Der erste Sieg ist immer etwas Besonderes – erst recht, wenn es die erste goldene Schleife in der schweren Klasse ist. In unserer Siegertypen-Serie geben wir Lesern die Chance, ihre ganz persönliche Geschichte bis zur ersten goldenen Schleife in der Klasse S zu erzählen. Fast etwas überraschend kam dieser für die rheinische Fahrerin Kai Schleicher und ihr Pony Chip Chap Coconut Anfang Oktober 2020.
Ihr Herz gehört bereits seit mehr als 35 Jahren dem Pferdesport: Im Alter von acht Jahren fing Kai Maria Schleicher 1984 mit dem Reiten an. „Ich habe damals gemeinsam mit einer Schulfreundin begonnen“, erinnert sie sich noch gut. Vom Sattel auf den Kutschbock wechselte sie erst über zwei Jahrzehnte später. „Ich hatte schon vorher immer mal wieder Kontakt zum Fahrsport, aber 2005 ging es dann regelmäßig los. Das kam so aus der Situation heraus, mit einem zu kleinen Pony und über Freunde, die bereits gefahren sind – und aufgrund meiner Herzkrankheit.“ Dabei war für Kai Schleicher von Anfang an klar: Nur so durch den Wald fahren wollte sie nicht. „Ich wollte schon zum Turnier“, betont sie. Und so ging es direkt nach dem Erwerb des Fahrabzeichens 2005 weiter: „Mit den Ponys der Trainer durften wir die ersten Starts absolvieren.“
Dabei träumte Kai Schleicher relativ schnell davon, einmal dem Landeskader anzugehören. Ein Traum, der sich im Jahr 2013 erstmals erfüllte. Seither ist die Krefelderin an vielen Wochenenden im Jahr auf Fahrturnieren im In- und auch Ausland unterwegs, 2017 und 2018 wurde sie Rheinische Meisterin der Pony-Einspänner Fahrer. Und das sogar, obwohl Kai Schleicher ihre eigene Karriere an den Leinen in den letzten Jahren zugunsten von Tochter Pia etwas hintenangestellt hat. Pia Schleicher ist eine der erfolgreichsten Nachwuchsfahrerinnen im Rheinland: 2018 nahm sie im Alter von zwölf Jahren erstmalig an Europameisterschaften teil, 2019 avancierte sie zur Deutschen U14-Meisterin mit dem Pony-Einspänner. „Aber nicht nur deswegen habe ich nie davon geträumt, selbst mal in der Klasse S zu siegen. Das war für mich eigentlich nie ein Thema, weil die Materie im Fahrsport so komplex ist, dass es nicht hilft, nur gut in der Dressur zu sein“, erklärt Kai Schleicher. „Man muss das Fahren im Gelände und im Kegelparcours ebenfalls auf ordentlichem Niveau beherrschen, um mitzuhalten. Deswegen kam mein erster S-Sieg für mich ziemlich unerwartet – und vermutlich wird er auch erstmal einzigartig bleiben“, schiebt sie lachend hinterher.
Die Fahrerin, die für den Krefelder Reit- und Fahrverein an den Start geht, trainiert bei Weltmeisterin Katja Berlage in der Dressur, im Hindernisfahren wird sie von deren Mann Max unterstützt. Von Familie Berlage hat Kai Schleicher außerdem das Pony erworben, mit dem sie den S-Sieg erzielen konnte. „Chip Chap Coconut habe ich vor dreieinhalb Jahren von meiner Trainerin gekauft. Er stand wegen des Umstiegs auf Großpferde zum Verkauf und ich war eigentlich gar nicht auf der Suche – aber so ist das ja meistens!“ Der heute elfjährige braune Classic Dancer I – Sohn hatte es Kai Schleicher vor allem wegen seiner Ausstrahlung im Dressurviereck angetan. „Sein Spitzname ist Caspar, den habe ich von Katja übernommen. Sie sagte mir damals: Du wirst schon merken, warum wir ihn so nennen. Er ist eben wirklich ein echter Caspar und immer für Überraschungen gut!“
Am Tag des ersten gemeinsamen S-Sieges sei das Pony aber erstaunlich relaxed gewesen: „Er war voll und ganz bei mir“, freut sich Kai Schleicher, die den Tag beim Turnier in Olfen Anfang Oktober ganz in Ruhe im Vorzelt mit einem Frühstück mit der Familie eingeläutet hatte. „Wir waren erst am Ende der letzten Prüfung dran, hatten also genügend Zeit.“
Gut vorbereitet fuhren Kai Schleicher und Chip Chap Coconut später zur S-Dressur ins Viereck ein und drehten eine harmonische Runde. „Dass die Dressur ganz gut war, hatte ich im Gefühl. Aber der Handyempfang war total schlecht und die Ergebnisse kamen nur schleppend rein. Ich stand gerade am Hauptplatz mit Fahrkollegen zusammen, als jemand auf mich zukam und mir gratulierte. Erst da habe ich online das Ergebnis gesehen: Ich hatte gerade meine erste S-Dressur gewonnen! Ich war erstaunt, aber auch sehr glücklich.“ Starke 74,417 Prozentpunkte hatte das Paar im Viereck gesammelt.
Zeit, um den Sieg direkt zu feiern, blieb allerdings nicht. „Wir hatten noch drei Stunden Rückfahrt vor uns, mussten die Boxen noch abbauen und den LKW fertig machen. Feiern geht da erstmal nicht. Aber am Schönsten ist es für mich nach tollen Turnieren sowieso, zuhause beim Bearbeiten der Bilder – wir halten immer alles mit der Kamera fest – den Tag und die Prüfung noch einmal zu erleben.“