Ganze sechs internationale 3*- und 4*-Grand Prix Prüfungen bieten die Horses & Dreams in Hagen den Dressurreitern zur Saisoneröffnung. Dazu die Qualifikationen für die Nachwuchsserien Nürnberger Burg-Pokal und Louisdor-Preis. Welche neuen Talente hat der Dressursport? Wie sind die etablierten Paare aus der Winterpause gekommen? Hagen gibt Antworten.
Qualifikation zur Louisdor-Preis Etappe – die schwarze Perle

Manche Pferde nehmen einen vom ersten Augenblick an gefangen. Ein gutes Beispiel ist Charlott-Maria Schürmanns zehnjährige Oldenburger Stute Dante’s Pearl. Dieses Pferd ist so schön, dass es einem wie Majestätsbeleidigung vorkommt, es überhaupt zu reiten. Es wäre allerdings jammerschade, das nicht zu tun, denn wenn die lackschwarze Dante Weltino-Tochter anfängt sich zu bewegen, wird sie womöglich noch schöner. Das konnte man heute in Hagen in der Qualifikation für die Etappe zum diesjährigen Louisdor-Preis Finale sehen, einer Intermédiaire II.
So schön wie das Pferd, so schön war die Runde, die Dante’s Pearl und ihre Ausbilderin, die sie im vergangenen Jahr schon zu Rang sechs im Nürnberger Burg-Pokal geritten hatte, heute ins Hagener Viereck zauberten. Zu den Highlights zählten die Trabverstärkungen, die Traversalen, die Passsagen, die Pirouetten, die fliegenden Wechsel und überhaupt, die zufriedene Anlehnung, das innere und äußere Gleichgewicht. Dass die Piaffen noch stark ausbaufähig sind, gehört allerdings auch zur Wahrheit. Aber der Freude und Harmonie, die dieses Paar ausstrahlen, konnten sich weder Richter noch Zuschauer entziehen. Tosender Applaus empfing sie im „Ziel“ nach der zweiten Grußaufstellung. 75,237 Prozent sprechen für sich.
Die weiteren Plätze
Platz zwei sicherten sich mit 73,526 Prozent Benjamin Werndl und Quick Decision nach einer gelungenen Vorstellung auf diesem neunjährigen Quaterhall-Sohn. Der kam, wie auch der Newcomer Diallo von seiner Schwester Jessica, aus dem Stall von Uta Gräf nach Aubenhausen, hat also bereits eine besonders gute Vorbildung erhalten, auf die Werndl nun aufbauen kann.
Eine weitere Dante Weltino-Tochter tanzte unter Frederic Wandres mit 72,605 Prozent auf Rang drei: die zehnjährige Deltana, die bis letztes Jahr noch mit Nicole Wego-Engelmeyer im Einsatz gewesen war.
An vierter Stelle reihte sich mit 72,421 Prozent das Paar ein, das im vergangenen Jahr die Burg-Pokal Etappe in Hagen gewonnen hatte: Juliane Brunkhorst und der neunjährige DSP-Wallach Diamante Negro v. DeLorean. Dass die Grundqualität des eleganten Dunkelbraunen stimmt, hatte er schon letztes Jahr gezeigt. Heute demonstrierte er dazu auch noch ein außergewöhnliches Talent für Piaffen und Passagen, das für die Zukunft einiges erwarten lässt.
Rang fünf (71,026) ging an eine weitere schwarze Schönheit, den Rheinländer Hengst Lord Europe v. Lord Leatherdale unter Leonie Richter. Dahinter platzierten sich mit 70,947 Prozent Jessica von Bredow-Werndl und ihre zweite Nachwuchshoffnung neben dem frisch gebackenen Grand Prix Special-Sieger Diallo, der ebenfalls zehnjährige dänische Warmblüter Got It BB v. Grand Galaxy Win aus der Zucht ihres Trainers Morten Thomsen. Frederic Wandres konnte die Fahnen der Gastgeber als Siebter auf dem neunjährigen Oldenburger Verrenberg v. Vilancio ein zweites Mal hochhalten (70,289).
Bei den Louisdor-Preis Qualifikationen gehen die Tickets für die Teilnahme am Finale im Dezember jeweils an das Erst- und Zweitplatzierte Paar der einzelnen Stationen. In Hagen entscheidet sich am Sonntagnachmittag wer die ersten Finalisten sein werden. Dafür kommen nicht nur die Topplatzierten der heutigen Qualifikation zur Qualifikation infrage. Einige Paare hatten teure Fehler, so dass die Rangierung am Sonntag ganz anders aussehen kann.
Die Ergebnisse in der Übersicht finden Sie hier.
CDI4* Grand Prix: Fendi im Aufwind
In Hagen war Fendis Stern einst aufgegangen. Hier hatte sich der heute elfjährige dänische Franklin-Sohn 2022 für das Finale im Louisdor-Preis qualifiziert. Beim Finale in Frankfurt stellte er einen neuen Wertnotenrekord auf und präsentierte sich so spektakulär in allen Bereichen, dass man sicher war, das wird ein Einzelmedaillen-Kandidat. Die Erwartungen waren also riesig. Und sie wuchsen noch, als Fendi und Rothenberger im April danach in Hagen Grand Prix und Special mit Ergebnissen von rund 78 Prozent gewannen und im Juni im Grand Prix der Deutschen Meisterschaften die Olympiasiegerinnen Jessica von Bredow-Werndl und Dalera hinter sich ließen. Doch diese Form und diese Sicherheit von damals suchen die beiden seither. Heute schimmerte ihr Glanz wieder durch.
Das fing schon bei der korrekten Grußaufstellung an und ging weiter mit einem energischen starken Trab, dem man allerdings mehr Rahmenerweiterung gewünscht hätte. In der Traversale nach rechts kreuzte Fendi weit und fließend. Nach links verkantete er sich leicht. Das Halten vor dem Rückwärtsrichten gelang ebenso sicher wie zuvor die Grußaufstellung. Das Rückwärtsrichten war durchlässig, diagonal und mit gesenkter Kruppe, aber einem Tritt zu wenig. Wieder eine energische Trabverstärkung, bei der man sich mehr Rahmenerweiterung hätte vorstellen können.
Dann die erste Passage, kraftvoll abfedernd, aber sehr frei. Rothenberger musste etwas in die Piaffe „hinein bremsen“. Das ging auf Kosten von Fleiß und Elastizität. Raus in die Passage kamen sie besser. Dann die Schritttour. Es ist Fendis schwächste Grundgangart, aber er kam zum Schreiten und dehnte sich an die Hand heran. Insgesamt war die Anlehnung stabil und fein, wenngleich der Wallach auch extrem schäumte.
In die zweite Piaffe kam Fendi besser rein und fand seinen Takt, allerdings schob er sich dabei so stark zusammen, dass die Vorderbeine nicht mehr senkrecht auffußten, wie gefordert. Der Übergang in die Passage klappte flüssig. Der in den Galopp war energisch und durchlässig.
Überhaupt ist Fendis Galopp toll – reell versammelt bei maximalem Durchsprung. Dementsprechend ausdrucksvoll sind auch die fliegenden Wechsel – insbesondere die Einer heute allerdings nicht ganz spannungsfrei, so dass er zwei kurz sprang, und die Zweier leicht schwankend. Vor der ersten Pirouette fiel Fendi in der Vorbereitung für eine Millisekunde aus, aber das hatte Rothenberger schnell korrigiert und brachte die Lektion gut zu Ende. Die zweite Pirouette gelang. Die Schlusslinie war noch mal ein Highlight.
Mit dem doppelt teuren Fehler in den mit dem Faktor 2 versehenen Wechseln von Sprung zu Sprung kam das Paar auf 72,826 Prozent. Das klingt wenig im Vergleich zu Bewertungen, die die beiden in früheren Zeiten schon erreicht haben. Aber die Richter sind bei der Notenvergabe in Hagen dieses Jahr insgesamt zurückhaltender. Und für Sönke Rothenberger dürfte sowieso entscheidend sein, wie souverän er und Fendi sich heute gezeigt haben.
Platz zwei für Team Harmony
Sie heißt Harmony’s Giulilanta und der Vorname für die Besitzer „Harmony Sporthoses“ ist Programm bei Susan Papes 14-jähriger KWPN-Stute. Die beiden kennen sich schon lange. Nicht nur die gebürtige Britin, die mit ihrem Mann Guido die Hengststation Pape in Hemmoor mit angeschlossenem Zucht- und Ausbildungsstall betreibt, hat die Jazz-Tochter schon auf Turnieren vorgestellt, sondern auch Bereiterin Greta Heemsoth. Wie eingespielt Pape und Giulilanta sind, konnte man heute in Hagen sehen.
Es war die wunderbare Vorstellung eines reell und korrekt ausgebildeten, engagierten und zufriedenen Pferdes. Tolle fließende und gut gestellte und gebogene Traversalen. Getragene, federnde Passagen im sicheren Gleichmaß bei guter Selbsthaltung. In der ersten Piaffe fußte die Stute zwar im Vorderbein nicht senkrecht, aber dennoch diagonal, im Takt mit federndem Abdruck und maximaler Lastaufnahme. Die zweite gelang nicht ganz so sicher diagonal. Der starke Schritt war gelassen schreitend mit vertrauensvoller Dehnung an die Hand, wenn auch etwas mehr Fleiß wünschenswert gewesen wäre. Dafür folgte ein versammelter Schritt, der seinen Namen verdiente.
Okay, den Galopp wünschte man sich über mehr Boden, so dass die Wechsel auch kraftvoller ins Bergauf gesprungen werden würden. Aber die Pirouetten – wie aus dem Lehrbuch! Dann noch einmal eine Schlusslinie mit wirklichen Highlights in den Passagen und einer guten Piaffe. Alles in allem gab es 71,217 Prozent.
Wenn die Dressage Task Force der FEI davon spricht, dass man weg muss vom Spektakulären und hin zur Harmonie, dann könnten sie diesen Ritt als Beispiel anführen. Das hat Spaß gemacht!
Vayron, der Riese
Platz drei sicherten sich Ingrid Klimke und der Vitalis-Sohn Vayron. Bei den Olympischen Spielen in Dänemark gehörte der 14-jährige westfälische Hengst noch zur dänischen Silber-Equipe, damals unter dem Sattel von Daniel Bachmann Andersen. Ende Oktober wurde dann bekannt, dass der 1,92 Meter-Riese zu der Reitmeisterin nach Münster geht. Hagen ist das dritte Turnier des Paares und das erste unter freiem Himmel. Ingrid Klimke dürfte zufrieden sein mit dem Auftakt.
Das Paar begann mit einer sicheren Grußaufstellung und einer Trabverstärkung, die ihren Namen verdiente – elastisch durch den Körper, mit enormem Raumgriff und energischem Schub. Die anschließenden Traversalen gelangen zu beiden Seiten mit guter Stellung und Biegung, dabei weit kreuzend, allerdings nicht immer ganz im Gleichmaß. Dann wieder ein Halten „Marke Klimke“. Im Rückwärtsrichten trat Vayron diagonal, ließ sich aber etwas bitten. Auch die nächste Verstärkung zeigten sie in lehrbuchreifer Schwungentfaltung, wenn auch nicht dem Maximum des Möglichen.
Daraus dann der Übergang in die erste Passage, federnd mit Lastaufnahme in gutem Gleichmaß. Gefühlvoller Übergang in die Piaffe, die im Ablauf nicht ganz so viel Ausdruck hat, aber mit guter Lastaufnahme, diagonal und taktmäßig begann. Leider ging der Fleiß bei den letzten Tritten etwas verloren.
Im starken Schritt wünschte man sich mehr Dehnen zur Hand hin. Der versammelte Schritt gelang, wenngleich Vayron hinten rechts weiter vorgriff als links. Übergang in die Passage, auch die wieder federnd und mit energischem Abdruck. In der Piaffe ging wieder der Fleiß verloren. Ingrid Klimke forderte Vayron einmal mit dem Schenkel auf, der missverstand das als Aufforderung zum Angaloppieren, fand den Takt aber wieder. Trotzdem teuer.
Dann die Galopptour. Das Paar begann mit schnurgeraden, ins Bergauf gesprungenen Zweierwechseln. Toll, wie es Ingrid Klimke in ihrer noch nicht allzu langen Partnerschaft mit Vayron inzwischen gelungen ist, ein Gleichgewicht mit dem hünenhaften Braunen mit den Riesenbewegungen zu finden! Dass die Feinabstimmung noch ein bisschen braucht, sah man danach im starken Galopp, wo Vayron in der Rückführung umsprang und dann doch die Stütze in der Hand suchen musste. Die Reiterin nutzte die Ecke geschickt, um den Hengst wieder vor sich und zum Nachgeben zu kommen, denn gleich darauf sind ja schon die Zick-Zack-Traversalen gefordert im Grand Prix. Keine Zeit, sich zu sortieren. Dementsprechend war bei der ersten Verschiebung nach links die Hinterhand kurzzeitig vor der Vorhand und Vayron schnickte zweimal mit dem Kopf. Aber kein Problem, was Ingrid Klimke nicht in der nächsten Ecke hätte beheben können. Es folgten losgelassen durchgesprungene Einerwechsel. Gut vorbereitete Pirouetten, insbesondere die zweite war dennoch reichlich groß.
Danach ein schöner Übergang in den versammelten Trab und wieder Vayrons Höhepunkt, der starke Trab. Zum Schluss noch eine gute Piaffe-Passage-Tour und ein dickes Lob für den eifrigen Hengst. 69,956 Prozent vergaben die Richter.
Alle Ergebnisse des Grand Prix für die Special-Tour finden Sie hier.