Seit rund einem Jahr ist Tobias Thoenes auf der elterlichen Anlage in Uedem mit dem Turnier- und Ausbildungsstall TT Sporthorses GmbH und den TT Stables selbstständig. Der gelernte Pferdewirt und Bürokaufmann genoss zuvor insgesamt rund zehn Fortbildungsjahre in namhaften Ställen wie dem DOKR in Warendorf, dem Stall von Paul Schockemöhle, dem belgischen Gestüt Zangersheide und im Turnierstall von Holger Hetzel in Goch, bevor er den Schritt in die Eigenständigkeit wagte. In RRP gibt er ab sofort in einer monatlichen Ausbildungsserie Tipps rund um das Thema Springreiten. Im ersten Teil widmet er sich der Jungpferdeausbildung.
Genauso behutsam wie an die ersten Schritte unter dem Reiter muss das junge Pferd auch an Hindernisse herangeführt werden. Denn nur so steht einer späteren Karriere im Springparcours nichts im Wege. „Ich finde es grundsätzlich wichtig, dass die Pferde erst einmal lernen, Vertrauen zum Reiter aufzubauen und potenzielle Ängste zu verlieren“, erklärt Tobias Thoenes. „Vor allem Pferde, die etwas spezieller oder guckiger sind, brauchen deutlich mehr Zeit, um am Ende nicht nur über das Hindernismaterial, sondern auch sinnbildlich über ihren eigenen Schatten zu springen.“ Dabei setzt der Ausbilder auf Konsequenz und Ruhe: „Zuerst achte ich darauf, dass die Youngster lernen, nicht am Sprung vorbeizulaufen. Wenn dies doch eintritt, kann es entweder sein, dass der Reiter nicht genug Kontrolle hat oder dass eine gewisse Angst des Pferdes vor dem Sprung oder dem Hindernismaterial vorhanden ist.“

Hierbei kann man einfache Hilfsmittel verwenden, die ohnehin vorhanden sind: „Bis jetzt habe ich immer die besten Erfahrungen damit gemacht, die ersten Sprünge für junge Pferde etwas einzurahmen und breiter zu gestalten, damit sie gar nicht dazu tendieren, vorbeizulaufen. Wenn die Pferde guckig sind oder Angst vor dem Sprung haben, können sie gerne stehen bleiben und sich das Hindernis anschauen, aber sie sollen nicht ihrem Fluchtinstinkt folgen. Wenn sie das Prinzip einmal verstanden haben, ist der Drang, am Hindernis vorbeizulaufen, schnell abgelegt.
Falls ein Pferd doch versucht auszuweichen, muss der Reiter Einfluss nehmen und das Pferd rechtzeitig geraderichten. Dann springt es in der Regel auch.“
Nicht nur der erste Sprung sollte mit Bedacht gewählt werden, sondern auch die Positionierung in der Reithalle: „Wenn man die Hindernisse einladend und freundlich gestaltet, hat man eine gute Basis. Deswegen baue ich den ersten Sprung immer an der Bande mit Stangen daneben auf. Auch was die Optik angeht, sollte man leicht anfangen und zum Beispiel keine grellen Hindernisfarben verwenden. Das Pferd muss in den Anfangssituationen auf jeden Fall Vertrauen fassen, dann sind auch optisch anspruchsvolle oder höhere Hindernisse bald kein Problem mehr“, so Thoenes.
Der Startschuss fällt im Trab
Auch wenn ein klassischer Parcours im Galopp absolviert wird, in der Anfangsphase der Springausbildung sollte man eine andere Gangart wählen: „Die ersten Sprünge sollten immer im Trab erfolgen, da man so mehr Kontrolle hat. Bei jungen Pferden fehlt es ja ohnehin manchmal noch etwas an Kontrolle. Wenn ich den Sprung dann aus dem Galopp anreite und das Pferd möchte nicht unbedingt über das Hindernis, hat es eher die Chance vorbeizulaufen als im Trab. Das Tempo für den Anritt sollte man auch im Trab eher ruhiger wählen.“ Doch nicht nur für das Anreiten des Sprungs ist es von Vorteil, das Hindernis im Trab zu überwinden. „Auch die Landung nach dem Sprung ist dann kontrollierter und das Pferd flüchtet nicht so schnell“, weiß Tobias Thoenes. „Im Trab wird das Pferd ruhiger an das Hindernis herangeführt und landet gelassener. Der ganze Ablauf ist strukturierter und das Pferd fällt nicht so auseinander.“ Es hat sich grundsätzlich bewährt, erst einmal einen Gang zurückzuschalten: „Wenn das Pferd ruhig ist, kann man es relativ leicht wieder ‚an‘ machen. Befindet es sich hingegen erstmal auf der Flucht, ist es viel schwieriger, es wieder zurückzunehmen und zu versammeln“, erläutert der Ausbilder.

Da jedes Pferd – auch wachstumsbedingt – unterschiedlich schnell in der Ausbildung voranschreitet, kann man keinen genauen Zeitpunkt benennen, wann man den ersten Sprung wagen kann. Gewisse Voraussetzungen müssen aber gegeben sein: „Das Pferd muss in der Lage sein, die drei Grundgangarten frei in der Halle ohne Longenführer zu absolvieren“, erklärt Tobias Thoenes. „Der Reiter muss auf beiden Händen eigenständig ganze Bahn und Zirkel sowie Übergänge reiten können. Erst dann kann man mit den ersten Sprüngen an der Bande anfangen.“ Hierbei empfiehlt sich eine spielerische Herangehensweise im Vorfeld: „Wir arbeiten die jungen Pferde oft in einer Halle voller Hindernisse, ohne zu springen, um sie an das Hindernismaterial zu gewöhnen. Oder man reitet anfangs nur durch die Ständer hindurch, ohne dass eine Stange eingelegt ist. So begreifen die Pferde, dass zwar eine Begrenzung an beiden Seiten vorhanden ist, sie aber ganz normal hindurch gehen können, ohne dass etwas passiert“, beschreibt der Ausbilder das Prozedere. Denn Respekt vor dem Hindernismaterial kann die Springkarriere eines Pferdes noch Jahre später beeinträchtigen: „Manche Pferde bleiben ihr Leben lang am Rand des Sprunges guckiger als am Sprung selber. Die Blumen, die den Sprung dekorieren, oder die Fangständer sind für manche Pferde schlimmer als der Sprung an sich.”
So individuell wie der Start in die Springkarriere gewählt werden sollte, muss auch die weitere Ausbildung gestaltet werden. Wie oft ein junges Pferd gesprungen wird, hängt davon ab, wie es die neuen Eindrücke verarbeitet und mit der neuen Situation klarkommt: „Tendenziell ist es so, dass Pferde, die guckiger am Sprung sind, häufiger gesprungen werden, um Vertrauen aufzubauen. Diejenigen, die keine Probleme damit haben, springt man weniger.“
Meistert der Youngster einzelne Sprünge ohne Probleme, kann man weitere Hindernisse hinzunehmen: „Wenn der Sprung an der Bande – angeritten durch einen relativ kontrollierten Galopp – gut funktioniert und man sich als Reiter aussuchen kann, aus welcher Distanz man das Hindernis anreitet, kann man einen Schritt weiter gehen. Hierzu baut man sich einen niedrigen „Trab-Parcours“ auf, deren Hindernisse mit seitlichen Stangen eingerahmt werden. Hier versucht man zwischen den Sprüngen immer wieder zum Schritt durchzuparieren, damit man die Kontrolle behält und das Pferd nicht lernt, nach dem Sprung ins Rennen zu kommen. Dann nimmt man immer mehr verschiedene Hindernisse mit unterschiedlichen Sprüngen hinzu. Meistens sind es zuerst nur Steilsprünge, bis man sich dann an Oxer und Kombinationen herantastet. Nach und nach reitet man dann immer mehr Sprünge im Galopp an“, erklärt der Ausbilder.
„Die Balance des Pferdes und die nötige Kontrolle des Reiters geben vor, wie schnell man die Anforderungen steigern kann.”
Tobias Thoenes
Hier muss man als Reiter seinen Ehrgeiz zurückstecken und dem Pferd die nötige Zeit geben: „Die Balance des Pferdes und die nötige Kontrolle des Reiters geben vor, wie schnell man die Anforderungen steigern kann. Die Sprünge sollten aber anfangs immer klein bleiben, damit das Pferd sich zurechtfindet und nicht überfordert wird. Der Fokus liegt zudem darauf, dass man den Sprung gerade und mittig anreitet. Hierbei gilt: Kontrolle geht vor Höhe“, bekräftigt Thoenes. Dabei kann man weiter die seitlichen Stangen verwenden, auch wenn die Hindernisse höher werden. Die Vorlegestangen hingegen werden – sobald sie nicht mehr benötigt werden – weggelegt.
Wichtig ist für Tobias Thoenes auch die Wahl des Hindernismaterial: „Man sollte darauf achten, mit optisch leichten Sprüngen anfangen, und nicht direkt eine Planke oder einen Unterbau verwenden. Zudem sind einfarbige Sprünge schwieriger als mehrfarbige. Außerdem sollte man nicht allzu grelle Farben verwenden anfangs. Die Pferde sollen Vertrauen in die Hindernisse bekommen und sich nicht davor erschrecken. Je weniger in den Anfängen schief geht, desto einfacher ist es nachher.“
Balance ist das A und O
Wenn sich das Pferd an das Hindernismaterial gewöhnt hat und in der Lage ist, einen Parcours auf E-Niveau zu absolvieren, fängt Tobias Thoenes mit der Detailarbeit an: „Erst dann achte ich darauf, dass das Pferd perfekt in der Mitte des Hindernisses springt. Für mich ist dieser Faktor wichtiger, als dass der Youngster auf dem richtigen Fuß landet.
Seiner Meinung nach geht in diesem Aspekt der Ausbildung oft – im wahrsten Sinne des Wortes -etwas schief: „Viele machen den Fehler und beharren darauf, dass das Pferd sofort richtig landet. Wenn man aber den nur den Kopf rumzieht und das Pferd nicht geraderichtet, riskiert man, dass das Pferd die Balance nicht findet und höchstwahrscheinlich trotzdem im falschen Galopp landet. Die Balance des Pferdes ist das Wichtigste. Daher arbeite ich sehr viel mit seitlichen Stangen, damit die Pferde gerade und in der Mitte des Sprunges bleiben. Sie müssen erst einmal lernen, ausbalanciert auf ihren eigenen Füßen zu laufen. Man kann von einem jungen Pferd, das gerade erst lernt zu springen, noch nicht erwarten, auf dem richtigen Fuß zu landen, da auch sie noch nicht perfekt geradeaus laufen können. Wenn man von dem Pferd verlangt, schon über dem Sprung den Galopp zu wechseln, dann fordert man etwas, was das Pferd meistens noch gar nicht leisten kann.“
„Man sollte niemals mit einem Fragezeichen in den Parcours zu reiten, denn eine schlechte Runde wirft einen meistens weit zurück.”
Tobias Thoenes
Daher sollte man bei der Ausbildung Schritt für Schritt vorgehen: „Für mich hat immer Vorrang, dass das Pferd kontrolliert auf den Sprung zukommt, denn dann kommt der Rhythmus von ganz allein. Und erst wenn das Pferd ausbalanciert ist und an den Hilfen steht, fange ich an, den fliegenden Wechsel zu erarbeiten. Ich finde es sehr wichtig, dass der Weg zum Sprung schon gerade ist, aber auch der Weg nach dem Sprung ist essenziell. Denn wie soll das Pferd mittig springen, wenn der Weg zum Sprung krumm und schief ist? Solange das Pferd nicht in der Mitte springt, bleibe ich bei einer niedrigen Höhe und konzentriere mich auf die Basisarbeit. Man sollte immer nur so hoch springen, wie die Kontrolle es hergibt. Solange die Grundlagen noch nicht sitzen, kann man die Anforderungen nicht hochschrauben. Die Pferde sagen einem selbst, wie schnell man mit der Ausbildung voranschreiten kann. Denn nur weil ein Pferd schon eine bestimmte Zeit unter dem Sattel ist, heißt das noch lange nicht, dass es das beherrscht, was die meisten Pferde in dem Alter gelernt haben. Die Ausbildung der Pferde sollte nicht nach Schema F erfolgen.”
Generalprobe für den ersten Turnierstart
Nicht nur der erste Sprung sollte Schritt für Schritt vorbereitet werden, sondern auch der erste Turnierstart: „Bevor es zum Turnier geht, empfiehlt es sich, die jungen Pferde aufzuladen und zum Auswärtstraining zu fahren. So kann man den Turnierstart an anderen Trainingsorten imitieren und dort das Pferd in Ruhe arbeiten, denn auch wenn ein Pferd sich zu Hause schon gut präsentiert, kann das in einer fremden Umgebung ganz anders aussehen. Und auch das Verladen muss geübt werden, nicht nur im Heimatstall, sondern auch in der fremden Umgebung. Ein anderer Ort, fremdes Hindernismaterial und getrennt von anderen Pferden geritten zu werden, sind nicht zu unterschätzende Punkte. Das alles muss geübt werden. Dort kann man dann auch noch einmal die Stangen seitlich an den Sprüngen positionieren, um den Pferden Sicherheit zu geben”, erklärt Tobias Thoenes. „Das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen und Gewissheit zu haben, dass nichts schief geht, ist die beste Basis. Erst wenn das Pferd in fremder Umgebung gut springt, kann man das erste Turnier planen. Man sollte niemals mit einem Fragezeichen in den Parcours reiten, denn eine schlechte Runde wirft einen meistens weit zurück.”
Trotzdem muss auf dem Turnier nicht immer alles perfekt laufen: „Ich finde es nicht schlimm, wenn der erste Turnierstart mit Zeitfehlern absolviert wird oder Stangen fallen, denn ein Pferd muss auf dem Turnier auch etwas lernen dürfen. Das Pferd muss am Ende besser werden, und das beinhaltet auch Fehler”, so Thoenes. „Es ist auch nicht tragisch, wenn ein Pferd einige Versuche braucht, um die erste Platzierung zu bekommen. Wenn das etwas länger dauert, dann ist das so. Die Langfristigkeit ist wichtiger als der schnelle Erfolg.” Daher gilt: „Die Ausbildung geht auf dem Turnier weiter. Für mich sind die ersten Starts eines Youngsters keine Showdarstellung, sondern sollen nachhaltig sein. Es ist wichtig, dass man erkennt, warum ein Fehler passiert ist und wenn das Pferd danach besser wird, ist der Fehler im Endeffekt auch viel wert gewesen”, erläutert Thoenes. „Man muss den Pferden Zeit geben und sich darüber im Klaren sein, dass die wenigsten Pferde beim ersten Start direkt gewinnen. Der weitere Weg sollte entscheidend sein.”