Suche
Close this search box.
53899428066_047835634b_k

Der Dressurkrimi von Versailles

Spannend, spannender, Dressur – so kann man die heutige Medaillenentscheidung bei den Olympischen Spielen getrost zusammen fassen. Denn welches Team Gold und welches Silber gewinnen wird entschied sich tatsächlich erst mit den Schlussnoten der letzten Starterin. Am Ende triumphierten die Deutschen mit weniger als einem Wimpernschlag Vorsprung vor den Dänen und Isabell Werth wurde zur erfolgreichsten deutschen Olympionikin aller Zeiten.

Nervenaufreibender aber auch schöner hätte der Grand Prix Special eigentlich nicht sein können. Denn von Beginn an zeigten zahlreiche Reiter- und Pferd Paarungen tollen Sport mit guten Ritten. Nicht nur die Reiter der drei Top-Teams wussten die Zuschauer zu begeistern und so war der Samstagvormittag einen Augenschmaus für jeden Dressurfreund. “Das war genauso spannend wie ein großes Springen”, hörte man jedoch auch aus Springreiterkreisen, die die Darbietungen in Versailles ebenfalls vor den Fernseher und auf die Ränge lockten. Seit Monaten stellt die Dressurwelt sich die Frage, ob die deutsche Mannschaft es wieder schaffen kann die Goldmedaille mit nach Hause zu nehmen. Denn sowohl die Dänen, als auch die Briten hatten bei den letzten Championaten gezeigt, dass dies heute auf keinen Fall ein Spaziergang für “schwarz rot gold” werden wird. Durch geschicktes Nennen sind sich die Top-Paare zudem auf den großen Turnieren der Saison mehr oder weniger aus dem Weg gegangen und ein direkter Vergleich war in Gänze nicht möglich. Hinzu kommt dann ja sowieso immer auch noch die Tagesform und die war heute auf den vorderen Rängen hochklassig, aber auch die Spitzenpaare machten die ganze Geschichte durch Fehler zusätzlich spannend. Die ersten Teamreiter der Deutschen, Dänen und Briten zeigten gute Leistungen und setzten die Messlatte direkt hoch.

Becky Moody begeisterte mit einer der harmonischsten Runden des Tages!

Den Beginn machten dabei Becky Moody und Jagerbomb. Mit dem selbstgezogenen Wallach war sie wahrscheinlich eine der “Entdeckungen” der Olympischen Spieler. Bei ihrem Championatsdebut überzeugte sie mit einem fein gerittenen Pferd, welches besonders in den Passagen überzeugt. Vielleicht fehlt es dem zehnjährigen Wallach hier und da noch ein wenig an Kraft und der Reiterin an Championatserfahrung, aber hier sah man ganz sicher ein Paar der Zukunft. Sie trabten zu 76,489 Prozent und konnten damit sowohl den Dänen Daniel Bachmann Andersen, als auch Frederic Wandres in Schach halten. Bachmann Andersen und Vayron haben seit Riesenbeck ihre Hausaufgaben gemacht. Der Wallach wirkt deutlich gereift, trabt aber noch mit dem gleichen Abdruck durch die Aufgabe. Manchmal wünscht man dem bewegungsstarken Pferd etwas mehr Ruhe, aber insgesamt wusste das Paar mit 75,973 Prozent seine Punkte zu holen. So auch Frederic Wandres und Bluetooth. Der Bereiter aus dem Stall Kasselmann absolvierte bei den Spielen in Frankreich ebenfalls seinen ersten Start bei Olympischen Spielen. Auf Championatserfahrung können er und sein vierbeiniger Sportpartner jedoch bereits zurückgreifen. War Wandres in Aachen noch schwer unter Druck als es um die Olympia-Tickets ging, lieferte er sowohl im Grand Prix, als auch im Grand Prix Spezial. Bis auf die Galopppirouette nach rechts zeigt das Paar keine echten Schwächen und sorgt so für eine gute Ausgangsposition der deutschen Mannschaft.

Carl Hester und Fame läuteten dann die Gruppe der zweiten Mannschaftsreiter ein. Der erfahrene Brite schaffte es heute nicht, seinem vierbeinigen Sportpartner so viel Ruhe zu geben, wie man es sonst von ihm gewohnt ist. Das Pferd wird immer wieder eng und es treten leichte Spannungen auf. Trotzdem weiß Hester einige Punkte zu sammeln und schloss die Prüfung am Ende mit 76,52 Prozent ab. Fast durch einen Zufall fand das nächste Paar zusammen und lässt seitdem die Dressurwelt aufhorchen: Nanna Skodborg Merrald und Zepter haben auch heute geliefert. Eigentlich sollte der Fuchswallach der im Besitz ihres Arbeitgebers steht über Jahre verkauft werden. Als dies nicht so recht gelingen sollte, nahm Skodmorg Merrald im Sattel Platz und der Rest ist quasi Geschichte. Mittlerweile sind sie ein eingespieltes Team und das merkte man auch in dieser Prüfung, mit genug aber nicht zu viel Risiko präsentierte sie den imposanten Fuchs, mit dessen Vater sie an den Olympischen Spielen in Tokyo teilnahm, im Viereck. 78,48 Prozent brachten die Dänen weiter in Richtung vorderste Treppchenplätze. Als zweite Reiterin schickt das deutsche Team mit Isabell Werth Erfahrung pur in den Wettkampf. Die braucht die Rheinbergerin auch, denn erst seit Januar diesen Jahres sitzt sie im Sattel von Wendy. Die Stute überzeugt mit großen Grundgangarten und absoluter Leistungsbereitschaft. Erst zehn Jahre alt, lässt sie sich voll auf ihre Reiterin ein und die Beiden zeigen Dressursport auf höchstem Niveau. Jeder Übergang gut akzentuiert lässt Werth nirgendwo Punkte liegen. Hier und da sieht man, dass mit kommender Kraft und gemeinsamer Erfahrung in der Zukunft noch Luft nach oben sein wird, aber bereits heute kratzen sie dauerhaft an der 80 Prozent-Marke. Am Ende waren es dann 79,894 Prozent. Bei ihren siebten Olympischen Spielen geht es für Isabell Werth dabei nicht nur um Gold, sondern auch darum sich in die Geschichtsbücher einzutragen. Mit der heutigen Goldmedaille würde sie zur erfolgreichsten deutschen olympischen Sportlerin aller Zeiten werden. Doch vor diesem Triumph standen noch die Ergebnisse der letzten Teamreiter und die machten es noch einmal mehr als spannend.

Als amtierende Weltmeisterin eröffnete Charlotte Fry im Sattel von Glamourdale die letzte Runde. Das Paar konnte sich im Vergleich zum CHIO in Aachen, in dem sie in der 4*-Tour an den Start gingen und nicht im Nationepreis, deutlich steigern. Der Hengst wirkte schöner in der Anlehnung und kraftvoller durch den Körper. Die Schwächen in den Piaffen wurden drückten aber auch heute die Gesamtnote. Am Ende standen aufgrund einiger Highlights während der Prüfung, wie zum Beispiel Glamourdales berühmter Galopptour und darin deutlich verbesserten Pirouetten, 79,483 Prozent auf der Ergebnisliste. Einen besonderen Triumph feierten dann Catherine Laudrup-Dufour und Freestyle. Harmonisch und gleichmäßig mit vielen Highlight zelebrierten sie ihre Prüfung. Einzige Wehrmutstropfen ist das nicht immer schöne Maul der Stute, trotzdem wirkt die Vorstellung harmonisch und die Verbindung zur Reiterhand weich. Ein Fehler in den Einerwechseln lässt die Zuschauer kurz den Atem anhalten, ansonsten begeistert das Paar aber mit vielen Highlights. Hochkonzentriert und trotzdem mit der nötigen Leichtigkeit bring die Dänin die Prüfung mit 81,216 Prozent zu Ende und die Richter sind sich auch nach der letzten Reiterin fast einig, dass dies heute die beste Runde war. Lediglich der französische Richter hätte das letzte Paar vorne gesehen. Das waren Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. Und die Beiden machten es heute mehr als spannend. Während sie im Grand Prix noch vorne lagen, mussten die deutschen Fans während der Prüfung deutlich die Luft anhalten und immer wieder rechnen, ob der Notentrend für Gold reichen würde. Denn eine der größten Stärken des Paares, nämlich fehlerfrei zu reiten, gelang den Beiden heute nicht. Nach einem starken Beginn, lagen sie in der Notentendenz recht schnell gleichauf mit Cathrine Laudrup-Dufour und Freestyle. Vor dem Schritt hat von Bredow-Werndl jedoch die Nase wieder vorn. Und dann kommt die Störung in der ersten Piaffe, die sie deutlich hinter die Dänin bringt. Schon im Gran Prix hatte die Reiterin die Prüfung nahezu ohne Kandarenzügel geritten, heute hatte sie zunächst mehr Verbindung dies quittierte die Stute aber in dem sie die Zunge zeigte. Diese ist auch in der Galopptour deutlich zu sehen. Dass Cathrine Laudrup-Dufour die Prüfung als Beste abschließen wird, scheint bereits auf der Schlusslinie klar. Ob Mannschaftsgold an die Dänen oder die Deutschen geht, entschied sich dann auch erst in den Schlussnoten. Dalera erhielt 79,954 Prozent. Ihre klare Vormachtstellung der letzten Zeit hat sie damit verloren. Das war also echtes Zittern bis zum Schluss und am Ende gewannen die Deutschen mit lediglich 0,121 Prozent. Bronze sicherten sich die Briten mit komfortablem Abstand zu den Niederländern auf Rang vier. 

Doch nicht nur das spannende Finale um Mannschaftgold sorgte heute bei Isabell Werth für eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Als ihre Mannschaftskollegen bereits mit den Pferden unterwegs nach Versailles waren, trug sie ihren Vater zu Grabe. Von der Beerdigung reiste sie dann direkt zu den Olympischen Spielen und demonstrierte dort welch starke Nerven sie hat. Mit der Mannschaftsgoldmedaille gewann Werth ihre achte Goldmedaille bei Olympischen Spielen und stellte damit den Rekord der Kanutin Birgit Fischer ein. Diese hat zwar ebenfalls acht Goldmedaillen gesammelt, gewann aber eine Silbermedaille weniger als Isabell Werth. “Mein Gott war das spannend. Ja das war heute echt ein bisschen viel Gefühl und es ist super. Ich freue mich natürlich sehr und ich werde mit Birgit bald einen trinken gehen”, konnte die Erfolgsreiterin nach ihrem Ritt die Emotionen kaum ordnen. Zuvor hatte sie bereits den Reitern aus Dänemark und England ihren Respekt ausgesprochen und deren hohe Leistungen anerkannt. 

Mit William Matthew ging ein weiterer rheinischer Dressurreiter im Mannschaftswettbewerb an den Start. Halbtags arbeitet der Australier bei Isabell Werth als Bereiter und ist die andere Hälfte des Tages in Dinslaken selbstständig. Gemeinsam mit Mysterious Star zeigte er eine harmonische Runde, die am Ende mit 69,711 Prozent belohnt wurde. Matthew war nach seinem ersten Start bei Olympischen Spielen zufrieden mit seiner Vorstellung und seinem vierbeinigen Sportpartner.

Fotos: FEI / Benjamin Clark 

Artikel teilen

Empfohlene Artikel

Aktuelles aus dem Sport

Starker DJM-Auftakt

Die Deutschen Jugendmeisterschaften sind Jahr für Jahr eines der Saisonhighlights im Kalender aller Nachwuchsreiter. In diesem Jahr treffen sich die

Weiterlesen »
Aktuelles aus dem Sport

Starker DJM-Auftakt

Die Deutschen Jugendmeisterschaften sind Jahr für Jahr eines der Saisonhighlights im Kalender aller Nachwuchsreiter. In diesem Jahr treffen sich die

Weiterlesen »