Sie hat es wieder einmal geschafft – Isabell Werth hat bei den Olympischen Spielen von Paris Geschichte geschrieben. Unzählige Rekorde hat die Dressurqueen aus Rheinberg in ihrer Karriere aufgestellt, zahlreiche Medaillen gesammelt und doch gab es in der Dressurwelt noch bis hin zur Deutschen Meisterschaft stimmen, man wäre sich nicht sicher ob Werth überhaupt einen Platz in der deutschen Mannschaft ergattern könne. Sie konnte – und wie.
Im Januar übernahm sie Wendy de Fontaine von Andreas Helgstrand. Ein Pferd, bereits ausgebildet bis zum Grand Prix und bekannt für ihre gute Grundqualität. Was für ein Diamant da aber schlummerte wurde den Meisten erst unter Isabell Werth klar. In kürzester Zeit schaffte sie es, sich auf die Stute einzustellen und sie optimal kennen zu lernen. „Am Anfang ging es dabei ja um ganz banale Kleinigkeiten im Alltag. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass viel lieber Bananen als Äpfel frisst“, plauderte Werth noch beim CHIO Aachen aus dem Nähkästchen. Die zehnjährige Stute war dritte bei den Weltmeisterschaften der Jungen Dressurpferde und wurde dann in Dänemark bis zur Grand Prix Reife gefördert. Im Januar diesen Jahres zog sie nach Rheinberg und im Februar stellte Werth sie in Le Mans zum ersten Mal auf einem internationalen Turnier vor. Mit den Olympischen Spielen im Visier ging es hier vor allem um entsprechende Qualifikationsergebnisse und ein Kennenlernen auch in Prüfungssituationen. Das Paar gewann sowohl den Grand Prix, als auch den Spezial. Und seitdem geht es steil bergauf. Auch wenn die Ergebnisse die Skeptiker an einer Medaillenchance zunächst zweifeln ließen – die Fans waren von Beginn an begeistert – rangierte das Paar bei allen Auftritten an erster oder zweiter Stelle. Bewusst sparsam eingesetzt ging Wendy nach Le Mans noch Prüfungen in Aachen und Mannheim und sollte sich dann eigentlich zum ersten Mal im Rahmen der Deutschen Meisterschaften beweisen. Doch die Stute verletzte sich leicht auf dem Paddock und ging dort nicht an den Start. Stattdessen fuhr Werth mit ihr eine Woche später nach Rotterdam und wurde nach dem guten Eindruck dort anstatt DSP Quantaz für den Nationenpreis in Aachen nominiert. In Aachen kamen dann keine Zweifel mehr auf, ob Werth und Wendy einen Platz in der deutschen Olympiamannschaft verdient haben, oder nicht. Der Kürauftritt der Beiden riss die Zuschauer schon während der Prüfung von den Sitzen und selten wurde ein Paar so gefeiert wie diese Beiden. Der Weg nach Paris, genauer gesagt nach Versailles, war damit frei und nach einem guten Grand Prix und Mannschaftsgold ging es dann heute in die Kür. Vor der Schlosskulisse tanzten die Beiden zur eigens komponierten Musik. Das Protokoll wies am Ende für fast jede Lektion mindestens eine Acht, oft auch mehrere Neunen auf. Einzige Ausnahme waren die Einerwechsel und der versammelte Schritt. Die Harmonie zwischen Isabell Werth und Wendy de Fontaine bewertete jeder Richter mindestens mit einer 9,5 und auch eine 10,0 war hier vertreten. Weitere Zehnen sammelte das Paar für die Choreografie und die Musik. Dass die Musik auch der Reiterin selbst mehr als gut gefällt, konnte man bereits während der Vorstellung sehen. Werth hatte besonders auf der Schlusslinie so viel Spaß, dass sie anfing mitzusingen. Ein starker Auftritt, der mit nur 0,479 Prozent Rückstand auf die Siegerin am Ende die Silbermedaille bedeutete. Die bisherige Kür-Durchschnittsnote des Pferdes lag bei 81,4 Prozent, die von Isabell Werth bei 82,9 Prozent. Bereits in Aachen lieferten Wendy und Werth mit 89,095 Prozent bereits auf ganzer Linie ab. Heute konnten sie das Ergebnis trotz Fehler mit 89,614 Prozent noch einmal toppen. Dekoriert mit der Silbermedaille war Isabell Werth am Ende erneut voll des Lobes für dieses besondere Pferd. Mit ihren zehn Jahren steht Wendy de Fontaine erst am Beginn ihrer Karriere und ihre Fans dürfen sich sicherlich auf die nächsten Auftritte freuen.
Gold sicherten sich Jessica von Bredow-Werndl und Dalera. Nachdem die Beiden die gestrige Mannschaftsentscheidung mit untypischen Fehlern noch mehr als spannend gemacht haben, behielten sie heute die Nerven und tanzten – wenn auch denkbar knapp – zum Sieg. Die Reiterin aus Bayern setzte musikalisch auf französische Chansons. Das motivierte das Publikum am Ende der Kür zum Mitklatschen. Als Dalera dies mit zu viel Go nach vorne beantwortete hörten die fachkundigen Zuschauer aber sofort wieder auf und ließen die Beiden ihren Tanz erst zu Ende bringen, bevor sie dann für Gold gefeiert wurden. 90,093 Prozent bedeuteten Platz eins. Damit überboten sie ihre Durchschnittsprozentzahl, die in der Kür 89,6 Prozent bei Dalera und bei 82 Prozent bei Jessica von Bredow-Werndl liegt. Die 17jährige Stute wird nach diesem olympischen Triumph laut ihrer Reiterin jetzt auf eine kleine Abschiedstournee gehen, bevor sie dann im nächsten Jahr gedeckt werden soll.
Bronze gewannen Charlotte Fry und Glamourdale. Die amtierenden Weltmeister wissen wie sie die Richter und die Zuschauer in einer Kür mitreißen können. Der imposante Hengst präsentierte sich voll fokussiert auf seine Reiterin und die verstand es die Stärken des Rappen entsprechend herauszuarbeiten. 88,971 Prozent standen am Ende auf der Anzeigetafel. Dass den Beiden das Kürreiten liegt, sieht man auch an der bisher erreichten Durchschnittsbewertung. Bei Glamourdale liegt diese bei 88,9 Prozent. Charlotte Fry, die ja auch mit anderen Pferden erfolgreich auf internationalem Niveau unterwegs ist, liegt die durchschnittliche Kürbewertung bei 74,8 Prozent.
Die Zuschauer zeigten sich vom ersten bis zum letzten Starter begeistert von den Darbietungen. Und neben den bekannten Größen des Sports konnten sich auch die Reiter auf den weiteren Rängen überzeugend präsentieren.
Fotos: FEI/Benjamin Clark