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Gewappnet für den Notfall

Schnell ist es passiert – das Pferd kommt von der Weide oder dem Paddock mit einem krummen Eisen zurück in den Stall oder macht beim Training einen unglücklichen Tritt und das Eisen verzieht sich unter dem Huf. Wie reagiert man in diesem Moment richtig und was kann man tun, bevor der Hufschmied eintrifft?

Die staatlich geprüfte Hufschmiedin Aletia Reilingh hat uns empfiehlt erst einmal genau zu prüfen, ob man als Pferdebesitzer überhaupt selber tätig werden muss. „Sehr oft erlebe ich in der Praxis, dass der Besitzer das Hufeisen schon abgenommen hat, obwohl es besser gewesen wäre man hätte auf den Schmied gewartet“, berichtet sie aus dem ihrem Arbeitsalltag. Denn wenn das Eisen nur ein wenig krumm gezogen ist und die Kappe nicht in den Huf drückt kann das Eisen bis zum Eintreffen des Hufschmieds in der Regel unter dem Huf bleiben. Wenn man sich nicht sicher ist, ob das Hufeisen bis zum Eintreffen des Schmieds unter dem Huf verbleiben kann, macht man am besten ein Foto und hält Rücksprache mit seinem Schmied.  „Viele Pferdebesitzer unterschätzen, wie viel Schaden man anrichten kann, wenn das Hufeisen nicht sachgerecht abgenommen wird“, erklärt die Schmiedin weiter. Trotzdem oder gerade deswegen findet die Expertin es aber wichtig, dass jeder Pferdebesitzer und Reiter sich im Vorfeld einmal damit auseinandergesetzt hat, wie man ein Eisen korrekt abnimmt und welches Werkzeug man dafür benötigt. „Im Idealfall lässt man sich das korrekte Abnehmen eines Hufeisens einmal von seinem Schmied zeigen. Dann weiß man genau, was zu tun ist und verhindert eine weitere Beschädigung des Hufs“, rät sie für die Praxis. Außerdem weist sie eindringlich darauf hin, dass zur Grundausstattung in jedem Stall das passende Werkzeug zur Verfügung stehen sollte. Im Idealfall hat man dieses Werkzeug auch dabei, wenn man mit dem Pferd unterwegs ist. Denn Reilingh erklärt weiter: „Zange ist nicht gleich Zange und mittlerweile bekommt man das passende Werkzeug schon recht günstig im Fachhandel. Mit der richtigen Grundausstattung muss man im Zweifel nicht versuchen mit irgendeiner Zange das Eisen vom Huf zu reißen. Denn je schlechter oder unpassender das Werkzeug, desto größer ist die Gefahr, dass der Huf nachhaltig beschädigt wird.“ Zur passenden Grundausstattung gehören deswegen folgende Utensilien: Hufraspel, eine Abnehmzange, eine Nagelziehzange, eine Nietklinge und ein Hammer. Mit dieser Ausstattung und der richtigen Technik kann das Eisen korrekt abgenommen und der Huf so vor einer weiteren Beschädigung geschützt werden.

Auf die Technik kommt es an

„Viele Reiter denken, dass das Abnehmen eines Hufeisens vor Allem ein Kraftakt ist, wenn es sich unter dem Huf verdreht hat. Am Ende kommt es aber schlicht und ergreifend auf die richtige Technik an“, verrät Aletia Reilingh. Sind die Nägel noch im Huf, müssen zunächst die Nägelköpfe gekappt werden. Diese werden vom Hufschmied beim Beschlagen umgebogen, damit der Nagel im Huf besser hält. Möchte man das Hufeisen abnehmen kann man den Nagelkopf entweder mit der Hufraspel abpfeilen, oder mit einer Nietklinge und einem Hammer nach oben biegen. „Wichtig ist, dass der Kopf des Hufnagels nicht mehr umgebogen ist, damit man den Nagel dann vernünftig aus dem Hufeisen ziehen kann“, erklärt die Expertin. Dann kommt die Nagelziehzange zum Einsatz. „Hierbei ist es wichtig, den Nagel nur nach unten oder zum Hufinneren herauszuziehen“, warnt Aletia Reilingh vor dem Fehler, den Nagel nach außen aus dem Hufeisen ziehen zu wollen. „In der Regel ist es den Meisten nicht bewusst, dass es für den Huf einen Unterschied macht, in welche Richtung ich den Nagel ziehe. Hier können aber durchaus schon Beschädigungen entstehen“, verrät die Hufschmiedin. Können alle Nägel mit der Nagelziehzange entfernt werden, kann man das Eisen dann mit der Hand abnehmen. Eine weitere Möglichkeit ist es, und je nach Drehung des Eisens unter dem Huf oft auch die zu verwendende Variante, das Eisen mit der Abnehmzange zu lösen. „In diesem Fall ist es noch wichtiger, die Zange nur in Richtung Hufspitze oder nach innen zu bewegen“, ermahnt Reilingh. Denn gerade bei diesem Vorgehen kann der Huf sonst erheblich beschädigt werden. „Ein Hufeisen abzunehmen ist kein Hexenwerk“, schmunzelt Reilingh, mahnt aber gleichzeitig, dass Pferdebesitzer nicht in blinden Aktionismus verfallen sollten. „Wenn möglich, sollte das Hufeisen von einem Schmied abgenommen werden“, rät sie dazu nicht zu viel selber auszuprobieren. „Oft können die Pferde mit einem krummen Eisen problemlos einen Tag herumlaufen. In vielen Fällen ist dies besser, als wenn sie mit einem Eisen weniger unterwegs sind. Natürlich ist das aber in jedem Einzelfall individuell zu entscheiden“, berichtet sie aus der Erfahrung.

Hufverband anlegen

Ist das Hufeisen einmal ab, kann es unter Umständen sinnvoll sein, einen Hufverband anzulegen, um den Huf vor weiteren Beschädigungen zu schützen. Auch hier empfiehlt Aletia Reilingh eine Rücksprache mit dem Hufschmied. „Aber, wenn man sich unsicher ist, kann man den Huf lieber einmal zu viel schützen, als zu wenig“, rät sie mit einem Augenzwinkern. Für einen einfachen Hufverband benötigt man in der Regel nur eine Babywindel und etwas Tape. Das sogenannte Panzertape oder Kraftklebeband hat sich hier als sinnvoll erwiesen. Zunächst wird die Windel am Huf angebracht. Diese wird dann mit dem Panzertape fixiert. Reilingh klebt hierfür mehrere Streifen des Klebebands gitterförmig aneinander. Diese „Fläche“ wird dann von unten unter den Huf geklebt und nach oben umgeklappt. Dann werden noch ein oder zwei Streifen von dem Klebeband um den Huf gewickelt. Diese Variante kann auch sehr gut verwendet werden, wenn der Huf nicht nur gepolstert, sondern zum Beispiel mit einem Angussverband versorgt werden soll. „Nach Hufgeschwüren muss der Huf ja häufig behandelt werden. Hier hat sich diese Variante des Hufverbands in der Praxis ausführlich bewiesen“, so der Tipp der Expertin. Zum Thema Hufgeschwür hat Aletia Reilingh noch einen weiteren Tipp für Pferdebesitzer parat: „Bei vielen Pferden sorgen Hufgeschwüre dafür, dass die Vierbeiner nur noch auf drei Beinen stehen. Manchmal lahmen sie so stark, dass die Besitzer denken die Tiere hätten ein Bein gebrochen“, weiß die Schmiedin zu berichten. Aber nicht immer äußert sich ein Hufgeschwür durch eine solch starke Lahmheit. Unabhängig davon, dass in jedem Fall ein Tierarzt hinzugezogen werden muss um den Pferd zu helfen, gibt es aber ein günstiges Tool, um selber schon einmal eine erste Einschätzung zu haben. „Hufabszesse verursachen in der Regel eine deutliche Erwärmung des Hufs“, erklärt Reilingh. Mit einem Wärmemesser, den man für kleines Geld erwerben kann, kann man schnell und einfach feststellen, ob einer der Hufe einen starken Temperaturunterschied zu den anderen Hufen des Pferdes aufweist. „Eine genaue Angabe wie warm oder kalt ein Huf im gesunden Zustand sein sollte kann man nicht treffen, bildet sich aber in einem Huf ein Hufgeschwür ist dieser aber normalerweise deutlich wärmer als die anderen Hufe“, berichtet die Schmiedin. Mit einem Temperaturmesser ist dies deutlich leichter und sicherer festzustellen, als mit den bloßen Händen. „Wenn der Tierarzt dann da ist, kann er mit einer Zange testen ob das Pferd ein erhöhtes Schmerzempfinden aufweist. Viele Pferdebesitzer führen diesen Test selber durch. Hiervon ist aber abzuraten. Das sollte man dem Fachmann überlassen. Ein hoher Temperaturunterschied ist aber leicht zu messen, richtet bei der Messung keinen Schaden an und gibt erste Aufschlüsse was im Huf los ist“, erklärt Reinlingh weiter. „Am Ende ist es einfach wichtig, dass man sich mit den Themen rund um den Huf einmal beschäftigt, bevor etwas passiert. Die Meisten machen sich darüber erst Gedanken, wenn sie mit dem Problem konfrontiert werden. Wenn man dann aber bereits weiß, was zu tun ist, tut man sich selbst, dem Pferd und dem Huf einen riesen Gefallen“, so das abschließende Fazit der Hufschmiedin.

Rebecca Thamm

RRP Expertin Aletia Reilingh

Aletia Reilingh ist in Kanada geboren und hat dort ihre Liebe zu den Pferden entdeckt. Von Kindesbeinen an hat sie sich mit den Vierbeinern beschäftigt und schnell stand für sie fest, dass auch ihr beruflicher Weg sie in die Pferdebranche führen soll. So machte sie ihre Ausbildung zur Hufschmiedin in ihrem Heimatland und sammelte dort einige Jahre Berufserfahrung. Sie arbeitete darüber hinaus in den USA , auf den Bermuda Inseln, in Ägypten, Irland und Frankreich und verschaffte sich so einen guten Einblick in das Thema Hufbeschlag auf internationaler Ebene. Vor etwas über sieben Jahren entschied die passionierte Dressurreiterin sich dann nach Deutschland zu kommen. Denn neben dem Beruf als Hufschmiedin hat sie auch ambitionierte sportliche Ziele in der Dressur. In Deutschland fand sie die passenden Trainer und kann ihrem Beruf weiterhin nachgehen. Als in Deutschland staatlich geprüfte Hufschmiedin arbeitet sie auf selbstständiger Basis für ganz unterschiedliche Kunden. Dabei hat Reilingh sich besonders im Bereich der Spezialbeschläge ausgiebig weitergebildet und ist als Formahoof Applikatorin geprüft.

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