
Im niedersächsischen Landkreis Stade wurde eine Pferdeherde von einem Wolfsrudel attackiert. Ein Pferd starb, der Rest der Herde ist in Panik geflohen, konnte aber wieder eingefangen werden.
In der Nacht von Donnerstag, 23. Oktober auf Freitag, 24. Oktober, wurde eine Herde Jungpferde des Ehepaars Hannelore und Dietrich Bargsten aus Fredenbeck offenbar von einem Wolfsrudel angegriffen. Ein dreieinhalbjähriger Hannoveraner Wallach wurde getötet. Laut Hannelore Bargsten war sich der hinzugezogene Rissbegutachter der Landwirtschaftskammer zu „100 Prozent“ sicher, dass ein Wolfsangriff der Grund war. Durch die massiven Regenfälle der letzten Tage war der Boden stark aufgeweicht, so dass diverse Pfotenabdrücke verschiedener Größen zu sehen waren. Bargsten erklärt, der Gutachter hätte daraus geschlossen, dass es sich hier um ein ganzes Rudel gehandelt haben muss. Christoph Wilkens, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Stade im Landvolk Niedersachsen, ergänzt, laut Rissbegutachter sei die „Auffindesituation eindeutig“ gewesen. Es wurden aber auch DNA-Proben zur Auswertung genommen.
Besagte Auffindesituation war so, dass zehn der elf Pferde der Herde am anderen Ende des in der Nähe der Weide befindlichen Örtchens Kutenholz eingefangen werden konnten. Ein dreijähriger Wallach fehlte jedoch. Bargsten fand ihn in einem Wassergraben. Hier kam jede Hilfe zu spät. Die Hinterhand sei „komplett aufgefressen“ gewesen, die Knochen abgenagt, so Bargsten.
Die Züchter vermuten, dass der Wallach über den Zaun gesprungen ist, während der Rest der Herde in Panik durch das mit einer Litze überspannte Tor gebrochen sein muss. „Das war total verbogen“, so Hannelore Bargsten.
Herde traumatisiert
Hannelore Bargsten schätzt den wirtschaftlichen Schaden auf 10.000 bis 12.000 Euro. Schlimm sei aber auch die Verfassung der anderen Pferde, die nun aufgestallt am Haus stehen. „Sie sind relativ traumatisiert, springen weg, wenn man nur an der Box entlanggeht. Dabei sind sie eigentlich total handzahm. Sie wollten sich erst auch gar nicht verladen lassen, dabei kennen sie das alles.“
Es ist nicht der erste Wolfsangriff auf Pferde in Niedersachsen, aber der erste im Landkreis Stade, sagt Christoph Wilkens. Allerdings kam 2024 in Wingst im benachbarten Landkreis Cuxhaven ein Pferd durch einen Wolfsangriff ums Leben. Die Weide, auf der die Pferde der Familie Bargsten standen, sei fachgerecht mit Stromzaun eingefriedet gewesen, betont Wilkens. Es habe sich jedoch nicht um einen wolfsabweisenden Zaun gehandelt. Einen Antrag auf Förderung zum Bau eines solchen Zauns zu stellen, ist der nächste Schritt für das Ehepaar Bargsten. Aber Hannelore Bargsten betont auch, dass sich grundsätzlich etwas an der Situation ändern müsse.
Laut der jüngsten Zählung (2023/24) der Dokumentation- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW), zählt Niedersachsen nach Brandenburg den höchsten Bestand an Wölfen in der gesamten Bundesrepublik. Hier gab es damals 48 Rudel, zehn Paare und drei Einzeltiere. In NRW waren es zwei Rudel, ein Paar und drei Einzeltiere.
Aktuelle Zahlen von 2024/25 liegen noch nicht für alle Bundesländer vor. Wohl aber beispielsweise für Mecklenburg-Vorpommern. Hier wurden 2023/24 19 Rudel, 14 Paare und ein Einzeltier in 34 Territorien gezählt. 2024/25 sind es immer noch 34 Territorien, aber 28 Rudel. Dafür hat die Anzahl der Paare abgenommen, von 14 auf fünf. Weiterhin gibt es ein Einzeltier.
„Wolfsmanagement muss rechtssicher möglich sein“
Hannelore Bargsten fordert, dass der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird und will sich beim Landrat dafür stark machen. Im Juni hat der EU-Recht das Absenken des Schutzstatus der Wölfe von „streng geschützt“ auf „geschützt“ bewilligt. Theoretisch wäre damit eine Regulation des Bestandes möglich. Aber wie Christoph Wilkens erklärt, müssen sich nun zunächst die zuständigen Stellen der einzelnen Bundesländer dafür aussprechen und dann muss die Frage geklärt werden, was genau es bedeutet, wenn der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird. Wilkens: „Es wäre zum Beispiel möglich, aus der Jugendklasse Tiere zu entnehmen, um den Bestand zu regulieren, wie es etwa bei Schwarzwild gemacht wird. Die zweite Frage ist dann, wie geht man mit Wölfen um, die schon Tiere gerissen haben.“
Wilkens setzt darauf, dass mit der Bestandsregulierung auch eine Verhaltensanpassung der Wölfe einhergeht: „Wölfe müssen erkennen, dass der Mensch eine Gefahr darstellt und dass Weidetiere keine Beutetiere sind. Aber es sind hoch intelligente Tiere. Sie werden schnell verstehen, dass sie Abstand von Menschen und Nutztieren halten müssen.“
Es sei gut, dass die EU nun den Weg frei gemacht hat, aber „das sind politische Entscheidungen, die getroffen werden müssen, damit gehandelt werden kann.“ Er appelliert an die Bevölkerung, Wolfssichtungen sofort zu melden, damit die Dringlichkeit der Situation weiterhin im Bewusstsein bleibt.





