
Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet, die Reiterin strahlte dennoch – Jessica von Bredow-Werndl und „ihr Neuer“, der zehnjährige Diallo, holten sich in Hagen nicht nur ihre erste internationale gelbe Schleife ab, sondern gewannen auch auf Anhieb ihren ersten Grand Prix Special.
Der in weiten Teilen des Landes herbeigesehnte gesunde Landregen hat sich ausgerechnet das Hagener Horses & Dreams-Wochenende ausgesucht, um sich blicken zu lassen. Und das offenbar mit der Absicht, das Versäumte nachzuholen. Kurz: Es regnete Bindfäden im Grand Prix Special der CDI3*-Tour. Das hielt Jessica von Bredow-Werndl und Diallo aber nicht vom Siegen ab.
Mit 72,447 Prozent ließen die vierfache Olympiasiegerin und der zehnjährige Hannoveraner Dancier-Sohn die Sieger des Grand Prix hinter sich, Semmieke Rothenberger und Farrington. Hier wurden es 71,341 Prozent. Dicht dahinter mit 71,149 Prozent: Isabell Werth mit einem weiteren vierbeinigen Newcomer in diesem Starterfeld, dem ebenfalls erst zehnjährigen Special Blend.
Zum Siegesritt
Von einem „abnormal tollen Gefühl“ sprach von Bredow-Werndl nach ihrem gestrigen Auftritt im Grand Prix mit Diallo. Hagen ist das erste internationale Turnier für die beiden und der erste Auftritt vor so einer Kulisse. Das mag auf manche Pferde einschüchternd wirken. Diallo machte eher den Eindruck, als beflügelten ihn mehr Zuschauer, mehr Blumen, mehr Zelte. Motiviert von den Ohren bis zur Schweifspitze unterliefen den beiden gestern noch einige Patzer in ihrem ersten internationalen Grand Prix. Heute war die Motivation unverändert hoch, aber richtige Fehler passierten diesmal nicht – obwohl es für den Wallach der erste Grand Prix Special seines Lebens war. Auch war er schon viel konzentrierter bei der Reiterin. Dabei ist in allen Lektionen noch deutlich Luft nach oben, wenn Diallo erst einmal die nötige Gelassenheit entwickelt hat. So wirkte die gesamte Prüfung ein bisschen wie im Zeitraffer, die Verstärkungen noch etwas eilig, die versammelten Lektionen noch nicht in dem Maße erhaben, wie Diallos engagiertes und kraftvoll abfußendes Hinterbein es erwarten lässt. Auch wünschte man sich im Galopp ein runderes Durchspringen über mehr Boden. Das alles dürfte aber eine Frage von Zeit, Erfahrung und Feinabstimmung des Paares sein, das sich erst seit Februar kennt. Die Anlagen sind alle da bei dem von Uta Gräf bis S***-Niveau geförderten Braunen.
Jessica von Bredow-Werndl sagte später: „Ich bin sehr stolz auf Diallo und unsere Entwicklung in so kurzer Zeit. Er war schon sehr gut ausgebildet. Jetzt hat er sich aber wirklich schnell auf mich eingelassen und es hat ziemlich schnell gefunkt zwischen uns beiden.“ Was die Zukunft angeht, hält sie sich aber noch vornehm zurück: „Ich bin einfach neugierig wie weit wir uns die nächsten Wochen, Monate, Jahre noch entwickeln dürfen und bin sehr dankbar, so ein tolles Pferd reiten zu dürfen.“
Rothenberger bei den Großen angekommen
Auch für Semmieke Rothenberger und Farrington war es eine Grand Prix Special-Premiere. Es ist toll zu sehen, wie dieser Fuchs sich körperlich entwickelt hat, mit einer muskelbepackten Hinterhand, aus der er besonders in den Lektionen höchster Versammlung kraftvoll abfedert – heute allerdings nicht immer gleichmäßig nach vorne durchfußend. In den Passagen griff er zeitweise hinten rechts weiter vor als hinten links, in der zweiten Piaffe war es genau umgekehrt. Trotzdem eine im Gesamteindruck harmonische Prüfung, über die die Reiterin sagte: „Es hat einfach unheimlich viel Freude gemacht.“
Dass sie mit einer silbernen und einer goldenen Schleife nach Hause fahren würde, hätte sie bei der Anreise allerdings noch nicht gedacht. „Das war jetzt unser erstes Freiland-Turnier, wir sind ja noch relativ grün im Seniorensport und diese Woche ist das erste Mal, dass man so ein bisschen unter die ganz, ganz Großen kommt und sieht, wo man steht. Hätte mir jemand Anfang der Woche gesagt, dass wir mit einem Sieg und einem zweiten Platz nach Hause fahren, dann hätte ich das nicht geglaubt. Also bei dem Starterfeld musste ich mich gestern echt kneifen!”
Werth auf Rang drei
Special-Debütant Nummer drei war Isabell Werths Oldenburger Wallach Special Blend, wie ihre Erfolgsstute Wendy und ihre Zukunftshoffnungen Joshua und So Unique ein Sezuan-Sohn, über die die erfolgreichste Reiterin aller Zeiten sagt: „Die sind unglaublich eifrig und sportiv – echte Athleten.“ Special Blend im Speziellen beschrieb sie als „ehrlich“. Beweis? Für ihn war Hagen erst das dritte Turnier seines Lebens und das zweite auf Grand Prix-Niveau.
Die Trabtour war heute schon besser als gestern – mehr Gleichmaß im Ablauf, geschmeidiger, weniger Spannungsmomente, weniger Schweifschlagen. Ein „Aber“ in den Passagen und Piaffen: Im Widerrist wäre im wahrsten Sinne des Wortes noch Luft nach oben, während sich die Kruppe senken müsste. Spannungsmomente kamen im Galopp wieder auf, besonders in den fliegenden Wechseln und auch im Schritt wünschte man sich räumenderes Schreiten mit klarer erkennbarem Viertakt.
Die weiteren unter den Top 5
Komplettiert wurden die Top fünf zum einen durch Patrik Kittel (SWE) mit der wunderschönen Dante Weltino-Tochter Dante’s Herzchen, die ihr erstes internationales Turnier mit einem 70,681 Prozent-Special auf Platz vier abschloss. Der fünfte Platz ging mit 69,638 Prozent an Annabella Pidgley (GBR) im Sattel von Vamos Amigos.