Kerken2

Ein Abschied, der unter die Haut ging: Carlo sagt leise Servus

Sebastian Adams im Sattel von Carlo bei dessen Verabschiedung.

Es waren Momente voller Emotionen, Dankbarkeit und stillem Stolz, die das Kerkener Spring-Event in diesem Jahr prägten. Im Mittelpunkt stand nicht eine Siegerrunde oder ein spektakulärer Parcours, sondern der Abschied eines Pferdes, das über Jahre hinweg die sportliche und emotionale Säule des Stalls von Sebastian Adams war: Carlo. Als Carlo ein letztes Mal die herrlich hergerichtete Arena betrat, erhoben sich die Zuschauer von den voll besetzten Tribünen. Applaus, bewegte Gesichter und eine Atmosphäre, die selbst erfahrene Turnierreiter selten erleben. „Die vollen Zuschauerränge sowie die beeindruckende Atmosphäre bei der emotionalen Verabschiedung von Carlo, dem Pferd von Jos Lansink, der fast neun Jahre bei mir gewesen ist, waren wirklich toll“, sagte Sebastian Adams sichtlich bewegt. 

Fast neun Jahre lang bildeten Adams und Carlo eine Einheit, die den Springsport in Kerken nachhaltig geprägt hat. Zahlreiche Erfolge reihen sich in dieser Zeit aneinander: Siege in internationalen Drei-Sterne-S-Springen, der Gewinn der Rheinischen Meisterschaften, Starts bei den Deutschen Meisterschaften mit Hindernishöhen von bis zu 1,60 Metern sowie Große Preise, darunter ein Triumph in Monaco. „Diese Erfolge bleiben mir in steter Erinnerung“, so Adams. „Carlo ist ein Herzenspferd, das meine Karriere und meinen Stall über Jahre getragen und geprägt hat. Er war und ist einfach ganz besonders und das in allen Belangen.“ 

Dabei begann die gemeinsame Geschichte leise und unscheinbar. Am 25. Februar 2017 betrat Carlo von Kielslück den Stall von Sebastian Adams als kleiner, schüchterner Schimmel. Still stand er in seiner Box und blickte stundenlang aus dem Fenster. Doch schon bald zeigte sich, welches Potenzial und welche Persönlichkeit in ihm steckten. Aus dem zurückhaltenden Neuling wurde die unbestrittene Nummer eins im Stall. Niemand ging an seiner Box vorbei, ohne ihm einen Gruß oder eine Streicheleinheit zu schenken – Carlo wurde schnell zum Liebling des gesamten Teams. 

Mit seinen 166 Zentimetern war er vielleicht kein imposanter Riese, doch sein Herz, sein Ehrgeiz und sein Kampfgeist machten ihn außergewöhnlich. „Mit seinen 19 Jahren ist er noch topfit“, betont Adams, „aber nach einer überragenden Saison hat er sich seinen Ruhestand mehr als verdient.“ Dass dieser Abschied schwerfällt, war in jeder Geste spürbar. Carlo war vielleicht kein Weltstar im klassischen Sinne, doch für seinen Reiter, den Stall und alle Wegbegleiter bedeutete er die Welt. Was Carlo für Sebastian Adams und das gesamte Team möglich gemacht hat, lässt sich kaum in Worte fassen. Er war mehr als ein Sportpartner, er war Lehrmeister, Motivator und verlässlicher Freund. Nun beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt fernab von Parcours und Zeitmessung, getragen von großem Stolz und tiefer Dankbarkeit. Oder, wie es beim Abschied treffend hieß: Carlo, kein Champion, der die Welt bewegt hat, sondern einer, der unsere Herzen erobert hat. 

Stephan Derks

Foto: SA Equestrian

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