
Die Europameisterschaften der Springreiter 2025 sind entschieden. Es wurde quasi ein Start-Ziel-Sieg für Richard Vogel und United Touch S. Es gab erneut überdurchschnittlich viele Null-Fehler-Ritte, aber eben auch überdurchschnittlich gute Paare. Leider gehörten zwei der vier deutschen Mannschaftsreiter heute nicht zu den glücklichen Null-Fehler-Paaren. Aber auch sie waren zufrieden mit dem Abschluss ihrer EM.
Waren die Parcours zu einfach oder die Paare einfach so gut? Diese Frage stellte man sich, als die EM-Woche in La Coruña voranschritt und so viele Paare auf jede Frage, die Parcourschef Santiago Varela stellte, die passende Antwort hatten. Aber es gab eben auch solche, die diese nicht hatten. Richard Vogel und United Touch S gehörten definitiv nicht dazu.
Die Goldjungs Vogel und United Touch S

Es war gewissermaßen ein Start-Ziel-Sieg für Vogel und United Touch S. Zwar waren sie nach dem Zeitspringen noch Zweite hinter dem irischen Einzelpaar Daniel Coyle und Legacy, aber da Coyle zurückgezogen hatte, weil seine Stute sich nicht 100 Prozent fit anfühlte, war der Weg für Vogel frei. Das einzige, was ihm und seinem Hengst auf dem Weg zum Titel im Weg stand, waren vier weitere Championatskurse. Diesem Druck standzuhalten und sich keinen einzigen Fehler zu leisten, ist den beiden gelungen. Aber Vogel sagt auch ganz klar, ein Pferd wie United Touch S macht einem das Leben deutlich leichter. „Dank United hat’s einfach ausgesehen. Er ist einfach ein abnormales Pferd.“
Zweimal klapperte es im zweiten Umlauf der Einzelentscheidung auf der letzten Linie auf dem Weg zum Titel. Aber das Glück war heute mit den Tüchtigen, und die Stangen blieben liegen. Als sie durchs Ziel galoppierten, waren Vogel und der 13-jährige westfälische Untouched-Sohn aus der Zucht und im Besitz von Julius-Peter Sinnack Europameister.
Angesprochen auf seinen fantastischen Hengst, sagte Richard Vogel: „Was soll ich zu United sagen? Jeder der ihn live oder am Fernseher gesehen hat, hat gesehen, wie unglaublich er ist. Ich bin einfach froh, dass ich ihm diese Medaille geben kann, denn er verdient sie.“ Danach gefragt, was ihn zu dem perfekten Reiter gemacht hat, der er heute ist, meinte Vogel sehr bescheiden: „Natürlich brauchen wir ein Pferd wie United. Aber hinter uns steht ein ganzes Dorf, mein Team zuhause, meine Trainer, meine Unterstützer, meine Familie. Wenn man an der Spitze sein will, muss man jedes Detail im Blick haben und das geht nur mit einem Team wie dem meinen.“
Als Richard Vogel vor der Ehrenrunde in den Sattel stieg, nahm er seine Medaille vom Hals und hängte sie seiner Pflegerin Felicia Wallin um. Sie ist eines der wichtigsten Mitglieder des von Vogel angesprochenen Teams. Sie ist Uniteds Bezugsperson, reitet den Hengst ins Gelände, wenn er Turnierpause hat und ist nicht mehr auf allen Turnieren von Vogel mit dabei – aber immer, wenn United Touch S geht. Als das Trio heute zur Siegerehrung einmarschierte, trug sie eine Sonnenbrille. Aus gutem Grund. Vogel stieg ab, bedankte sich mit einer Umarmung bei ihr und wischte ihr zwei Tränen weg – wobei er selbst auch ziemlich angefasst aussah.
Ein weiter Weg liegt hinter ihm vom Jungen, der das Gymnasium zum Entsetzen seiner Familie vor dem Abitur abbrach, weil er nur Reiten wollte, dann die Chance bekam, bei Ludger Beerbaum anzuheuern, hier unter anderem Deutschlands U25-Springpokal dreimal in Folge gewann, aber schon entschieden hatte, dass er etwas eigenes auf die Beine stellen wollte. Nach kurzer Selbstständigkeit nahm David Will Kontakt zu ihm auf und fragte ihn, ob sie sich nicht zusammenschließen wollten. Auf dem Hofgut Dagobertshausen fing alles an. Schließlich schloss sich auch Vogels Partnerin Sophie Hinners dem Unternehmen „VW Equestrian“ an.
Inzwischen sind sie alle auf dem Gestüt Prinzenberg in Pfungstadt tätig, wo David Will seinerzeit seine Ausbildung unter Dietmar Gugler absolviert hatte. Und nun war das Trio bei der EM dabei, fährt mit zwei Bronzemedaillen und dem Einzeltitel heim und Sophie Hinners wurde zudem noch Sechste in der Einzelwertung. Was für eine Reise! Und immer mit dabei: die Schwedin Felicia Wallin, Uniteds Pflegerin, die mit Vogel bei VW Equestrian angefangen hat.
Silber für Scott Brash und die unglaubliche Hello Folie

Zwei Silbermedaillen in Mannschafts- und Einzelwertung gingen an diesem Wochenende an den Briten Scott Brash und die erst zehnjährige Hello Folie, eine Selle Français-Stute v. Luidam, wie alle von Brashs Pferden im Besitz der Ladies Pauline Harris und Pauline Kirkham.
Diese eher kleine, kompakte Fuchsstute hat in jeder Runde für Momente gesorgt, in denen einem kurz die Luft weglieb. Sie attackierte die Hindernisse geradezu, tauchte unmittelbar davor ab, um dann zu explodieren und Sätze herauszuhauen, dass man zwischendurch Sorge hatte, sie würde sich bei der Landung überschlagen. Brash war vor allem damit beschäftigt, sie nicht zu schnell werden zu lassen und so manches Mal klappte es dann nicht mit dem richtigen Absprung. Aber die Stute fand auch aus den unmöglichsten Situationen einen fehlerfreien Ausweg.
„Beim Abreiten hatte ich das Gefühl, sie ist ein bisschen müde“, berichtete der zweifache Mannschaftsolympiasieger später. Davon war im Parcours nichts zu sehen. Gar nichts! Und zu fühlen gewesen sei es ebenfalls nicht, wie Brash bestätigte: „Wenn sie reinkommt, legt sie den Schalter um. Sie hat so viel Kampfgeist, eine unglaubliche Stute!“
Bronze an den vierbeinigen Märchenprinz Nummer 2

United Touch S oder Ermitage Kalone – welchen dieser beiden pferdgewordenen Mädchenträume hätte man lieber im Stall? Ganz schwere Entscheidung! Fakt ist: Beide kehren mit einer Gold- und einer Bronzemedaille heim. Für Ermitage Kalone und seinen belgischen Reiter Gilles Thomas wurde es heute neben dem Titel mit der Mannschaft noch einmal Bronze in der Einzelwertung. Auch sie blieben in allen Springen ohne Abwurf – und der elfjährige Catoki-Sohn ließ jeden einzelnen Parcours aussehen wie das reinste Kinderspiel. Oder wie Dressurarbeit mit Hindernissen. Wenn Thomas zulegen wollte, genügte das feinste Signal und der athletische Fuchs reagierte, das gleiche beim Aufnehmen. Und das alles mit maximal unaufwendigen Hilfen. Das war wirklich Springsport vom Allerfeinsten, der mit zwei Medaillen belohnt wurde!
Thomas sagte, er sei vor allem dankbar für sein Pferd. Dass Ermitage Kalone schon als Youngster alle Blicke auf sich gezogen hatte und immer ein bisschen Druck auf ihnen beiden lastete, habe ihn nie gestört. Im Gegenteil: „Wir beide sind fokussierter, wenn wir Druck haben.“ Während seine beiden Kollegen auf dem Treppchen sich bei ihrem ganzen Team bedankten, galt sein Dank vor allem dem Besitzer seines französischen Hengstes, Joris van Dijck. „Es hat so viele Angebote für ihn gegeben, aber er hat mir vertraut. Diese Medaille ist auch für ihn“, so Thomas.
Perfektes Championatsdebüt

Zweitbestes deutsches Paar dieser Europameisterschaft waren Sophie Hinners und My Prins auf Rang sechs. Auch bei ihnen blieb es bei den 3,21 Strafpunkten aus der ersten Runde. Dass bis Platz zehn alle platzierten Paare maximal einen Zeitfehler aus den vorangegangenen Runden mit ins Finale genommen haben, zeigt deutlich, wie eng der Abstand zwischen den Spitzenpaaren war. Sophie Hinners und My Prins gehören nun zu dieser Spitze dazu. Bei ihrem ersten Championat überhaupt – denn Junioren- und Junge Reiter-EM ist Hinners nie geritten – haben sie allen gezeigt, was in ihnen steckt.
Verwunderlich ist das nicht, denn ihre Klasse und Nervenstärke hatte Hinners bereits beim Weltcup-Finale in Basel bewiesen, wo sie und My Prins Fünfte geworden waren. Aber die Souveränität, mit der sie und der Schimmel, der auch schon mit David Will erfolgreich gewesen war, Runde um Runde zelebrierten, war schon außergewöhnlich.
Versöhnlicher Abschluss
Sowohl Marcus Ehning mit Coolio als auch Christian Kukuk mit Just be Gentle hatten es ebenfalls in Runde A des Einzelfinales geschafft. Wobei Ehning und Coolio ursprünglich nicht zu den Top 25 gehört hatten, aber nachrücken konnten, als andere Reiter verzichteten.
Ehning hatte gleich mehrere gute Gründe, die Chance zu nutzen, auch wenn er wusste, dass er bei dem Startfeld und dem engen Ergebnis mit dem einen Abwurf, den er aus dem zweiten Umlauf des Nationenpreises mitbrachte, kaum eine Chance hatte. „Zum einen finde ich, gehört es sich so bei einem Championat, dass man es auch zu Ende bringt, wenn das Pferd fit ist. Und nach meiner Runde ist es für die anderen mit Sicherheit auch ein Stück einfacher einzuschätzen, wie der Parcours ist“, erklärte er, ganz der erfahrene Teamplayer, der er ist.
Er und Coolio waren als 25. erstes Paar im ersten Umlauf des Einzelfinales. Leider fiel gleich an Hindernis eins eine Stange. Aber von diesem Moment an lief es wieder. War Ehning am Freitag in der Mannschaftsentscheidung mit seinem eigenen Reiten noch unzufrieden gewesen, gelang ihm heute wieder eine perfekte Runde. Zwar hatten sie zusätzlich zu dem Abwurf noch vier Zeitfehler. Aber das war wieder ein Ritt, wie man ihn vom dem Mann aus Borken kennt – stilistisch herausragend und immer ideal aufs Pferd einwirkend.
Ehning später: „Ich bin froh, dass er nach Freitag, wo ich wirklich nicht gut geritten bin, so gesprungen ist.“ Auch der Fehler am ersten Hindernis sei seiner gewesen: „Den habe ich ein bisschen überritten“, analysierte er. „Aber danach war alles sehr gut!“ Und: „Ich bin froh, dass ich die Meisterschaft so zu Ende gebracht habe!“ Schlussendlich waren sie 24.
Ehning war auf dem Abreiteplatz übrigens einer der ersten, der dem neuen Europameister Richard Vogel gratuliert hat.
Viel gelernt
Deutschlands viertes Paar im Einzelfinale waren Christian Kukuk und die elfjährige Tyson-Tochter Just be Gentle, die ebenfalls ihr erstes Championat ging. Ihre ganze Klasse hatte die wunderbare Braune im ersten Umlauf des Nationenpreises bewiesen, als sie trotz einiger Fehler auf Seiten Kukuks, die der selbst als „Black-Out“ bezeichnete, ohne Abwurf ins Ziel sprang. In Runde zwei ist Kukuk deutlich besser geritten, aber ein leichter Fehler passierte dennoch. Heute hatten die beiden offensichtlich wieder ihren Rhythmus gefunden, cruisten sicher durch den Parcours, allerdings einen Hauch zu langsam, ein Zeitfehler, schlussendlich Rang 17.
Kukuk sagte später, ihm sei klar gewesen, dass er mit dem Zeitfehler keine Chance auf das Finale der Top zwölf haben würde. „Selbst ohne Zeitfehler hätte es nicht gereicht unter die besten Zwölf zu kommen. Die Medaillenchance habe ich nicht heute vermasselt, sondern das ist in den beiden Nationenpreisen passiert“, stellte er klar.
Aber das Finale sei für ihn auch dann nicht mehr das Wichtigste gewesen: „Da muss man jetzt einen Haken dran machen. Natürlich bin ich mit meiner Leistung nicht zufrieden in dieser Woche. Aber jetzt muss man auch mal das Positive aus dieser Woche sehen. Und ich finde, dass Just be Gentle einen unglaublichen Job gemacht hat. Ziel war ja auch, ihr Championatserfahrung zu geben, und das haben wir auf jeden Fall erreicht. (…) Ich bin happy, wie sie diese Europameisterschaft abgeschlossen hat!“
Unter anderem habe er diese Woche gelernt, „wie man es nicht macht“, so der Olympiasieger. Was konkret er damit meint? „Am Ende habe ich mich ein bisschen auf Kleinigkeiten versteift und die Lockerheit verloren“, resümierte er. „Ich hab dann überreagiert im Parcours, vor allem in der ersten Runde im Nationenpreis, und habe dann auch die Sicherheit und die Kommunikation verloren und habe dann in überdosiertem Maße eingewirkt auf sie. Das ist sie nicht gewohnt und das bin ich von mir ehrlich gesagt auch nicht gewohnt.“ Wie genau es dazu kommen konnte, das will er im Nachhinein noch einmal analysieren.





