
Das war ein kurioses Spring-Derby 2025 mit vielen guten Bildern, einem hoch verdienten Sieger, einem Zweiten „aus Versehen“ und einem „Ach, Schade!“-Moment des Rheinländer Derby-Spezialisten.
Lange sah es so aus, als könnten Frederic Tillmann und Comanche im vierten Anlauf das Deutsche Spring-Derby mit einem Abwurf gewinnen. Doch dann kamen doch noch ein Paar das schneller war sowie zwei Null-Fehler-Ritte und die Derby-Spezialisten aus Grevenbroich belegten nach zwei zweiten, einem zwölften und einem vierten Platz wieder Rang vier.
Der Sieger im Deutschen Spring-Derby 2025 heißt André Thieme – zum vierten Mal. Die ersten drei Male hatte sein Nacorde ihn in dem Hamburger Klassiker zum Sieg getragen. Diesmal war es Paule S. Es war ein Sieg, dem eine bis ins kleinste Detail ausgefeilte Planung vorausgegangen war. Das einzige, was nicht nach Plan verlief, war das Stechen. Doch dazu später.
Thiemes Masterplan
Am Anfang dieses Erfolgs stand Thiemes alljährlicher Florida-Aufenthalt über die Wintermonate. Da war Paule S bereits mit dabei und da fiel auch der Entschluss, ihn dieses Jahr wieder fürs Derby vorzubereiten. Nach den Wochen in den USA, wo der elfjährige Perigueux-Sohn unter anderem Teil des zweitplatzierten Nationenpreis-Teams in Ocala gewesen war, bekam er Pause. Die dauerte fast acht Wochen lang, bis er in Hohen Wieschendorf ein Vorbereitungsturnier für das Derby-Wochenende ging. „Ich wusste schon, dass er da noch ein bisschen wild sein würde“, erzählte Thieme. Es galt, Energie für Hamburg zu sparen und gleichzeitig besagte Wildheit etwas abzubauen. Denn Thieme weiß: „Paule ist ein so blütiger Kerl – wenn das Adrenalin erstmal drin ist, kriegt man es nicht mehr raus.“
Aus diesem Grund sparte er sich den Großen Preis in Hohen Wieschendorf und fuhr stattdessen auf die ehemalige Anlage von Carsten-Otto Nagel. Der hatte sich dort seinerzeit einen Derby-Trainingsparcours angelegt. Hier haben Thieme und Paule S sich „ganz in Ruhe“ auf dieses Wochenende vorbereitet.
Und auch hier in Hamburg verfolgte der Europameister von 2021 und Sieger im Großen Preis von Aachen 2024 einen genau ausgeklügelten Plan. In der ersten Qualifikation am Mittwoch war das Paar fehlerfrei, aber Thieme ritt bewusst überhaupt nicht auf Zeit, weil – nun ja, eben wegen des Adrenalins. Um nicht zu riskieren, dass Paule doch noch in den Rausch der Geschwindigkeit gerät, sparte Thieme sich die zweite Qualifikation. Ein Risiko, denn sicher sein, dass seine Punkte aus der ersten Qualifikation reichen würden, konnte er nicht. Doch der Mut zum Risiko zahlte sich aus, ebenso wie der Plan.
Es war eine Traumrunde, die Thieme und Paule S im ersten Umlauf auf den Hamburger Rasen zauberten. Fehlerfrei, ja, aber es war vor allem das Wie. Thieme: „Ich reite ihn ohne Sporen. Ich sitze da nur drauf und sage: ,Bleib ruhig, Junge! Bleib ruhig, Junge!‘ Wie er dann mit den Anforderungen spielt, das ist ein ganz tolles Gefühl!“ So sicherten sie sich als zweites Paar ihren Platz im Stechen.
Der Stilist aus dem Busch
Manch einer mag sich verwundert die Augen gerieben haben, als er den Namen Esteban Benitez Valle auf der Starterliste gelesen hat. Tatsächlich ist der Spanier eigentlich Vielseitigkeitsreiter. Den Contendro-Sohn C the Stars hat sich von Stephan Dubsky ausgeliehen, der zwar auch im Busch zuhause ist, aber in den Vorjahren ein regelmäßiger Teilnehmer am Hamburger Spring-Derby war. Vor sechs Wochen hatten Esteban und Dubsky begonnen, zusammen mit C the Stars die Derby-Hindernisse zu trainieren. Zwar kennt der elfjährige Holsteiner die bereits, schließlich war er letztes Jahr hier schon Achter mit Dubsky, aber sein Reiter eben noch nicht.
Doch für einen Vielseitigkeitsreiter sind Naturhindernisse naturgemäß kein größeres Problem. Normalerweise jedenfalls. „Ich hatte ein bisschen Angst vor dem Wall“, verriet Benitez Valle. „In der zweiten Qualifikation ist er da ein bisschen schnell herunter. Ich habe ,Brrr‘ gesagt, aber hat nicht geantwortet. Heute hat er geantwortet“, so sein persönliches Wall-Erlebnis bei der Derby-Premiere. Was die Zuschauer gesehen haben, war vor allem eins: ein gefühlvoller Reiter, der immer mit dem Pferd war und den Derby-Parcours wie ein Seilspringen aussehen ließ. Fazit: null Fehler, ebenfalls qualifiziert fürs Stechen.
Die Flagge der Entscheidung
Im Stechen musste Benitez Valle dann als erster in den Parcours, leistete sich einen Abwurf. Das war aber nicht das Problem. Der Grund, dass in der Ergebnisliste ein EL für „eliminated“ steht, ist, dass Benitez Valle eine Fahne hätte umrunden müssen, das aber versäumt hat. Warum das auf keinem Turnier der Welt ein Problem ist, nur in Hamburg ist schnell beantwortet: Anders als auf allen anderen Turnieren gibt es sie, also muss sie beachtet werden. Im Normalparcours wusste Benitez Valle das und hielt sich dran. Dass er die Formalität auch im Stechen zu beachten hat, hatte ihm niemand gesagt. Somit war der Weg für André Thieme frei.
Der musste nur noch ins Ziel kommen, riskierte nichts, kassierte acht Strafpunkte (vier für Zeit, vier für einen Abwurf) und stand als Sieger fest. Schade für Esteban Benitez Valle, aber er hat sich an diesem Sonntag auf jeden Fall in die Herzen der Zuschauer gesprungen. Sein Traum ist es, künftig auch Springpferde in Beritt zu nehmen. Welcher Besitzer auch immer nun auf der Suche nach einem Reiter ist – hier ist einer, der es mit viel Gefühl macht!
Enttäuscht war er kein bisschen: „Ich habe das nicht erwartet““, resümierte ein immer noch etwas ungläubiger Zweitplatzierter“, erklärte er, immer noch etwas fassungslos über den sofortigen Erfolg. „Es war mein erstes Mal im Hamburger Derby. Ich wollte es nur genießen und eine gute Runde drehen.“ Demnach hatte er sein Ziel nicht nur erreicht, sondern übererfüllt.
Rang drei nach Luxemburg
Über Rang drei dank des schnellsten Vier-Fehler-Ritts im Umlauf konnte sich der Luxemburger Charles Hubert Chiche mit Andain du Thalie freuen. Der war unter seinem vorherigen Reiter schon einmal Zweiter im Derby von La Baule gewesen. Als er Anfang des Jahres zu Chiche kam und der das Vermögen des französischen Calvaro F.C.-Sohnes gepaart mit der tollen Einstellung kennenlernte, wusste er: Das ist ein Pferd für Hamburg. Gedacht, gemacht und nun Dritter über den schwierigsten Parcours der Welt.
Von Hamburg nach Aachen
Nachdem seine Europameisterin und Aachen-Siegerin Chakaria sich leicht verletzt hat und pausiert, plant Thieme mit Paule S für den Großen Preis von Aachen, für den er als Vorjahressieger bereits qualifiziert ist. „Ich weiß nicht, wann ein Pferd zuletzt das Derby gegangen und dann im Großen Preis von Aachen gesprungen ist“, schmunzelt er. Wahrscheinlich zu Meteors und Hallas Zeiten.
Alle Ergebnisse des Spring-Derbys finden Sie hier.
Noch mehr rheinischer Parcourserfolg

Der vierte Platz von Frederic Tillmann war nicht die einzige Schleife aus dem Hamburger Parcours, die ihren Weg ins Rheinland gefunden hat. Begonnen hatte der abschließende Sonntag mit der Amateur-Tour. Die schwerste der drei Prüfungen war das S-Zeitspringen. Hier konnte sich die Kölnerin Melina Savvidis dank einer Null-Fehler-Runde mit ihrem KWPN-Wallach Horatio einen tollen zweiten Platz sichern.