Magenprobleme sind bei Pferden keine Seltenheiten und gelten mittlerweile fast als Zivilisationskrankheiten. Fohlen können genauso wie Freizeitpferde, Turnierpferde, Hochleistungssportler und Rennpferde betroffen sein.
Laut Studien leiden zwischen 80-100% aller Englischen Vollblüter, bis zu 60% aller Sport-, knapp 54% aller Freizeit-, ungefähr 93% der Distanzpferde sowie ca. 50% der Fohlen an Magengeschwüren. Das tückische an Erkrankungen des Magens ist die Interpretation und Deutung der oft unspezifischen Symptome. Je nach Pferdetyp zeigen die Tiere kaum Schmerzsymptome, oder äußern hingegen starke Schmerzen. So können die einen Pferde nur etwas schlapp und introvertiert wirken, die anderen Pferde lassen sich im Bereich des Magens kaum noch anfassen, legen die Ohren an beim Putzen und zeigen beim Reiten deutliche Rittigkeitsbeschwerden. Zu den Magenerkrankungen zählt die Gastritis, die Magenschleimhautentzündung, sowie die Magenulzera, die klassisch als Magengeschwüre bezeichnet werden (Equine Gastric Ulcer Syndrome, EGUS). Den Magenulzera geht in der Regel immer erst eine Gastritis voraus, aus derer Nichtbehandlung sich dann Geschwüre entwickeln. Die Läsionen der Schleimhaut können schlimmstenfalls zu schweren Blutungen und letztendlich zum Magendurchbruch führen, weshalb eine frühzeitige Diagnose wichtig ist. Durch eine artgerechte Haltung, ein angepasstes Training sowie eine bedarfsdeckende Fütterung kann Magenerkrankungen vorgebeugt werden. Ziel ist die Vermeidung von übermäßigen Stressoren auf das Wohlbefinden des Pferdes.
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Evolutionärer Hintergrund
Evolutionsbedingt ist das Pferd ein Dauerfresser, der in der freien Wildbahn den überwiegenden Großteil des Tages (im Durchschnitt 16 Stunden) mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt ist. Dabei werden im langsamen Schritt andauernd kleine Futterportionen aufgenommen und verwertet. Da der Pferdemagen mit seinen etwa 18 Litern ein geringes Fassungsvermögen hat, ist das Pferd auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme angewiesen. Lange Fresspausen gibt es nicht. Demzufolge ist der Verdauungstrakt immer beschäftigt und nie leer, der Magen produziert ständig Magensäure, ganz gleich, ob gerade Nahrung gekaut und verdaut wird, oder ob er leer ist. Eigentlich dient die Magensäure zur Vorverdauung der Nahrung, da durch sie Bakterien, Pilze und Parasiten abgetötet werden und der Chymus (Nahrungsbrei) zersetzt wird. Eine weitere Aufgabe der Salzsäure ist es, den pH-Wert im Magen abzusenken.
Sowohl der Speichel hilft, die Magensäure abzupuffern und zu neutralisieren, als auch die basischen Verdauungssekrete im Dünndarm. Leider produzieren Pferde nur Speichel, wenn sie Futter zu sich nehmen, es zerkleinern und kauen. Je länger Pferde ihre Nahrung kauen, desto mehr Speichel wird produziert und umso besser wird die Magensäure neutralisiert, weshalb eine Ration immer viel Faser enthalten sollte. Das Kauen von Heu senkt die Ausschüttung des Hormons Gastrin. Dieses wird in den Drüsen der Magenschleimhaut gebildet und ist wichtig für die Säureproduktion. Wird viel Gastrin produziert, ist die Bildung der Magensäure sehr hoch. Die Gastrin-Ausschüttung ist wiederum abhängig vom pH-Wert im Magen. Im sauren Milieu unter 3 (bei Heufütterung) stockt sie. Sind die Fresspausen zu lang, wird im Magen zu viel Säure produziert, die durch die fehlende Bildung von Speichel nicht neutralisiert werden kann. Es kommt zu einem Säureüberschuss und in Folge dessen greift die Magensäure die Magenschleimhaut an. Die kutane Schleimhaut (drüsenlos) und die drüsenhaltige Schleimhaut (Pars glandularis) des Magens werden zersetzt. Die Pferde entwickeln erst eine Gastritis, die sich bei nicht rechtzeitiger Bemerkung zu Geschwüren weiterentwickeln kann.
Bei der Art der Geschwüre wird zum einen nach Lage entschieden (Equine Squamous Gastric Disease (ESGD), im drüsenlosen Bereich des Magens, und Equine Glandular Gastric Disease (EGGD), im drüsenhaltigen Teil des Magens), zum anderen nach Schwere der Geschwüre (Grad 0: völlig unauffälig, Grad 4: tiefe, blutende oder ausgedehnte Ulzerationen). Die Einstufung der Schweregrade betrifft nur ESGD, da sich bei EGGD Experten international noch auf keine Graduierung einigen konnten, weil das Erscheinungsbild sehr unterschiedlich sein kann. Im schlimmsten Fall begünstigt die Bildung der Geschwüre Einblutungen und schlussendlich auch das Durchbrechen des Magens.
Stress und andere Ursachen von Magenerkrankungen
Die Entwicklung von Magenproblemen ist sehr eng an das Wohlbefinden und die Psyche der Pferde gekoppelt. Das physische Befinden hängt unmittelbar mit der psychischen Verfassung zusammen. In den meisten Fällen ist eine nicht zum Pferd passende Haltung und Fütterung ausschlaggebend für die Entstehung der Probleme. Durch übermäßigen Stress werden Magenerkrankungen begünstigt, da durch ihn die Zellen in der Magenwand nicht mehr ausreichend durchblutet werden und weniger schützenden Schleim produzieren können, wodurch die Magenwand von der Magensäure schneller geschädigt werden kann. Hält dieser Zustand lange an, oder wiederholt er sich oft, werden die Strukturen im Magen gereizt und eine Gastritis mit resultierenden Magenulzera kann entstehen. Eine komplette Stressausschaltung ist jedoch nicht möglich, da Stress in der Natur der Sache liegt und selbst Pferde, die nur auf der Wiese stehen, oder wild sind, Stress in Form von Nahrungsknappheit, Rangkämpfen und Temperaturen ausgesetzt sind. Es geht also darum das Stresslevel so minimal wie möglich zu halten. Haltung und Fütterung sollten deshalb so artgerecht wie möglich gestaltet werden, um an dieser Stelle potenzielle Stressfaktoren zu umgehen.
Stressoren können unterschiedlichen Ursprungs sein:
– Krankheiten und Operationen können Stressoren sein, da das Pferd bspw. in einer fremden Umgebung ist (Klinik), oder einen veränderten Tagesablauf hat, weil es mit seinen Freunden nicht wie gewohnt raus darf, oder einfach durch die körperlichen Schmerzen gestresst wird.
– Rangkämpfe im Gruppenverband, Erkämpfen seines Futters in der Herde oder neue Integrationen in eine Herde können auch für Offenstallpferde Stress bedeuten.
– Stallwechsel, Transporte oder Turniere können ebenfalls Stressoren sein, wobei jedes Pferd individuell anders auf Umstrukturierungen reagiert.
– Das Training kann auch Stress für Pferde sein, wenn sie dauerhaft überansprucht werden und sie Leistung erbringen müssen, der sie noch nicht gewachsen sind.
– Belastungen an der Belastungsgrenze, oder sogar darüber hinaus, führen zu psychischem und physischem Stress, dem der Körper nicht lange standhalten kann. Der Pferdemagen zieht sich zusammen, sodass die Magensäure in den vorderen Teil des Magens gelangen und hier Geschwüre im kutanen Teil hervorrufen kann.
– Medikamente können je nach ihrer Wirkweise Stress für den Magen sein, da es Medikamente gibt, die aufgrund ihrer Wirkmechanismen den Magen belasten, z.B. Schmerzmittel, Entzündungshemmer (nicht-steroidale Antiphlogistika).
– Absetzen von Fohlen
Neben den oben genannten Stressfaktoren existieren aber auch andere Ursachen, die für die Entstehung von Magenproblemen eine Rolle spielen können:
– Verändertes Fressverhalten aufgrund von Kaubeschwerden und Zahnerkrankungen kann durch die mangelhafte Futteraufnahme und -verwertung den Magen reizen und zu einer Gastritis und Ulzera führen.
– Verdorbenes oder verunreinigtes Futter, Heu/ Heulage verminderter Qualität
– Parasitenbefall, falsche Entwurmung, Befall mit Magendasseln
– Fütterungsfehler
– zu lange Fresspausen (länger als vier Stunden)
– zu große Kraftfuttermengen pro Mahlzeit (Getreide und Müslis mit einem hohen Stärkeanteil und leicht verdaulichen Kohlenhydraten), da zum einen der Verdauungstrakt zu viel Stärke ad hoc nicht verwerten kann und zum anderen sich beim Abbau von Kohlenhydraten Milchsäure bildet, die zusätzlich neutralisiert werden muss.
– zu wenig Faser im Futter, nicht ausreichendes Kauen der Mahlzeit
– zu wenig Raufutter (unter 1,5 kg/ 100 kg Körpermasse)
– rationierte Fütterung (Heu nur zweimal täglich)
– die falsche Fütterungsfolge (Kraftfutter vor Raufutter, bzw. zu wenig Zeit zwischen Raufutter- und Kraftfuttergabe)
– Unruhe beim Fressen, hektische Fresser, Schlingen der Ration („Stressfresser“)
Anzeichen von Magenproblemen
Magenprobleme bei Pferden sind nicht einfach zu erkennen, da ihre Symptomatik oft unspezifisch und tierindividuell verschieden sein kann. Von einem festgehaltenen Rücken und mangelnder Losgelassenheit, über Verhaltensveränderungen bis hin zu Koliken sind die Anzeichen von Magenerkrankungen recht vielseitig. Manche Pferde zeigen über einen bestimmten Zeitraum kaum sichtbare Anzeichen und leiden still. Um zu erkennen, dass der Magen aus dem Gleichgewicht gekommen ist, ist es wichtig sein Pferd gut zu kennen, damit kleinste Veränderungen bemerkt werden können.
Anzeichen von Magenbeschwerden können u.a. sein:
– Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit
– erhöhte oder verminderte Trinkwasseraufnahme
– vermehrte Speichelbildung
– Zähneknirschen
– Maulgeruch
– Leerkauen
– Flehmen
– Koppen
– häufiges Gähnen
– stumpfes Fell
– vermehrtes Liegen
– Leistungsschwäche
– kolikartige Symptome (z.B. häufiges Scharren, Verkrampfen oder Flehmen), wiederkehrende milde Koliken lassen auf eine Magenproblematik schließen
– Durchfall und Kotwasser
– schlechter Allgemeinzustand („unrund sein“)
– hochgezogener Bauch
– Schmerzen/ Abwehrreaktionen bei Berührungen in Magennähe
– Rittigkeitsprobleme
– verspannte Muskulatur gerade im Rücken und Bauchbereich
– Abwehrreaktionen beim Satteln
– Verhaltensveränderungen
– Aufstoßen
– nervöses Schweifschlagen während des Fressens
– bei akuten Problemen kann das Pferd durch einen erhöhten Puls oder Fieber auffällig werden und stark schwitzen
Diagnose und Behandlung
Zur sicheren Diagnose der Magenerkrankungen wird eine Gastroskopie (Magenspiegelung) durchgeführt. Sie stellt den Zustand des Magens bildlich dar und gibt Aufschluss über die Lage und den Grad der Geschwüre.
Magengeschwüre werden mit dem Wirkstoff „Omeprazol“ behandelt. Omeprazol hemmt die Säureproduktion im Magen und trägt so zu einer Abheilung der Läsionen bei. Magengeschwüren der Drüsenschleimhaut werden zusätzlich noch mit dem Medikament „Sucralfat/ Sucrabest“ therapiert. Phytotherapeutisch können auch Pektin-Lecithin-Komplexe (etwa aus Apfeltrester oder Rübenschnitzeln), Kamille, Fenchel, Kümmel, Pfefferminze und Schafgarbe sowie biologische Tierarzneimittel, z.B. Brechnuss oder Bärlapp helfen, die Magenstrukturen wieder zu regenerieren. Pektine sind in der Lage, durch Gelbildung Säuren und Pepsin zu binden und werden daher prophylaktisch zum Schutz vor Magengeschwüren eingesetzt.
Nach der Behandlung, die gut zwischen sechs bis acht Wochen dauern kann, je nach Grad der Erkrankung, wird eine Kontrollgastroskopie gemacht. Wichtig ist, dass die Ursachen für das Entstehen der Magengeschwüre herausgefunden werden, damit es nicht zu Rückschlägen kommt. Organpräparate aus aufbereiteten gesunden Zellen helfen in der Langzeitanwendung.
Auch Akkupunktur und Physiotherapie kann bei der Genesung helfen, um das Wohlbefinden des Pferdes zu steigern, indem Schmerzen genommen werden und ein Gleichgewicht zwischen Körper und Geist wiederhergestellt wird, da sich gerade bei Magen- und Lungenerkrankungen aufgrund der Lage der Organe die Rückenmuskulatur verspannt.
Vorbeugung und Fütterung
Probleme wie Magengeschwüre, aber auch Dünn- und Dickdarmentzündungen nehmen immer mehr zu. Eine bedarfsgerechte Fütterung ist die Grundlage, um Magenprobleme langfristig zu vermeiden und ihnen vorzubeugen. Es ist immer von Vorteil, die Futter- und Wasseraufnahme zu kontrollieren, um sich einen Überblick über die genau aufgenommene Menge zu verschaffen. Wasser kann im Eimer angeboten werden und Futter kann gewogen werden. Des Weiteren ist es wichtig, alle Stressfaktoren, die beeinflussbar sind, auszuschalten. Ein allgemeines Gesundheitsmanagement (regelmäßiges Entwurmen und Impfen, Kot- und Blutuntersuchungen, jährliche Zahnkontrollen, …) und ein angepasstes Training trägt zum Wohlbefinden des Pferdes bei und hilft so ebenfalls den Magen gesund zu erhalten.
Die Eckpunkte einer magenschonenden Fütterung sind:
– ausreichend Raufutter (mind. 1,5 kg/ 100 kg Körpermasse Heu, bei Heulage aufgrund des Feuchtegehalts, der mit gewogen wird, entsprechend mehr füttern, jedoch eignen sich Heulagen nicht für magenempfindliche Pferde)
– die größte Raufuttermahlzeit abends füttern, damit die Pferde über Nacht keinen zu langen Fresspausen ausgesetzt sind
– ausschließlich Futter von einwandfreier Qualität verfüttern, Hygienekontrollen des Futters
– gerne auf Futtermittel, die Getreide- und zuckerreduziert sind, zurückgreifen. Die Rationsplanung sollte arm an leicht verdaulichen Kohlenhydraten sein
– Kraftfutterrationen auf möglichst viele kleine Mahlzeiten aufteilen
– Futterreihenfolge beachten, erst Raufutter, dann nach ca. 30 min erst Kraftfutter
– keine Arbeit auf leeren Magen fordern, aber auch nicht auf komplett vollen Magen, im Idealfall das Pferd eine Stunde nach der Kraftfuttergabe in Ruhe lassen
– Vorsicht beim Absetzen der Fohlen
– Fütterung von magenschonendem Futter mit viel Faser und Struktur, ggf. Zufüttern eines Ergänzungsfuttermittels, was den Magen vor Übersäuerung schützt und die Magenschleimhaut stabilisiert
– zuckerarmes Gras, langsames Anweiden
– Leinöl füttern (entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren)
– Mash füttern
– Leinsamen kochen
– Kräutermischungen können Magen und Darm unterstützen
– zur Stressreduktion über die Ernährung können zudem Tryptophan und Magnesium dienen
– Futterumstellungen immer langsam durchführen (gerne über einen Zeitraum von zwei Wochen)
– Kräuterkuren können vorbeugend helfen und unterstützen
– Hopfen (gegen nervöse Magenbeschwerden, allgemeine Krämpfe, Blähungen, Nieren- und Blasenleiden)
– Echte Kamille (krampflösend und beruhigend, besonders bei Magenproblemen, nervösen Bauchkrämpfen, Blähungen und Durchfall), gerne als Tee
– Kümmel (hilft gegen Blähungen, krampflösend und Verdauungsfördernd)
– Passionsblume (wirkt beruhigend, nervenstärkend, entspannend, krampflösend, leicht schmerzstillend, blutdrucksenkend und besonders auch bei Ängstlichkeit)
– Sanddorn (Liebscher, Dr. med. vet., 2017; S. 29)
– stärkereiche Futtermittel wie Getreide, Brot, Bananen vermeiden
– kein säurehaltiges Obst oder saures Futter (Silage) füttern
Sara Esser
Vorschaubild: Equipics/Andrea Zachrau
RRP-Expertin Sara Esser
Seit 2019 ist die Agrarwissenschaftlerin, die an der Universität mit dem Schwerpunkt Tierwissenschaften studierte, als Produktmanagerin bei der Firma Höveler tätig. Hier ist sie nicht nur für die Weiterentwicklung der Produktpalette mit verantwortlich, sondern berät Pferdebesitzer und Züchter auch zu den verschiedensten Fütterungsproblematiken.