Stress und Fütterung sind sehr wesentliche Punkte, die bei der Ursachenforschung definitiv ganz genau hinterfragt werden sollten.„
Franziska Meißner
Hilfreiche Präbiotika
Wer erfolgreich eine oder mehrere Ursachen für das Auftreten von Kotwasser gefunden und, so weit wie möglich, behoben hat, kann darüber hinaus noch mehr tun, um dem betroffenen Pferd zu helfen und seine Gesundheit zu fördern. “Durch die gezielte Anwendung von Präbiotika kann die Darmflora des Pferdes unterstützt und saniert werden”, erklärt die angehende Veterinärmedizinerin. Präbiotische Wirkung zeigt dabei zum einen Reisstärke: Sie unterstützt die Darmbewegung und die im Darm natürlich vorkommenden Lactobacillen, welche die Verdauung fördern und krankheitserregende Keime verdrängen. Ebenfalls hilfreich ist Inulin zur zusätzlichen Bindung von Wasser im Darm. Zudem empfiehlt Franziska Meißner die zur Verfütterung hergestellte Lebendhefe namens Saccharomyces cerevisiae: “Sie wirkt im Dickdarm, stärkt die natürliche Darmflora und unterstützt die Nährstoffaufnahme.”

Laut der RRP-Expertin hat die Fütterung von Präbiotika in der Regel einige Vorteile. “Hier gibt es einige Produkte verschiedener Hersteller, die dabei helfen können, die Symptome zu lindern.” Demnach erhöht sich die Anzahl der natürlichen Lactobacillen im Darm, der PH-Wert im Darm stabilisiert sich und es kommt zu einer verbesserten Nährstoffaufnahme sowie besserer Verdaulichkeit der Rohfaser. Die so empfindliche Darmflora des Pferdes kann folglich gestärkt werden, was sich wiederum als hilfreich sowohl in der Bekämpfung als auch zur Vermeidung von Kotwasser erweist. Denn: Einmal abgeklungen, ist eine intakte Darmflora des Pferdes auch ein wichtiger Grundstein dafür, dass das Problem nicht so schnell wieder auftritt.
„Durch die gezielte Anwendung von Präbiotika kann die Darmflora des Pferdes unterstützt und saniert werden.„
Franziska Meißner

Die RRP-Expertin
Franziska Meißner ist Tierärztin für Pferde an der Pferdeklinik Tappendorf. Zudem hat die 30-Jährige bereits eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten absolviert. Nebenbei arbeitet sie für die VTG Tiergesundheit mit Sitz in Dägeling und ist dort insbesondere für Fachartikel und Beiträge, den Newsletter und Social Media zuständig. Die VTG Tiergesundheit entwickelt Pflegeprodukte für Pferde, Hunde und Katzen in eigener Herstellung.
Elisa Schnitzler
Fotos: Equipics/Zachrau