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Einreiten, Halten und Grüßen. Der Beginn einer jeden Aufgabe ist die „Visitenkarte“ des Reiters. Hier sollte niemand unnötig Punkte verschenken!

Der erste Eindruck zählt!

Pferdewirtschaftsmeister Jochen Bender ist nicht erst seit seinen internationalen Trainer-Erfolgen im Jahr 2020 in aller Munde. Als Reiter, Ausbilder und Fachmann für alle Fragen rund um die Vermarktung von Pferden besitzt der Mülheimer im Rheinland schon seit vielen Jahren ein hohes Renommee. In unserer Dressur-Ausbildungsserie gibt Jochen Bender jeden Monat ganz praktische Tipps, wie man im Viereck nicht unnötig Punkte verschenkt. Wie so oft im Leben kommt dem ersten Eindruck dabei auch auf dem Turnier eine besondere Bedeutung zu! 

Der RRP-Experte: Jochen Bender

Pferdewirtschaftsmeister Jochen Bender betreibt gemeinsam mit seiner Frau Christina einen Turnier- und Ausbildungsstall auf dem Buchholzhof der Familie Unterhansberg in Mülheim. Neben der Aus- und Weiterbildung sowie der Vermarktung von Dressurpferden hat sich das Ehepaar auch die Förderung talentierter Reiter-Pferd-Paare auf die Fahne geschrieben. Zu Jochen Benders Vorzeigeschülerinnen zählen unter anderen Luca Sophia Collin (Rheinische Meister Dressur Junioren 2019, EM-Team-Silber Dressur Junge Reiter 2020, DM-Gold Dressur Junge Reiter 2020, Bundeskadermitglied 2020 und 2021) und Theresa Friesdorf (Rheinische Meisterin Junge Reiter Dressur 2020, Bundeskadermitglied 2021). Bender selbst kann sowohl im Viereck als auch im Parcours auf Erfolge bis zur Klasse S*** blicken und ist stolzer Besitzer des Goldenen Reitabzeichens in Kombination. Mehr über den Werdegang von Jochen Bender gab es im ersten Teil der Serie (Rheinlands Reiter+Pferde 01-21) zu lesen!

Infos: www.sportpferde-bender.de

„Den allerersten Eindruck erhalten die Richter schon, wenn man mit seinem Pferd die ersten Runden vor dem Start im oder um das Viereck dreht. Je nachdem, ob eben von außen oder von innen eingeritten wird. Auch wenn diese Momente noch nicht offiziell bewertet werden: Sie sorgen für erste positive – oder eben auch negative – Gefühlsregungen bei den Richtern“, ist sich Jochen Bender sicher. Daher empfiehlt der Ausbilder, schon beim Reiten ins Viereck (oder den ersten Runden um das Viereck) selbstbewusst, aber dennoch zurückhaltend aufzutreten. „Es sollte bereits in diesem Moment Harmonie zwischen Pferd und Reiter demonstriert werden.“ 

Ebenfalls wichtig zu wissen: Auch in der Dressur gibt es eine bestimmte Zeit, innerhalb derer man nach dem Klingeln der Richterglocke gestartet sein muss! In nationalen Dressurprüfungen hat der Teilnehmer laut LPO nach dem Glockenzeichen 45 Sekunden Zeit, um zu starten, also bei A einzureiten. „Gleiches gilt im internationalen Regelwerk“, weiß Jochen Bender. „Da läuft in der Regel auch ein öffentlich sichtbarer Countdown.“ 

§406 LPO Ausschlüsse

In allen nachfolgenden Fällen erfolgt Ausschluss des Teilnehmers:

1. Wenn er nach Aufruf zum Start nicht binnen 60 Sekunden auf den Prüfungsplatz eingeritten ist.

2. Wenn nicht binnen 45 Sekunden nach Glockenzeichen der Start erfolgt ist.

3. Beim Start vor dem Glockenzeichen.

Aufgabenheft Reiten international/Art. 430: Ausführung der Aufgaben

1. Glockenzeichen: 

Nach dem Glockenzeichen muss der Reiter innerhalb von 45 Sekunden bei A einreiten. In einer Dressur-Kür hat der Reiter 45 Sekunden Zeit das Startsignal für die Musik zu geben und muss innerhalb von zwanzig (20) Sekunden nach Start der Musik eingeritten sein. Während einer Dressur-Kür kann der C-Richter im Falle eines technischen Versagens oder einer Verzögerung beim Einsetzen der Musik die Uhr anhalten und erneut starten, nachdem das Problem gelöst wurde. Der C-Richter ist für Uhr und Zeit verantwortlich. Eine Uhr, die 45 Sekunden anzeigt, sollte wann immer möglich genutzt werden und für den Reiter gut sichtbar sein.

Das Einreiten

Um die Mittellinie korrekt zu treffen, muss der Reiter sein Pferd schon 1,5 bis 2 Meter vor der Mittellinie abwenden!

Um die Mittellinie korrekt zu treffen, muss der Reiter sein Pferd schon 1,5 bis 2 Meter vor der Mittellinie abwenden

Wer also nun die Zeit vor dem Glockenzeichen optimal genutzt hat, um sein Pferd an die äußeren Umstände zu gewöhnen und dabei idealerweise schon einen harmonischen ersten Eindruck zu hinterlassen, beginnt nach dem Glockenzeichen in Ruhe, aber dennoch zeitnah mit dem Aufmarschieren. 

Das Einreiten bei A erfolgt in den meisten Dressuraufgaben im Trab oder im Galopp, in Einstiegsprüfungen, aber auch in Küren der höheren Klassen, kann es auch im Schritt erfolgen. „Egal in welcher Gangart das Einreiten gefragt ist, eines ist immer ganz wichtig: das richtige Tempo zu wählen“, betont der Pferdewirtschaftsmeister. „Je nachdem, ob versammeltes Tempo oder Arbeitstempo in der Aufgabe festgelegt ist, muss ich genau das auch zeigen!“ 

Darüber hinaus ist es wichtig, die Mittellinie korrekt zu treffen. „Um das zu erreichen, muss ich mein Pferd schon 1,5 bis 2 Meter vor der Mittellinie abwenden. Wird das Einreiten von außen verlangt, ist manchmal besonderes Geschick gefragt, denn der Einritt ist nicht immer optimal aufgebaut. Aber auch wenn zum Beispiel ein Blumentopf die ideale Linie versperrt, muss ich als Reiter mir vorher Gedanken machen, wie ich es schaffe, die Mittellinie trotzdem zu treffen. Das muss einem einfach schon auffallen, wenn man sich das Viereck vor Prüfungsbeginn anschaut. Es ist wichtig, einen Blick für diese Details zu entwickeln“, rät Jochen Bender. 

Hat man die Mittellinie getroffen, gilt es vor allem darauf zu achten, dass man bis zum Mittelpunkt bei X, bei dem die ganze Parade zum Halten erfolgt, wirklich gerade auf dieser Linie bleibt. „Das heißt, ich muss mein Pferd gleichmäßig an den treibenden Hilfen haben, damit es gerade durch den Körper an die Hand herantreten kann. Im Schritt und im Trab ist das Pferd dabei nicht gestellt, lediglich beim Einreiten im Galopp darf das Pferd geringfügig zur Seite des jeweiligen Handgalopps gestellt sein“, erklärt der Ausbilder. 

Um das Einreiten möglichst perfekt hinzubekommen – also die Mittellinie genau zu treffen und diese gerade entlangzureiten – ist für Jochen Bender eins besonders wichtig: „Ich muss mein Pferd dafür sehr gut kennen. Das heißt ich muss wissen: Weicht es gerne eher nach rechts oder eher nach links aus? Dann muss ich ganz individuell darauf eingehen und schon vorbeugend den jeweiligen Schenkel etwas mehr dran haben. Um das herauszufinden und das richtige Gefühl zu bekommen, muss ich das Einreiten schlichtweg trainieren und auch im Training immer wieder einbauen.“ 

Einreiten, Halten und Grüßen. Der Beginn einer jeden Aufgabe ist die „Visitenkarte“ des Reiters. Hier sollte niemand unnötig Punkte verschenken!

Halten im Mittelpunkt

Während man nun gerade die Mittellinie entlangreitet, gilt es auch schon, die ganze Parade für das Halten im Mittelpunkt vorzubereiten. „Mit halben Parade bereite ich die folgende ganze Parade vor, mache mein Pferd aufmerksam. Wie viele halbe Paraden ich vorher genau geben muss, ist wieder von Pferd zu Pferd verschieden“, betont der RRP-Experte. Der Ausbildungsstand des Pferdes spiele hier eine wichtige Rolle. „Meine persönliche Erfahrung ist: halbe und auch ganze Parade werden im Training allzu oft vernachlässigt. Dabei ist die korrekte Basisarbeit das A und O für Erfolge im Turniersport, sei es nun im Amateur- oder im Leistungssport. Das Halten sollte im Training immer wieder an verschiedenen Bahnpunkten geübt werden – und zwar aus allen Gangarten.“ Korrektes Halten sei dabei eine typische „Fleiß-Lektion“. „Diese Lektion kann jeder Reiter mit jedem Pferd verbessern, wenn er nur akribisch dranbleibt und übt.“ 

Beim Halten selbst kommt es dann darauf an, dass das Pferd geschlossen auf allen vier Beinen steht und ruhig stehenbleibt – Stichwort Unbeweglichkeit! „Daneben muss auch die Anlehnung stabil bleiben, das Pferd darf sich weder herausheben, noch abtauchen, sondern das Genick muss der höchste Punkt bleiben. Die ganze Parade zum Halten ist zweifelsohne – erst recht im Mittelpunkt der Bahn ohne Anlehnung an eine Bande – eine schwierige Lektion. Es gibt viel zu beachten, aber mit der entsprechenden Berücksichtigung im Training kann man hier am Ende ordentlich Punkte sammeln mit einer guten Ausführung!“ 

Schon die ersten Runden, die der Reiter im Viereck dreht, sind wichtig – auch wenn die offizielle Benotung des Ritts erst mit dem Einreiten beginnt.

Extrem wichtig für ein gerades, geschlossenes und unbewegliches Halten ist unbedingt der Sitz des Reiters. „Wenn ich krumm und schief auf dem Pferd sitze, kann ich nicht erwarten, dass mein Pferd unter mir gerade steht“, betont Jochen Bender. Stattdessen muss der Reiter darauf achten, beide Gesäßknochen gleichmäßig zu belasten, gerade und elastisch in die Bewegung zum Halten einzusitzen, eine gleichmäßige, weiche Zügelverbindung haben und das Pferd vor den treibenden Hilfen haben, damit es nach dem Halten nicht zurücktritt. „Die Körpersprache, die man als Reiter ausstrahlt, ist unheimlich wichtig. Es ist enorm hilfreich, wenn man sich folgendes vorstellt: Ich möchte stolz auf dem Pferd sitzen, ohne dabei arrogant zu wirken. Auch Selbstvertrauen ist wichtig, ein gutes Mantra ist zum Beispiel: Hier bin ich und ich möchte Euch zeigen, wie gut ich das kann!“

„Die Körpersprache, die man als Reiter ausstrahlt, ist unheimlich wichtig. Man sollte stolz auf dem Pferd sitzen, ohne dabei arrogant zu wirken!“

Jochen Bender

Das Grüßen

Während des Haltens bei X ist auch das Grüßen gefragt. „Das Grüßen sollte mit Ruhe erfolgen, aber natürlich nicht in Zeitlupe“, erklärt der Ausbilder mit einem verschmitzten Lächeln. „Bei den Herren erfolgt für den Gruß oftmals der Griff zur Kappe. Ansonsten gilt es, den Arm zum Gruß zur Seite zu nehmen. Wichtig dabei: Den Arm nicht einfach hängen lassen, das Ganze sollte grazil aussehen!“ Mit Körperspannung sollte der Arm durchgestreckt zur Seite genommen werden, um den Richtern dann zuzunicken. „Es ist immer wichtig, auf Kleinigkeiten zu achten. Damit kann man leicht Extra-Punkte sammeln,“ weiß Jochen Bender. Deswegen sollte man auch das Grüßen im Training regelmäßig aufgreifen. Schließlich soll das Pferd währenddessen weiter ruhig stehen bleiben. „Und gerade für Prüfungen auf Kandare sollte geübt werden, wie man die Zügel zum Gruß in eine Hand nimmt – und nach dem Gruß in Ruhe und ordentlich wieder aufnimmt, ohne ‚Zügelsalat‘ zu verursachen.“ 

Das Anreiten nach dem Gruß

Ist der Gruß geglückt, nimmt der Reiter beide Hände in Ruhe wieder an die Zügel. Dann gibt er seinem Pferd den Impuls nach vorne. „In der Regel starten die Aufgaben von X aus im Trab. Beim ersten Trabtritt nach dem Anreiten sollte das Pferd direkt energisch von hinten nach vorne an die Reiterhand herantreten. Auch hier muss ich als Reiter darauf achten, mein Pferd zwischen meinen Schenkeln gerade zu halten. Mein Blick ist nach vorne gerichtet, zu C, wo ich hinreiten möchte.“ Auch jetzt ist es wieder wichtig, das geforderte Tempo zu zeigen. „Oftmals hört man den Rat, vorwärts zu reiten, weil es dann einfacher sei, die Linie gerade entlangzureiten. Da ist was dran, ich plädiere aber dennoch dafür, ein angemessenes Tempo zu wählen. Loszujagen ist nicht die Lösung.“ 

1,5 – 2 Meter vor C gilt es dann, das Abwenden auf den Hufschlag vorzubereiten. „Nun muss ich mein Pferd entsprechend stellen und biegen, um geschmeidig auf die rechte oder linke Hand abzuwenden, je nach Aufgabe. Es ist wichtig zu wissen, dass das Einreiten erst beim Abwenden bei C endet“, so Jochen Bender, der außerdem betont: „Das gesamte Einreiten und Aufmarschieren ist eine klassische Übungssache!“ Hier sind seiner Meinung nach auch die Trainer gefragt: „Es ist wichtig, dass Ausbilder das Einreiten ihrer Schüler von C aus anschauen im Training, denn nur aus der Richterperspektive kann man die Qualität des Aufmarschierens wirklich beurteilen. Dabei sollte der Trainer möglichst bei C stehen.“ Gerade für die höheren Prüfungen sei es darüber hinaus unerlässlich, das Einreiten auch von den übrigen Richterpositionen zu beurteilen. „Ich muss alle Perspektiven ins Auge fassen und darf als Trainer nicht nur stumpf aus der Ecke heraus unterrichten!“

„Das gesamte Einreiten ist eine klassische Übungssache, hier darf man keine wertvollen Punkte verschenken!“ 

Jochen Bender

10 Top-Tipps für einen guten ersten Eindruck

1. Schon vor dem Glockenzeichen einen selbstbewussten und harmonischen ALLER ersten Eindruck machen.

2. Nach dem Glockenzeichen in Ruhe, aber dennoch zeitnah (Countdown!) mit dem Einreiten bei A beginnen.

3. Die Mittellinie genau treffen! Dafür wendet man sein Pferd schon 1,5 – 2 Meter vor A ab. 

4. Auf der Mittellinie das Pferd zwischen den treibenden Schenkeln gerade halten. Hier ist es wichtig, sein Pferd genau zu kennen und zu wissen, ob es eher gerne nach links oder rechts ausweicht – dann kann man entsprechend vorbeugen!

5. Die ganze Parade im Mittelpunkt muss mit halben Paraden gut vorbereitet werden – das Halten ist eine typische „Fleiß-Lektion“, die jeder Reiter mit entsprechender Übung und Akribie verbessern kann, um hier keine Punkte zu verschenken!

6. Als Reiter sollte man stolz auf dem Pferd sitzen, ohne arrogant zu wirken.

7. Zum Grüßen lässt man den Arm nicht einfach hängen, sondern nimmt ihn durchgestreckt zur Seite, um den Richtern dann zuzunicken. Der Gruß sollte grazil und edel aussehen! Bei Herren erfolgt in der Regel der Griff zur Kappe. 

8. Beim Anreiten muss das Pferd schon beim ersten Trabtritt energisch von hinten nach vorne an die Hand herantreten.

9. Auch jetzt gilt es wieder, das Pferd zwischen den Schenkeln gerade auf der Mittellinie zu halten. 1,5 bis 2 Meter vor C wird das Pferd auf das Abwenden vorbereitet und entsprechend gestellt und gebogen. Ebenfalls wichtig: Das vorgegebene Tempo einhalten! 

10. Als Ausbilder sollte man das Einreiten von C aus beurteilen im Training. Aber auch die ggfs. weiteren Richterpositionen darf man nicht außer Acht lassen! 

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