Im Juli dieses Jahres wurde die VIRTUS-Europameisterschaft im Reiten in Großbritannien ausgetragen. VIRTUS ist der Internationale Verband für Sportler mit geistiger Behinderung, der mit diesem Event ein rundum gelungenes Championat organisierte, zu dem zahlreiche Reiterinnen und Reiter angereist waren. Diese hätten zwar auch ihre eigenen Pferde mitbringen können, aufgrund der Einreisebestimmungen für das Vereinigte Königreich gingen jedoch die meisten Teilnehmer auf Fremdpferden ins Rennen um die Medaillen an den Start. So auch Jaycen Schlesinger, ein junger Reiter vom RFV Burscheid-Paffenlöh, der – neben der Deutschen – auch die rheinische Flagge bei den Wettkämpfen vertrat. Der 16-jährige Monheimer hatte sich im Oktober 2023 mit seiner Stute Carry Me Again im Rahmen der Video-Competition von VIRTUS für die Teilnahme qualifiziert. Schon hier konnte er sich mit dem Sieg in seiner Gruppe klar empfehlen. Doch auch Jaycen Schlesinger mochte seiner 21-jährigen, vierbeinigen Sportpartnerin die lange Reise nach Großbritannien nicht zumuten und musste sein Talent daher auf einem ihm bisher unbekannten Pferd unter Beweis stellen. Hierzu wurden die Fremdpferde anhand der Videos aus der Video-Competition sowie Angaben zu Größe, Gewicht und Ausbildungsstand der Reiter bereits im Vorfeld zugeordnet. Am ersten Vorbereitungstag hatten dann zunächst die Trainer der Athleten die Möglichkeit, die Pferde Probe zu reiten und zu beurteilen, ob die Zuordnung passt oder ob getauscht werden soll. Marion Hupperts, Mutter und zugleich Trainerin von Jaycen Schlesinger, entschied: Nola ist ein gutes Match für den ambitionierten Nachwuchsreiter, der mit dem Downsyndrom zur Welt kam.
Und sie hatte Recht: Nach zwei weiteren Vorbereitungstagen, an denen sich die Reiterinnen und Reiter mit ihren Pferden vor Ort einfinden konnten, ging es los mit der Teamaufgabe, die Jaycen Schlesinger und Nola sogleich für sich entscheiden konnten. Mit 68,54 Prozent sicherten sich die beiden den Sieg in der Einzelwertung und verhalfen außerdem der deutschen Mannschaft auf den zweiten Platz in der Teamwertung. Doch damit nicht genug: Dieses Ergebnis war auch die neue persönliche Bestleistung für den jungen Rheinländer. Am zweiten Prüfungstag galt es, die Einzelaufgabe zu absolvieren, in der Jaycen Schlesinger erneut das Maß aller Dinge war. Mit 67,53 Prozent sicherte er sich den Titel des Europameisters 2024 bei der VIRTUS-Europameisterschaft! Nach diesem tollen Erfolg freut er sich natürlich umso mehr auf die kommenden Sportevents, die der Verband für Sportler mit geistiger Behinderung ausrichten wird. 2025 steht die Weltmeisterschaft im englischen Hartpury auf dem Programm und 2027 sind die sogenannten Global Games in Ägypten geplant.
Die Teilnahme an solchen Championaten stellt für Jaycen Schlesinger und seine Mitstreiter einerseits eine tolle Chance dar – andererseits ist sie auch mit besonderen Herausforderungen verbunden. Zur Aufregung, die nationale Flagge bei einem so bedeutenden Turnier vertreten zu dürfen, welche wohl jeder Reiter in diesem Moment verspürt, kommt die geistige Beeinträchtigung dazu, die das Absolvieren von Dressuraufgaben im Vergleich um ein Vielfaches komplexer macht. Zudem haben Menschen mit Downsyndrom häufig muskuläre Defizite auszugleichen und sind daher im Sattel besonders beansprucht. Fest steht: Sowohl in Großbritannien als auch zuhause kann sich die Leistung von Jaycen Schlesinger definitiv sehen lassen. Denn dank konsequenten Trainings, seines unermüdlichen Ehrgeizes und großartiger Unterstützung aus seinem Umfeld schafft er es auch immer wieder, sich auf den hiesigen Turnieren gegen Sportler ohne geistige Beeinträchtigungen durchzusetzen.
Fotos: privat, Kevin Sparrow