Was für ein Thriller bei der Mannschaftsentscheidung der Europameisterschaft der Springreiter 2025! Am Ende wurde es Bronze für die deutsche Equipe und der Titel für Belgien.

Showdown in La Coruña. Die Eckdaten des Parcours waren wie zuvor: 14 Hindernisse, 17 Sprünge. Gestern hatte es ganze 30 Null-Fehler-Ritte gegeben, heute immerhin noch 16, zwei davon von den Belgiern, die am Ende mit 5,61 Strafpunkten Europameister wurden. Silber (7,96) ging nach Großbritannien, Bronze (8,19) nach Deutschland.
Wenn jeder Punkt zählt …

Doch die nüchternen Fakten geben nicht wieder, wie spannend dieses Finale war, gerade weil es so viele Null-Fehler-Ritte gegeben hatte und damit jeder Zeitstrafpunkt einer zu viel hätte sein können. Das war wohl auch der Gedanke des 24 Jahre jungen Belgiers Thibeau Spits als er auf seinem gewaltig springenden auch erst zehnjährigen Impress-K van’t Kattenheye Z die Ziellinie ohne Hindernisfehler, aber eben einen Hauch zu langsam überquerte. Große Freude wollte da noch nicht aufkommen. Zumal Nicola Philippaerts und seine wunderbare, stets zu allem bereite Katanga van het Dingeshof zwar auch heute fehlerfrei geblieben waren, Pieter Devos und Casual DV Z aber einen Abwurf kassiert hatten. Womit die Belgier damit am Ende landen würden, war nach dem Ritt von Spits noch offen.
Denn beim deutschen Team sah es bis zum dritten Reiter genauso aus: vier Fehler von Marcus Ehning, der sich über sich selbst ärgerte und meinte, es sei ein Wunder, dass es bei dem einen Abwurf geblieben war, so schlecht wie er heute geritten ist, null Fehler von Sophie Hinners und My Prins nach einem Bilderbuchritt.

Glück aufgebraucht
Deutschland war nach den Belgiern dran, Christian Kukuk und Just be Gentle das nächste Paar. Um die Mannschaft vor Belgien zu halten, musste er null bleiben. Gestern war er derjenige gewesen, der hart mit sich ins Gericht gegangen war und das Gefühl gehabt hatte, seine wunderbar springende Stute im Stich gelassen zu haben. Da waren sie null geblieben, hatten ihr Quantum Glück aber offenbar verbraucht. Heute fiel die Stange an der Triplebarre vor der dreifachen Kombination. Trotzdem war Kukuk mit seinem Ritt zufriedener als gestern.
Für die Mannschaft war Kukuks Fehler allerdings ein Problem, denn obwohl auch der dritte Reiter der Briten, Donald Whitaker auf Millfield Colette, einen Abwurf hatte, waren sie mit weniger Strafpunkten aus dem Zeitspringen gekommen und rangierten damit vor Deutschland.
Der Ritt zum Sieg

Es kam also alles auf die letzten Reiter an. Klar war: Wenn Gilles Thomas und sein wunderbarer Ermitage Kalone null bleiben würden, wäre Belgien Europameister. Thomas und der elfjährige Catoki-Sohn gingen den Parcours an wie alle anderen zuvor: ruhig, effizient und in einer Manier, mit der sie im September beim Bundeschampionat der fünfjährigen Springpferde ganz vorne dabei wären.
Als Thomas den Hengst ideal vor das letzte Hindernis brachte und der zum Absprung ansetzte, riss der 27-Jährige den Arm bereits im Triumph in die Luft. Er wusste: Ermitage Kalone wird keinen Fehler machen und er sollte Recht behalten. Es war der Sprung zum Titel. Wie Gilles Thomas sagte: „Ich wusste, ich muss ihm eine Medaille geben. Es kann nicht sein, dass so ein Pferd keine Medaille gewinnt!“ Wahrscheinlich wird es nicht die letzte sein.
Aber heute Abend wird erst einmal diese begossen. Equipechef Peter Weinberg rieb sich gedanklich wohl schon die Hände: „Der Präsident unserer Reiterlichen Vereinigung ist heute gekommen – gerade rechtzeitig, um das Team-Essen zu bezahlen …“ Gottseidank ist ja morgen Ruhetag.
Vogel und Brash

Nun ging es noch um um Silber und Bronze. Und zwar für Deutschland und Großbritannien. Als Richard Vogel als vorletzter Starter vor dem finalen britischen Auftritt einritt, wusste er: Um die Chance auf Silber zu wahren, sollte er bestenfalls null bleiben – und damit nebenbei gesagt auch die Führung in der Einzelwertung verteidigen. Aber dazu hatte er ja gestern schon gesagt, dass das zweitrangig ist und es in erster Linie ums Team geht.
Er nahm den Parcours in Angriff mit seinem United Touch S. Bis zur letzten Linie, einer zweifachen Kombination und einem Steilsprung über Wasser ins Ziel, sah es nicht so aus, als könnte United Touch überhaupt Fehler machen. Doch vor der Zweifachen sprang der Hengst vorne in Kreuzgalopp und tauchte vor dem Absprung kurz weg. Doch er fing sich und schaffte es fehlerfrei ins Ziel.

Nun Auftritt Scott Brash und Hello Folie. Gestern hatte die bunte Fuchsstute ihren Reiter gerettet, als der vor der dreifachen Kombination die Zügel verlor, sie aber auch ohne seine Unterstützung die größte Klippe des gestrigen Kurses überwand. Wie würden sie heute agieren? Kurz gesagt: wild! Doch heute behielt Scott Brash die Zügel in der Hand. Man hatte den Eindruck, die Stute sprang umso lieber und begeisterter, je mehr Hindernisse vor ihr auftauchten. Wie gut, dass ihr Reiter Nerven aus Stahl hat und eine Ruhe am Leib, ohne die man ein Pferd wie Hello Folie wohl nicht einmal durch einen L-Parcours bekommen würde. Doch obwohl die Stute die Hindernisse regelrecht attackieren wollte und sich drehte und wendete, um der zur Ruhe mahnenden Hilfengebung ihres Reiters zu entkommen, schaffte Brash es irgendwie, Folie fehlerfrei ins Ziel zu bringen. Damit war klar: Silber für die Briten, Bronze für die Deutschen.
Enttäuscht? Überhaupt nicht, sagt Richard Vogel: „Obwohl wir so nah an Gold waren, fühlt es sich so an, als haben wir Bronze gewonnen und nicht Gold verloren.“ Zumal es für ihn am Sonntag ja noch einmal um Gold geht.
Die Einzelwertung
Richard Vogel könnte aus eigener Kraft Europameister werden. Dafür müssen er und United Touch S „nur noch“ zweimal null springen. Aktuell führen die beiden das Ranking mit 0,01 Strafpunkten an. Scott Brash und Hello Folie sind mit 1,08 Strafpunkten aus Silberkurs vor dem Schweizer Titelverteidiger Steve Guerdat und Iashin Sitte (1,19).
Sophie Hinners ist mit weniger als einem Springfehler Abstand Elfte (3,21). Das ist wenig. Allerdings sind eben auch noch zehn Paare vor ihnen, die alle Fehler machen müssten, um ihnen zu einer besseren Platzierung zu verhelfen. Diese zehn Paare sind neben den drei erstgenannten die folgenden:
- Die frisch gebackenen Mannschaftseuropameister Gilles Thomas/Ermitage Kalone und Nicola Philippaerts/Katanga auf den Plätzen vier (1,37) und fünf (1,72),
- Nadja Peter Steiner und Ludger Bierbaums ehemaliges Erfolgspferd Mila nach tollen Runden an sechster Stelle (2,11)
- der Benjamin des irischen Teams, Seamus Hughes Kennedy, 22 Jahre jung, mit ESI Rocky auf Platz sieben (2,16),
- Ben Maher im Sattel von Dallas Vegas Batilly dahinter an achter Stelle (2,35),
- dann die Schweizer Einzelreiterin Janika Sprunger, die mit ihrer Emerald-Tochter Orelie einen fantastischen Job bei jedem Auftritt gemacht hat (2,41), und schließlich
- Kevin Staut auf Visconti du Telman als bestem französischen Paar (2,47).
Ausblick auf Sonntag
Es werden also noch einmal alle Daumendrücker benötigt beim großen Finale, das wieder über zwei Umläufe ausgetragen wird. Im ersten sind die besten 25 der derzeitigen Rangierung dabei (wozu auch Christian Kukuk als 20. gehört), im zweiten dann nur noch die Top 12.
TV-Zeiten: Am Sonntag, 20. Juli, ist die ARD bei der Einzelentscheidung dabei – um 14 Uhr mit dem ersten Umlauf per Livestream auf Sportschau.de, ab 16.30 Uhr dann mit dem Finale der besten 12 im ARD Fernsehen.
Eurosport bringt am Sonntag um 19.15 einen Bericht zur EM und am Montag, 21. Juli, um 12.30 Uhr einen Rückblick.





