Ob kleine Unsicherheiten im Parcours oder die ständige Sorge, dass ein Unfall passieren könnte: Wenn die Angst mitreitet, ist guter Rat häufig teuer. Oft ist gar nicht das Reiten selbst das Problem, häufig sind es lange zurückliegende Traumata, die Auslöser für Schweißausbrüche im Sattel sein können. Genau hier setzt die Hypnose für Reiter an: Wer sich auf die Therapie einlassen kann, hat gute Chancen, die Angst dauerhaft aus der Arbeit mit dem Pferd zu verbannen.
Vivien G. verstand die Welt nicht mehr: Ihr Leben lang war die 27-Jährige souverän im Sattel unterwegs, hatte zwischenzeitlich sogar ihren eigenen Reitbetrieb und hat auch heute noch zehn Pferde im Stall, die sie auf Turnieren im Parcours vorstellt. Doch von einem Tag auf den anderen war plötzlich alles anders: „Vor einem halben Jahr habe ich auf einmal Angst im Parcours bekommen und konnte mir nicht erklären, warum“, berichtet die Schwerinerin. „Ich hatte keinen schlimmen Unfall und auch in meinem Umfeld ist nichts Außergewöhnliches passiert.“ Vor allem im eigenen Stall ritt die Angst plötzlich mit und übertrug sich auch auf die Pferde. „Wenn man Angst bekommt, macht man alles verkehrt, was man verkehrt machen kann – und das ist mir auch passiert.“
Alte Muster auflösen
Die Springreiterin war sich schnell bewusst: So konnte es nicht weitergehen. „Dann stieß ich durch Zufall auf Instagram auf Antonia Wittfoth und hatte das Gefühl: Das könnte ein Lösungsansatz sein.“ Die im niedersächsischen Fischerhude bei Bremen beheimatete Heilpraktikerin für Psychotherapie betreut Klienten aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus – und baut bei ihren Sitzungen auch auf Hypnose. „Ich glaube fest daran, dass wahre Heilung und Veränderung durch das Fühlen und Erleben geschehen – frei nach dem Motto: ‚Mehr fühlen, weniger denken.‘ Es ist der Schlüssel, um alte Muster zu erkennen, aufzulösen und sich selbst wieder zu erleben“, sagt die Traumatherapeutin. Besonders in der Arbeit mit Reitern und ihren Pferden sei dies essenziell: „Pferde spiegeln unsere tiefsten emotionalen Zustände wider.“
Vivien G. war zunächst skeptisch, ob Hypnose wirklich der richtige Weg für sie sein könnte. „Ich stelle immer viel in Frage und bin mit einer gewissen Skepsis zu Antonia gefahren: Ob das tatsächlich so funktioniert, wie es angepriesen wird? Aber ich dachte mir: Mehr, als dass es nicht klappt, kann nicht passieren“, erinnert sich die 27-Jährige. An sich sei sie jedoch offen gegenüber einer solchen Therapie – und genau das ist auch wichtig: „Man muss sich darauf einlassen können“, ist Vivien überzeugt.
Die Reiterin war zweieinhalb Tage bei der Therapeutin vor Ort, hat intensive Gespräche mit ihr geführt und insgesamt fünf Hypnosen bekommen – eine davon inmitten von Antonia Wittfoths Pferden im Offenstall. „So richtig kann ich das gar nicht in Worte fassen, was da passiert ist, es war eine sehr intensive Erfahrung“, erzählt Vivien G.. Und, das ist noch viel entscheidender: „Es hat funktioniert!“, strahlt sie. „Die Angst im Sattel hat sich in Luft aufgelöst.“

Ursache liegt in der Vergangenheit
Spannend sei dabei gewesen, dass der Auslöser gar nicht im Reiten selbst begründet lag. „Ursache war eine familiäre Erfahrung, die schon viele Jahre zurückliegt“, berichtet die Reiterin. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass diese Situation, die ich verdrängt hatte, Auslöser für meine plötzliche Unsicherheit im Sattel sein könnte.“ Ursache müssen dabei gar nicht unbedingt besonders traumatische Erlebnisse sein – auch kleine Dinge, die das System insbesondere in der Kindheit ins Wanken brachten, liegen nicht selten einer plötzlich auftretenden Angst zugrunde. Genau diese lassen sich mithilfe einer Hypnose am besten erkennen und auflösen, da hier das Unterbewusstsein direkt angesprochen werden kann.
Aber auch direkte Auslöser, die nicht richtig verarbeitet wurden, lassen sich in Trance lösen. Das war der Fall bei Jessica Margens: Die Pferdewirtin aus Schleswig-Holstein entschied sich ebenfalls für eine Hypnotherapie, als sie im Sattel immer mehr eine Blockade verspürte: „Ich habe plötzlich angefangen, die Pferde viel zu viel festzuhalten und aus einem Sicherheitsgedanken heraus im Parcours immer mal wieder einen Galoppsprung eingebaut, wo eigentlich keiner hingehörte“, berichtet sie. „Ich habe mich immer mehr über mich selbst geärgert.“ Auslöser waren zwei Verletzungen, die sich die Reiterin beim Reiten zugezogen hat: „Ich habe mir 2022 und 2023 jeweils das Kreuzband gerissen“, blickt Jessica Margens zurück. „Einmal beim Absteigen, das war einfach Pech. Beim zweiten Mal im Training, als ich eine Kombination reiten wollte und wir uns missverstanden haben. Beides waren im Grunde unglückliche Zufälle, ich bin nicht vom Pferd gefallen oder so, eigentlich ist nichts passiert, außer, dass ich mich fürchterlich geärgert habe.“
Unsicherheit verschwunden
Dennoch ging nach den Unfällen die Leichtigkeit im Sattel verloren – auch Jessica Margens entschied sich, der Ursache mithilfe einer Hypnose auf den Grund zu gehen. „Wir kamen ganz schnell dahin, dass die beiden Kreuzbandrisse die Auslöser gewesen sein müssen“, berichtet die Reiterin. Daran wurde intensiv gearbeitet und im Anschluss gab es einige Tipps mit auf den Weg, sollte die Unsicherheit noch einmal auftreten. „Ich habe gleich beim ersten Mal gemerkt, dass meine Unsicherheit verschwunden war und ich wieder viel lockerer auf dem Pferd saß“, erzählt die Springreiterin erleichtert.
Beide Reiterinnen sind sich einig: Eine Hypnose haben sie sich ganz anders vorgestellt. „Man denkt immer, dass man völlig weggetreten ist und nichts mehr mitbekommt. Das ist aber überhaupt nicht so. Ich hatte zwar die Augen zu, habe mich aber ganz normal mit Antonia unterhalten“, sagt Jessica Margens. Vivien G. hat die Trance ganz ähnlich empfunden: „Man kann es gar nicht mit einer Show-Hypnose vergleichen, die man vielleicht aus dem Fernsehen kennt. Ich habe am Anfang eher gedacht: Funktioniert das überhaupt? Weil ich wirklich das Gefühl hatte, dass ich voll da bin und einfach aufstehen und gehen könnte. Erst, wenn man dann ein bisschen tiefer hineinkommt, merkt man, dass es doch sehr intensiv ist.“ Nach der erste Hypnosesitzung hätte sie getippt, dass diese vielleicht eine halbe Stunde gedauert hat. „Als ich dann auf die Uhr geschaut habe, habe ich gemerkt: es waren zweieinhalb Stunden.“ Vivien G. beschreibt die Hypnose als sehr intensiv: „Man ist wirklich in seiner eigenen Gefühlswelt, aber trotzdem nicht darin gefangen, es ist kein unangenehmes Gefühl. Man hat die ganze Zeit die Sicherheit, dass man jederzeit ‚Stopp‘ sagen könnte.“
Die RRP-Expertin: Antonia Wittfoth

Antonia Wittfoth ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, systemische Familien-, Hypno-, Trauma- und Sexual therapeutin und arbeitet mit einer breiten Palette an therapeutischen Ansätzen. In ihrer Praxis in Fischerhude bei Bremen arbeitet sie seit über 25 Jahren mit Menschen, die innere Blockaden lösen und emotionale Herausfor derungen überwinden möchten. Sie ist selbst leidenschaftliche Reiterin, besitzt mehrere Pferde und bietet seit diesem Jahr Hypnotherapie speziell für Reiter an.
Empathie Schlüssel zum Erfolg
Die Mecklenburgerin sieht den Erfolg der Sitzung aber auch in ihrem Gegenüber begründet. „Antonia ist sehr empathisch, auch eine Pferdefrau und sie holt einen richtig ab. Das habe ich bei einem anderen Therapieversuch ganz anders erlebt.“ Sie habe sofort das Gefühl gehabt, dass da jemand ist, der wirkliches Interesse daran hat, ihr zu helfen.
Und auch im Nachgang bekamen beide Frauen Hilfsmittel mit an die Hand: Die Hypnosesitzungen wurden aufgenommen und können jederzeit nachgehört und somit noch einmal erlebt werden – quasi als Erinnerung fürs Unterbewusstsein, dass das eigentliche Problem gelöst ist. Hinzu kommen Atemübungen oder leichtes Klopfen mit dem Finger auf eine bestimmte Körperstelle, das während der Hypnose mit dem Gefühl der neu gewonnenen Leichtigkeit verknüpft wurde. Bisher brauchte Vivien das aber nicht: „Ich bin jetzt viel freier. Es ist fast so, als ob jemand einen schweren Stein aus meinem Körper genommen hat.“
Wer eine Hypnotherapie in Erwägung zieht, sollte sich im Vorfeld erkundigen, welche Erfahrungen der Therapeut mitbringt. „Es gibt relativ viele Hypnotherapeuten – viele bieten beispielsweise Raucherentwöhnung oder zum Abnehmhypnosen an. Bei der Bearbeitung von Ängsten macht es aber Sinn, sich für einen Therapeuten zu entscheiden, der in diesem Gebiet ebenfalls Erfahrungen hat“, sagt Antonia Wittfoth. Idealerweise besteht eine solche Therapie nicht nur aus einer reinen Hypnosesitzung – wichtig ist auch ein intensives Vorgespräch, um der Ursache auf die Spur zu kommen und auch, um das Vertrauen zum Therapeuten aufzubauen. „Meine Klienten sollen sich zu 100 Prozent sicher und aufgehoben fühlen“, betont Antonia Wittfoth. Nur dann könnten sie sich auch wirklich öffnen.

Zeit für sich selbst nehmen
„Ein Problem wie Reitangst kann man nicht in 60 Minuten lösen. Man muss sich schon die Zeit dafür nehmen.“ Daher dauere eine solche Session meist einen ganzen Tag. „Es ist ein bisschen wie ein kleines Mini-Retreat: Man nimmt sich die Zeit für sich selbst.“
Dabei klingt das Wort „Hypnose“ viel größer, als es tatsächlich ist. „Wir befinden uns in einer Art Trance. Das ist nichts anderes als ein Tagtraum, wie damals, als wir im Schulunterricht saßen und aus dem Fenster starrten“, lacht Wittfoth. Und: „Trance ist ein Zustand, in dem uns Dinge etwas egaler sind, als sie uns normalerweise wären. Das bedeutet nicht, dass ich dir eine Waschmaschine verkaufen könnte, denn trotzdem bist du bei vollem Bewusstsein und kannst rationale Entscheidungen treffen.“ Für viele fühle sich die Hypnose wie ein Traum an, in dem sie mit ihr verbunden waren und über ihre tiefsten Gefühle gesprochen haben. „Wenn man wieder zurückkommt in die ‚normale Welt‘ fühlt sich das ein bisschen so an, als ob man auf einem Trip gewesen wäre“, schmunzelt die Hypnotherapeutin. „Es ist ein sehr schönes Gefühl, denn wir haben etwas gelöst, das dich sehr belastet hat.“
Sie erlebe es häufig, dass die Menschen zunächst versuchen, die Angst beiseitezuschieben und immer wieder versuchen, einfach darüber wegzugehen. „Sich immer wieder einer Situation auszusetzen, die einem Unbehagen bereitet, kuriert das Problem nicht. Wenn einem das Herz schon bis zum Hals schlägt, kann die Konfrontation mit der beängstigenden Situation nicht zum Erfolg führen. In der Regel trainiert man die Angst nur noch mehr und verstärkt sie so“, ist die Therapeutin überzeugt. „Das ist vor allem bei Reitängsten so, da hier noch eine weitere Komponente dazu kommt: das Pferd. Das Pferd merkt genau, wenn der Mensch dort oben angespannt ist und wird ihn spiegeln. So wird keiner von beiden sich entspannen können.“ Häufig ende das Ganze dann in einer Art Teufelskreis: Man bekomme Angst vor der Angst.
Unterbewusstsein ansprechen
Wichtig sei es daher, den Kern der Sache zu erkennen, um daran arbeiten zu können und nicht nur eine Symptombehandlung durchzuführen. „In Trance können wir das Unterbewusstsein gezielt ansprechen und so Erinnerungen und Gefühle erkennen, die der tatsächliche Auslöser für Ängste und Blockaden sind“, sagt Antonia Wittfoth. „Normalerweise verbindet sich im Unterbewusstsein alles, was einem schon mal passiert ist, wie eine Perlenkette. Bekommt jemand plötzlich Angst beim Reiten, kann das einen ganz anderen Grund haben als das Reiten selbst. Es keine eine Situation sein, die das gleiche Gefühl ausgelöst hat.“ Ein Beispiel: Erst kürzlich kam eine Fahrerin zu Wittfoth, die nach einem Kutschenunfall panische Angst hatte, wieder auf den Bock zu steigen. „Das traumatische Erlebnis war aber ein ganz anderes, das schon viel weiter zurück lag. Es war ein Moment, in dem sie sich genauso ohnmächtig gefühlt hat wie bei dem Kutschenunfall“, erzählt die Therapeutin. Diese Erkenntnis konnte erst mithilfe der Hypnose zu Tage treten – und ließ sich schließlich auch das Trauma Kutschefahren lösen. „Für manch‘ einen ist es vielleicht verknüpft mit dem Gefühl, als sie als Kind erfuhren, dass sich ihre Eltern trennen. Oder es gibt einen Zusammenhang mit einem ganz anderen Moment, in dem man sich hilflos fühlte.“
Für und mit dem Pferd heilen
Ist der Knote einmal geplatzt, erledigen sich auch die so belastenden Ängste. „Die allermeisten Klienten müssen kein zweites Mal zur Hypnose kommen“, erzählt Antonia Wittfoth. Die Erfolgsquote ist gerade bei Reitern hoch, denn hier kommt ein ganz besonderer Verstärker mit ins Spiel: das Pferd. „Der Leidensdruck ist häufig groß, wenn die Menschen zu mir kommen. Wenn die Angst mit dem Pferd zusammenhängt, ist das besonders schlimm, da sie das für sie Schönste auf der Welt nicht mehr voller Leichtigkeit genießen können.“ Gleichzeitig sind die Reiter emotional besonders an ihr Pferd gebunden, sodass auf einer ganz anderen Ebene mit ihnen gearbeitet werden kann. Übrigens geht das auch gemeinsam mit dem Pferd: „Ich hatte schon einige Hypnosen gemeinsam mit Pferd und Besitzer oder auch im Beisein meiner Pferde. Es ist wirklich sehr besonders zu sehen, wie die Pferde dann auch ganz ruhig werden und sich auf die Hypnose einlassen.“ So fungiert das Pferd auch während der Hypnose selbst als ganz besonderer Verstärker. Denn wie lässt es sich besser heilen als nicht nur für das, sondern auch mit dem Pferd?





