
Der CHI Genf war das sportliche Highlight des Wochenendes, bei dem die Nummern eins und zwei der Weltrangliste Springen demonstrierten, dass sie ihre Positionen nicht ohne Grund inne haben.
Die zwei wichtigsten Springen in Genf sind regelmäßig das Top Ten-Springen am Freitag, an dem die besten zehn Reiter der Weltrangliste teilnehmen (oder Nachrücker, wenn es Absagen gab), sowie der Rolex Grand Prix am Sonntag. Letzterer ist eine der vier Stationen des Rolex Grand Slam of Showjumping, der bekanntlich erst von einem einzigen Reiter gewonnen werden konnte: Scott Brash. Der Brite ist aktuell die Nummer zwei der Weltrangliste hinter dem US-Reiter Kent Farrington. Am Freitag, als die beiden im Rahmen des Top Ten-Springens aufeinander trafen, war jedoch Scott Brash die Nummer eins und Farrington die Nummer zwei.
Top Ten Springen
Ein 1,60 Meter-Springen mit zwei Umläufen entschied über die Frage nach dem Besten der Besten. Nur Brash und Farrington gelangen zwei Umläufe ohne Abwurf. Brash ritt die zwölfjährige OS-Stute Hello Chadora Lady v. Chacco-Blue aus der Zucht des Gestüts Lewitz, die er im vergangenen Jahr von der US-Reiterin Natalie Dean übernommen hatte. Die Stute ist diese Saison von einem Erfolg zum nächsten gesprungen, hat die Global Champions Tour Grand Prix von Shanghai und St. Tropez gewonnen, war Zweite in Hongkong und zuletzt Dritte im Super Grand Prix von Prag. Und am Freitag bescherte sie ihrem Reiter seinen ersten Triumph im Top Ten-Springen der Welt, als sie Kent Farringtons Toulayna im zweiten Umlauf 0,16 Sekunden abnahm.
Schneller, aber mit einem Abwurf aus dem ersten Umlauf belastet, kam Richard Vogel auf dem elfjährigen Holsteiner Hengst Cloudio v. Casall ins Ziel, Rang drei. Global Champions Tour Gesamtsieger Gilles Thomas (BEL) hatte die neun Jahre junge Emerald-Tochter Qalista TN gesattelt, die im zweiten Umlauf eine Stange mitnahm und einen Hauch langsamer war als Cloudio – Platz vier. Komplettiert wurden die besten fünf durch Harrie Smolders (NED) auf Monaco (4/0), gefolgt von Christian Kukuk mit Just be Gentle (1/4), Daniel Coyle (IRL) auf Incredible (4/4), Julien Epaillard (FRA) im Sattel von Donatello d’Auge (4/4), dem nach seinen Bandscheibenoperationen gerade zur rechten Zeit wieder genesenen Steve Guerdat (SUI) im Sattel von Venard de Cerisy (0/8) sowie Ben Maher (GBR) auf Dallas Vegas Batilly, die nicht ihren besten Tag erwischt hatten (4/EL).
Rolex Grand Prix – Heya Greya!
Satte 1,2 Millionen Euro wurden am Sonntag im Rolex Grand Prix von Gend verteilt. Als Gewinner des Großen Preises von Spruce Meadows war Scott Brash der „Live Contender“ für den Rolex Grand Slam. 2014 hatte er in Genf auf Hello Sanctos die Grundlage für seinen historischen Erfolg gelegt. Bis heute ist er der einzige Reiter, dem es gelungen ist, die drei prestigeträchtigsten Großen Preise der Welt in Folge zu gewinnen: Genf, Aachen und Spruce Meadows. Damals war dies Hello Sanctos im Alleingang gelungen. Inzwischen hat Brash mit seiner Freitagssiegerin Chadora Lady, Spruce Meadows- und Olympia-Sieger Hello Jefferson sowie der EM-Sensation Hello Folie drei Pferde von überragender Qualität zur Verfügung. Am Sonntag entschied er sich für Hello Folie, die ihn fehlerfrei bis Hindernis 9 von 14 trug. An der zweifachen Kombination mit zwei Steilsprüngen räumte sie beide Stangen ab. Aus der Traum vom Grand Slam.
Das Stechen erreichten am Ende acht Paare. Weitere fünf scheiterten nicht an den Hindernissen des Normalparcours, sondern an der Zeit. Italiens Piergiorgio Bucci und Hantano taten ihr Bestes, doch im Stechen verließ sie das Glück, das sie bis ins Stechen getragen hatte – drei Abwürfe.
Marc Dilasser und Arioto de Greves vertraten die Tricolore im Stechen. Der kompakte Diamant de Semilly-Sohn war auch flott unterwegs, aber auch bei ihm fiel eine Stange.
Das erste Paar, bei dem es nach einem potenziellen Sieg aussah, waren der Ire Shane Sweetnam auf seinem sensationellen Kannan-Sohn James Kann Cruz. Dieser Schimmel hat von Haus aus einen Riesengaloppsprung, kann den aber auch beliebig verkürzen und auf dem Teller drehen. Die Parcourschefs Gérard Lachat (SUI) und Gregory Bodo (FRA) hatten den Reitern im Stechen sowohl Möglichkeiten eröffnet, in Distanzen Galoppsprünge einzusparen, als auch Wendungen eng zu nehmen. Sweetnam entschied sich, auf einer weiten gebogenen Distanz einen Galoppsprung einzusparen. Das hatte allerdings seinen Preis. Der Schwung aus der Vorwärtsdistanz trug James Kann Cruz nicht nur im weiten Bogen über das zweite Hindernis der Distanz, sondern auch von der Ideallinie weg. Fehlerfrei und schnell waren die beiden trotzdem: 41,39 Sekunden. Aber es war klar, dass sie hier eine Tür offen gelassen hatten.
Kent Farrington ist keiner, der offene Türen ignoriert. Seine OS-eingetragene Colestus-Tochter Greya aus der Zucht von Wilfried Sandmann hat zwar nicht den Riesengalopp eines James Kann Cruz, aber das macht sie durch Wendigkeit und Frequenz wieder wett. Die beiden erwischten jede Distanz, jede Wendung perfekt und flogen nach unglaublichen 40,04 Sekunden durchs Ziel. Daran bissen sich alle anderen Paare die Zähne aus. Für Kent Farrington war es der dritte Sieg in einem Rolex Major und der zweite in Genf, nachdem er hier bereits 2017 mit Gazelle siegreich gewesen war. 2019 hatte er in Aachen die Nase vorn, ebenfalls mit Gazelle.
Der 24 Jahre junge Mannschaftseuropameister aus Belgien, Thibeau Spits, freute sich mit Impress-K van’t Kattenheye über Platz drei (0/0/42,21). Dahinter wurde Sophie Hinners mit Singclair als beste Deutsche Vierte. Auch die beiden waren zweimal null geblieben, konnten in Sachen Effizienz dem Siegerpaar allerdings nicht das Wasser reichen (42,45).
Eine kleine Sensation war der Schweizer Jason Smith auf dem grandios springenden zehnjährigen belgischen Hengst Picobello van’t Roosakker. Jason Smith klingt nicht gerade nach einem Schweizer Namen und das ist er auch nicht. Smith ist gebürtiger Schotte, verbrachte die ersten Jahre seiner sportlichen Karriere mit Ted und Liz Edgar, ging 2006 dann zu Dietmar Gugler und zwei Jahre später zu Pius Schwizer in die Schweiz. Hier lebt er seither, hat sich 2015 selbstständig gemacht und 2023 die Schweizer Staatsangehörigkeit angenommen. Gut für die Eidgenossen, denn Smith war der einzige Vertreter der Gastgeber, der es ins Stechen geschafft hatte und lieferte hier mit seinem Schimmel v. Kassander van’t Roosakker eine Bilderbuchrunde, die mit Platz fünf belohnt wurde.
Außer Sophie Hinners hatte es von den deutschen Startern auch Christian Ahlmann ins Stechen geschafft. Er hatte den zehnjährigen Zangersheider Hengst Dourkhan Hero Z mit nach Genf gebracht, der im ersten Umlauf scheinbar Unmögliches möglich gemacht hatte, als er sich aus einer deutlich zu dichten Distanz doch noch fehlerfrei über ein Hindernis schraubte, um ins Stechen zu kommen. Hier fiel dann allerdings bereits am zweiten Hindernis die erste Stange und eine weitere folgte. Platz sieben für die beiden.
Ebenfalls unter den Platzierten: das 2023er-Siegerpaar von Genf, Richard Vogel und United Touch S. Mit der zweitschnellsten Vier-Fehler-Runde im Normalparcours belegten sie Rang 15. Flotter waren von den „Vierern“ nur Max Kühner und sein Schweizer Schimmelwallach Blues d’Aveline gewesen. Den 13-jährigen Baloussini-Sohn hatte Kühner bekanntlich von Gerrit Nieberg übernommen, der mit ihm ebenfalls großartige Erfolge hatte.
Böckmann beim Indoor Derby dabei
Die riesige Arena des Palexpo Genf mit 5400 Quadratmetern und einem „Teich“ ist alljährlich auch Schauplatz einer Indoor-Vielseitigkeit. Aus Deutschland war neben Michael Jung unter anderem auch der Düsseldorfer Sportler des Jahres, Calvin Böckmann, mit dabei. Er hatte den siebenjährigen Ex-Bundeschampion Kasparow gesattelt, für den es das erste Hallen-Derby war. Er schlug sich wacker, hatte allerdings einen Vorbeiläufer an einem schmalen Hindernis, der zum einen 20 Strafpunkte, zum anderen Zeit kostete.
Michael Jung wurde mit Fischersolution II Siebter. Den Sieg holten Janneke Bonzaaijer und ihr Quidam de Revel-Sohn Champ de Tailleur in die Niederlande. Zweiter war der Ire Cathal Daniels auf seiner 18-jährigen langjährigen Partnerin Rioghan Rua (2013 erster CCI, vier EMs von Junioren bis Senioren, WM Silber 2018, Reservist Olympia 2021), gefolgt von Karim Florent Laghouag für Frankreich, der mit Triton Fontaine ein ebenfalls 18-jähriges Pferd mit reichlich Championatserfahrung gesattelt hatte (u.a. Olympiabronze mit der Mannschaft 2021 und Silber 2024).





