Nur fünf Tage nach ihrem fulminanten Triple-Triumph bei den Europameisterschaften lud Isabell Werth im Rahmen eines PM-Seminars eine kleine Schar von Pferdefreunden zu einem Blick hinter die Kulissen ihres Rheinberger Dressurstalls ein. Hier konnten die Besucher nicht nur der Dressurqueen selbst, sondern auch ihrem Herzenspferd Bella Rose und den anderen vierbeinigen Stars ganz nah kommen. Als „Bonbon“ gab es zudem einen exklusiven Einblick in die Werth’sche Trainings- und Ausbildungsphilosophie.
Umgeben von Feldern, nicht weit von der idyllischen Kleinstadt Rheinberg entfernt, befindet sich das Zuhause von Isabell Werth. Die glücklichen Besuchern, denen es gelungen war, sich einen der äußerst begehrten Plätze bei diesem von den Persönlichen Mitgliedern der FN (PM) exklusiv organisierten Event zu sichern, ist die Vorfreude deutlich anzumerken, als sie sich zur Begrüßung in der Rheinberger Reithalle versammeln. Kaum ergreift Isabell Werth das Wort, richten sich die Blicke der Gäste gebannt auf ihre Lippen. Mit ihrem rheinischen Frohnatur-Charme, ihrer lockeren und überaus nahbaren Art nimmt die Dressurqueen auf Anhieb alle für sich ein. Entsprechend gut gelaunt startet die Truppe den Rundgang über die Reitanlage.
Erster Stopp: an der Weide, die direkt an den Innenhof grenzt. Diese teilt sich niemand geringeres als Satchmo mit Scheckenpony Kelly. Völlig unbeeindruckt von der kleinen Menschenmenge, die ihn vom Zaun aus bewundert, grast der ehemalige Superstar neben seiner kleinen Freundin. Noch immer umgibt den Braunen, der Isabell Werth so oft verzweifeln ließ, bis sie den individuell richtigen gemeinsamen Weg gefunden hatten, eine besondere Aura. „Auch wenn er sich einen kleinen Weidebauch angefuttert hat, erkennt man doch noch den Sportler in ihm“, schmunzelt Isabell Werth. „Nach seiner Verabschiedung 2011 in Stuttgart habe ich ihn noch weiter zuhause geritten. Aber irgendwann kam der Tag, an dem er deutlich zeigte, dass er lieber nur noch auf der Weide sein wollte. Und dann haben wir das so gemacht. Auf dieser Weide hier direkt am Hof ist er dennoch immer mittendrin im Geschehen und ich bin sehr froh, dass er seine Rente hier genießen kann.“ Dass der Sao Paulo-Sohn in diesem Jahr bereits seinen 25. Geburtstag gefeiert hat, sieht man ihm nicht an.
Weiter geht der Weg, vorbei an großzügigen Weiden, auf denen sich Zuchtstuten, Fohlen und selbst gezogene Jährlinge tummeln. Als Isabell Werth den Hof ihrer Eltern übernommen hat, hat sie ihn ganz nach ihren Vorstellungen umgebaut und erweitert. Wo ihr Vater früher Viehzucht betrieb, wachsen nun die künftigen Stars des Dressurvierecks auf. „Der heutige Remontenstall war früher der Schweinestall“, erklärt die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt mit Blick in eben diesen Stall.
Beim Umbau und der Erweiterung des Hofes war es Isabell Werth wichtig, dass die neuen und alten Gebäude ein harmonisches Gesamtbild abgeben. Dieses Ziel hat sie zu 100 Prozent erreicht: Die neuen Stallungen, die großzügige Reithalle und das Wohnhaus bilden eine wahrhaft gelungene Symbiose mit den ursprünglich vorhandenen Gebäuden. Isabell Werth, ihr Lebensgefährte Wolfgang Urban und der gemeinsame Sohn Frederik wohnen hier nicht nur Tür an Tür mit den Pferden, sondern auch mit dem Rest der Familie. Denn Isabell Werths Eltern und ihre Schwester leben ebenfalls hier.
Das Prunkstück der Anlage ist aber ganz eindeutig der riesige, von Wällen und Büschen eingerahmte Dressurplatz mit Ebbe-Flut System. Doch nicht nur hier gelingen grandiose Galoppverstärkungen: Auch auf der Rennbahn, die nebenan um eine große Wiese führt, lässt Isabell Werth ihre Pferde regelmäßig galoppieren. „Vor den olympischen Spielen in Hong Kong haben wir aufgrund der extremen Klimaveränderung das Training der Pferde umgestellt. Nirgendwo kann man besser die Ausdauer trainieren, als auf der Galoppstrecke”, so die 50-Jährige. „Abgesehen davon ist das Reiten auf der Rennbahn eine willkommene Abwechslung für Pferde und Reiter, um mal den Kopf frei zu bekommen.”
„Nirgendwo kann man die Ausdauer eines Pferdes besser trainieren als auf der Rennbahn. Und nirgendwo können Pferd und Reiter den Kopf besser frei bekommen!“
Isabell Werth
Daneben grast die nächste Rentnerbande, unter denen sich noch so mancher Medaillenträger befindet. Die Stars von morgen können wir nun in der ersten Stallgasse bewundern. Sofort strecken die Pferde neugierig ihre Köpfe aus den Boxen und begutachten die Besucher. Belantis, Feedback und Quotenkönig, einer ist schöner als der andere. Und alle sind durchweg freundlich und menschenbezogen. Angelegte Ohren und schnappende Mäuler sind hier Fehlanzeige.
Stallgasse der Superlative
Doch einer macht Radau und tritt gegen die Boxenwand. „Johnny!”, ermahnt Werth den schönen Braunen, der eindeutig um ihre Aufmerksamkeit buhlt, und öffnet seine Box. Dass dieses Pferd es faustdick hinter den Ohren hat, merkt man sofort. „Ich bezeichne Don Johnson immer gerne als 18-jähriges Nachwuchstalent”, scherzt Isabell Werth. Dennoch steht in diesem Jahr seine Verabschiedung aus dem Sport an. „Dadurch, dass Johnny im Dezember geboren wurde, feiert er Ende des Jahres eigentlich erst seinen 18. Geburtstag, wird aber von der FN im Januar darauf für 19-jährig erklärt”, klärt die Dressurreiterin auf. Auch wenn der Don Frederico-Sohn also in Wirklichkeit momentan 17 Jahre alt ist, wirkt er, als wäre er gerade erst sieben. Die zahlreichen Spielzeuge, die in seiner Box hängen, unterstreichen diesen Eindruck.
In der Box nebenan residiert Emilio, der sich geduldig von seinen Fans streicheln lässt. Das nächste Mal wird man ihn beim Weltcup in Aktion bewundern können. Längst hat der Ehrenpreis-Nachkomme international bewiesen, was in ihm steckt. Doch der Weg dorthin war durchaus steinig. „Es war anfangs schlichtweg nicht möglich, auf Emilio aufzusteigen. Sobald sich jemand über seinem Rücken befand, ergriff er die Flucht. Wir haben wirklich alles versucht, von festgeschnallten Stoffpuppen im Sattel bis hin zu Scheuklappen, doch es blieb schwierig. Es ist allein meinem damaligen Bereiter Matthias Bouten zu verdanken, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen haben. Er hat in diese Sache sehr viel Zeit und Geduld investiert.“
Emilios Boxennachbarin ist keine geringere als Gold-Pferd Bella Rose. Isabell Werth strahlt über das ganze Gesicht, als sie von der Stute schwärmt: „Schon als ich sie dreijährig bei Familie Strunk, die übrigens auch Emilio gezogen hat, gesehen habe, wusste ich genau, dass sie außergewöhnlich gut ist. Trotzdem kann man nie genau sagen, wohin die Reise mit einem Pferd geht. Aber die letzten Championate mit ihr hätten wirklich nicht besser laufen können!” Bella Rose, die durch die geöffnete Boxentür schon halb auf der Stallgasse steht, genießt die Streicheleinheiten der Gäste. Erschöpfung ist der Belissimo-Tochter nach dem kräftezehrenden Wochenende nicht anzumerken, was auch Isabell Werth noch einmal bekräftigt: „Die letzten Wochen waren schon eine Herausforderung. Die Kunst war es, den CHIO in Aachen gut zu meistern und sich bei den Europameisterschaften dann noch zu steigern. In Rotterdam war es zudem sehr schwül, aber Bella Rose war wirklich gehfreudig und hochmotiviert. Ich glaube sie hätte auch noch eine weitere Prüfung in derselben Form absolvieren können.“ Trotz aller gewonnenen Medaillen sei Bella Rose jedoch keine Diva. „Im täglichen Umgang ist sie unheimlich lieb und unkompliziert.“
Das zeigt sich auch, als die Fuchsstute, die im Dressurviereck ständig neue Rekorde aufstellt, geduldig für Fotos mit ihren Fans posiert und aufmerksam die Ohren spitzt. Auch PM-Mitglied Oda Lade nutzt die Gelegenheit für ein Erinnerungsfoto mit Bella Rose. „Dieser Blick hinter die Kulissen hier ist einfach eine unfassbar tolle Gelegenheit. Es ist fast ein bisschen unwirklich, hier mit Isabell Werth durch ihre Stallgasse zu laufen. Das ist wohl der Traum eines jeden Dressurreiters, einmal hier sein zu dürfen. Ich freue mich auch schon sehr darauf, ihr gleich noch beim Training über die Schulter schauen zu dürfen.“
Den Besuchern brennen alle möglichen Fragen – von der Abstammung der Pferde bis hin zum täglichen Training – unter den Nägeln. Und Isabell Werth beantwortet sie alle ausführlich. Doch nicht nur die Hausherrin gibt geduldig Auskunft. Auch Christoph Hess und Madeleine Winter-Schulze haben sich der Besuchergruppe angeschlossen und sind genauso wenig um Antworten verlegen wie das Team aus Bereitern und Pflegern aus dem Stall Werth. Christoph Hess ist voll des Lobes für Isabell Werth, die die Persönlichen Mitglieder der FN direkt nach den Europameisterschaften und trotz ihres übervollen Terminkalenders bestens vorbereitet empfangen hat. „Isabell wollte sich es nicht nehmen lassen, ihre Gäste selber durch die Ställe und ihr Zuhause zu führen. Und man merkt ihr an, dass sie es gerne tut. Egal, welche Fragen ihr gestellt werden, sie beantwortet sie alle. Denn jede Frage hat ihre Berechtigung.”
Neugierig sind die Gäste auch auf die Boxennachbarin von Bella Rose: Olympiasiegerin Weihegold. Mit ihr plant Isabell Werth die Verteidigung des Weltcup-Final-Sieges. Der Einsatz der schicken Schwarzen erfolgt stets auf ihren Zuchteinsatz abgestimmt. In diesem Zusammenhang erläutert Isabell Werth die Zucht mittels Embryonentransfer und schwärmt von Weihegolds Nachkommen, die bereits für viel Furore gesorgt haben. „Madeleine Winter-Schulze besitzt auch einen viel versprechenden dreijährigen Enkel von Weihegold, der derzeit bei der Hengststation Schult stationiert ist. Ich bin gespannt, wie er sich entwickeln wird”, berichtet die Dressurqueen, die dafür bekannt ist, ihre Grand Prix Pferde stets jung auszusuchen und selbst auszubilden.
Blick in die Zukunft
Wie genau die Ausbildung der jungen Pferde bei Isabell Werth vonstattengeht, davon können sich die Gäste im Rahmen des nächsten Programmpunktes überzeugen. In der lichtdurchfluteten Halle, deren kurze Seite komplett verspiegelt ist, werden nun die Nachwuchspferde unter dem Sattel von Isabell Werths Bereitern vorgestellt. Die Chefin selbst kommentiert und unterrichtet unterdessen vom Boden aus.
Dante’s Stern, ein vierjähriger Deckhengst aus dem Landgestüt Neustadt-Dosse, besticht nicht nur durch seine dunkle Jacke, sondern auch durch seine ausdrucksstarken Grundgangarten. Etwas misstrauisch beäugt er anfangs die für ihn ungewohnten Zuschauer, doch dann konzentriert er sich auf Bereiterin Anna Weilert. Konzentration ist aber auch von den Gästen an der Bande gefordert, denn wenn Isabell Werth ihren Angestellten Unterricht gibt, erfolgen die Kommandos Schlag auf Schlag. Jede Bewegung des Pferdes wird analysiert, die Hilfengebung bis ins letzte Detail korrigiert. Dem Auge der Dressurikone entgeht nichts und ihr – vom Mikrophon verstärktes – Schnalzen hallt elektrisierend durch die Halle. „Da ich kein Freud davon bin, das Deckgeschäft mit dem Sport zu vermischen, lassen wir diesem Hengst in der Ausbildung deutlich mehr Zeit. Auch wenn er wirklich die Qualität für das Bundeschampionat besitzt, würde eine Teilnahme zu sehr an die Substanz gehen“, erklärt die Ausbilderin. „Da arbeiten wir lieber den Winter über an Grundlagen und an der Durchlässigkeit“, verdeutlicht Isabell Werth mögliche Knackpunkte in der Ausbildung.
Doch nicht nur Unterricht auf höchstem Niveau wird den Zuschauern geboten – auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Die Mutter von Isabell Werth und Mäzenin Madeleine Winter-Schulze sorgen dafür, dass alle Besucher bestens mit Kaffee und Kuchen versorgt sind. Dabei wird natürlich auch Isabell Werth selbst nicht vergessen: Immer wieder läuft „Mado“ mit einem Getränk zu Isabell in die Mitte der Halle.
Wie schon beim Rundgang durch die Stallungen spürt man deutlich, dass Teamarbeit im Stall Werth großgeschrieben wird. Dabei ist das Verhältnis von Reiterin und Mäzenin viel mehr als eine Zweckgemeinschaft. Denn Madeleine Winter-Schulze ist nicht nur auf jedem großen Turnier dabei, sondern verbringt auch viel Zeit in Rheinberg. „Immer, wenn ich mich so richtig entspannen und glücklich sein will, dann komme ich hier her”, verrät die 78-Jährige lächelnd. „Isabell sagt immer, dass ich zur Familie gehöre – und genauso fühlt es sich auch an!” Die Liste der Pferde, die Madeleine Winter-Schulze für Isabell Werth gekauft hat, ist lang. Und auch einer der Dressurstars von morgen, die heute gezeigt werden, gehört ihr.
Inzwischen trabt der nächste Youngster, ein Van Vivaldi-Nachkomme aus dem Besitz von Viktoria Max Theurer, mit Bereiterin Lisa Wernitzig durch die Halle. „Dieser Fuchs hat eine herrliche Silhouette und ich bin wirklich von seinem Potenzial überzeugt“, beteuert Werth und versucht dem Publikum ihre Vision zu beschreiben, wie das Pferd sich entwickeln wird. Genau das ist es, was Isabell Werth von vielen anderen unterscheidet. Sie erkennt in einem Dreijährigen viel mehr als nur ein gewisses Talent.
Wie der Weg in die schwere Klasse aussieht und sich der Schwierigkeitsgrad der Lektionen steigert, demonstriert Bereiter Niklaas Feilzer mit Leo Löwenherz. Der bunte Fuchs ist bereits S-siegreich. Unter dem kritischen Blick von Isabell Werth arbeitet Feilzer mit ihm an Feinheiten, präsentiert Galopppirouetten und Traversalen. Und auch wenn sich die Instruktionen an ihre Bereiter mit den passenden Erläuterungen für das Publikum abwechseln, gibt es Momente, da scheint Isabell Werth fast zu vergessen, dass Zuschauer da sind und geht völlig im Unterrichten auf. Gerade wenn ihre Paradelektion, die Traversale, auf dem Programm steht, wirken ihre „kleinen Zaubertricks“ wahre Wunder.
Beim nächsten Pferd wird Isabell Werths Kommentierung durch Christoph Hess ergänzt, der die Nachwuchspferde aus Richterperspektive beurteilt. „Da lacht doch das Richterherz“, freut er sich, als er den raumgreifenden Schritt von Don Royal beobachtet. „Mein Augenmerk liegt ausbildungstechnisch ganz klar auf der kleinen Tour oder dem Grand Prix, nicht auf der Teilnahme am Bundeschampionat”, verdeutlicht die Erfolgsreiterin ihre Ausbildungsphilosophie. „Oft befinden sich meine Youngster in jungen Jahren deswegen ‚zwischen den Welten‘. Es ist mir bedeutend wichtiger, erst einen fliegenden Wechsel zu üben, als die Pferde völlig festgefahren im Außengalopp zu arbeiten.” Mit der Zeit gewinnt der junge Hengst im Rahmen der Präsentation an Sicherheit und Isabell Werth ist begeistert: „Wer will, kann sich schon in meine Gedanken einfinden, wie das Pferd später mal aussieht. Obwohl er keine Zuschauer kennt, kommt er in der Arbeit richtig in Wallungen. Das wird später wichtig sein, denn man braucht einen Kämpfer im Viereck.”
Diese Charaktereigenschaft besitzt auch das Pferd, welches den reitpraktischen Teil des Tages beschließt: Der westfälisch gezogene Hengst Quotenkönig konnte mit seinem Reiter Niklaas Feilzer in dieser Saison schon zweimal in den Qualifikationen des Louisdor-Preises, einer Turnierserie für junge Grand Prix Pferde, punkten. Runde um Runde läuft Isabell Werth neben dem schicken Dunkelfuchs her und erläutert detailliert die Schwierigkeiten bei Piaffe und Passage. „Durch meine Arbeit mit dem spanischen Dressurreiter José Antonia Garcia Mena habe ich vor einigen Jahren noch einmal einen ganz anderen Zugang zu Piaffe und Passage erhalten. Ganz wichtig ist es, diese Lektionen aus der Ruhe und nicht aus der Spannung heraus zu erarbeiten.” Am Ende der Trainingseinheit klopft Isabell Werth ausgiebig Quotenkönigs Hals und Niklaas Feilzer verlässt mit dem Hengst am langen Zügel die Bahn.
Vier Beine tragen meine Seele
Für die meisten der Gäste ist der „Isabell Werth“-Tag jedoch noch nicht vorbei. Denn viele von ihnen bleiben noch zur anschließenden Gesprächsrunde, die von Christoph Hess moderiert wird. Hier lässt Isabell Werth Revue passieren, wie sie den Sprung in den großen Sport schaffte. An die Wand wird ein Schwarz-Weiß-Foto von ihr und Mandras projiziert, mit dem sie ihre erste S-Dressur gewann. Lang ist es her und seitdem haben sich S-Siege, Titel und Medaillen geradezu angehäuft, Isabell Werth ist im Laufe der Zeit zur erfolgreichsten Reiterin der Welt gekürt worden. Da braucht es schon reichlich Fantasie, um sich vorzustellen, dass sie als Kind in jeder Springstunde mindestens zweimal von ihrem Pony Funny fiel. Doch Isabell Werth lässt kein Missgeschick aus und erzählt von amüsanten Stürzen sowie von nicht ganz so glimpflichen Verletzungen. So ist für gute Stimmung und beste Unterhaltung gesorgt, während die Dressurreiterin sich nochmal von einer ganz anderen Seite zeigt. Eine Seite, die sie auch in ihrer Biographie “Vier Beine tragen meine Seele” offenbart, die sie zusammen mit der Sportjournalistin Evi Simeoni schrieb.
„Es ist ein Wunder, dass dieses Buch überhaupt fertig geworden ist, da Isabell ja eigentlich gar keine Zeit hat”, betont Evi Simeoni, die für die Erstellung jeden Dienstag um 18 Uhr für eine Stunde mit Isabell Werth telefoniert hat. Diese 17 Interviews bildeten schließlich die Grundlage des Buches. „Die Geschichten sind einfach nur so aus Isabell herausgesprudelt. Es war für uns beide eine unheimlich emotionale Zeit. All diese Erlebnisse so vorüberziehen zu lassen, hat uns manchmal auch etwas mitgenommen. Mich beim Zuhören und sie beim Erzählen.”
„Mein Leben Revue passieren zu lassen war für uns sehr spannend und berührend, teilweise auch sehr emotional.”
Isabell Werth
“Irgendwann haben wir die Gespräche gar nicht mehr Interviews, sondern Sitzungen genannt”, ergänzt Isabell Werth schmunzelnd. „Aber als wir am Ende angelangt waren, fehlte richtig was. Mein Leben Revue passieren zu lassen war für uns sehr spannend und berührend, teilweise auch sehr emotional. Evi und ich haben diese 30 Jahre zwar zusammen erlebt, aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Entsprechend haben wir sie natürlich auch unterschiedlich empfunden. Das Großartige war eigentlich, dass jeder wusste, wovon er sprach oder wovon der andere erzählte. Die unterschiedlichen Eindrücke zusammenzubringen war schon sehr spannend”, betont Isabell Werth, während sie ihre Lesebrille zückt. Abwechselnd mit Evi Simeoni liest sie schließlich Passagen aus ihrer Biographie vor und lässt die Zuhörer in die Zeit eintauchen, in der sie anfing, die Pferde von Dr. Uwe Schulten-Baumer zu reiten. Obwohl für Isabell Werth damals sportlich gesehen ein großer Traum in Erfüllung ging, war es keine einfache Zeit.
Doch nicht nur in der Vergangenheit kam es zum Umbruch, sondern auch auf der Bühne wechseln die Akteure. Mäzenin Madeleine Winter-Schulze übernimmt den Platz von Evi Simeoni, die sich schnell auf den Weg nach Luhmühlen macht, um über die Europameisterschaften im Vielseitigkeitsreiten zu berichten. Madeleine Winter-Schulze, selbst einst Deutsche Meisterin in der Dressur wie im Springreiten, erzählt, wie die Partnerschaft mit Isabell, die längst zu einer tiefen Freundschaft gewachsen ist, begonnen hat. „Als ich als Equipe-Chefin der deutschen Mannschaft Isabell Werth kennengelernt habe, ist der Funken direkt übergesprungen und wir haben uns fantastisch verstanden.” Madeleine ist nicht nur sportlich, sondern auch menschlich von Isabell begeistert und unterstützt sie, als sie sich selbstständig machen möchte. Sie wird die neue Mäzenin von Isabell und kauft dem „Doktor“ mehrere Pferde ab. Isabell zieht für einige Zeit zu Madeleine auf den Hof, spätestens seither sind die Beiden quasi unzertrennlich. „Die ganze Familie Werth ist, nachdem mein Mann starb, zu meiner Familie geworden und ich fühle mich dort wunderbar aufgehoben. Es gibt keinen Gefallen und keine Freude, die ich für Isabell nicht tun würde”, beteuert Madeleine Winter-Schulze sichtlich bewegt.
„Es gibt mir nicht nur eine unglaubliche Sicherheit, sondern auch Freiheit, jemanden wie Madeleine an meiner Seite zu haben. Ich kann mich zu 100 Prozent auf das konzentrieren, was ich erstens am besten kann und zweitens am liebsten mache: junge Pferde aussuchen und ausbilden.”
Isabell Werth
Und auch Isabell Werth kommt ins Schwärmen, wenn sie über ihre Mäzenin und Freundin spricht: „Es gibt mir nicht nur eine unglaubliche Sicherheit, sondern auch Freiheit, jemanden wie Madeleine an meiner Seite zu haben. Ich kann mich zu 100 Prozent auf das konzentrieren, was ich erstens am besten kann und zweitens am liebsten mache: junge Pferde aussuchen und ausbilden. Ich muss nie Sorge haben, dass ein Pferd verkauft wird. Es ist einfach unheimlich beeindruckend, wie Madeleine diesen Sport lebt und wie sie mich unterstützt. Das ist außergewöhnlich und ich bin mir dieser privilegierten Situation sehr bewusst. Und ich weiß auch, dass ich ohne sie nicht in dieser Form arbeiten könnte und längst nicht so erfolgreich wäre.”
Die Abendveranstaltung ist ein kurzweiliger Wechsel zwischen amüsanten Anekdoten von Isabell Werth und Auszügen aus ihrer Biographie. Diese birgt nicht nur fesselnde Berichte von vergangenen Championaten sowie Charakterstudien von Isabell Werths Erfolgspferden, sondern gibt auch Einblicke in das Leben einer Ausnahmesportlerin, die die Dressurszene prägt, wie keine andere. Wer das Buch noch nicht gelesen hat, sollte es unbedingt noch tun!