
Auf die Besetzung des Treppchens beim Kürfinale im Rahmen der diesjährigen Deutschen Meisterschaften hätte im Vorfeld sicherlich nicht jeder gewettet. In Abwesenheit der beiden Favoriten Wendy und Bluetooth, die vom Dressurausschuss Dispens für diese Prüfung erhalten haben, konnten andere Paare die Zuschauer und die Richter begeistern.

Als Fendi und Sönke Rothenberger 2022 in der Frankfurter Festhalle das Louisdor-Finale gewannen, wurde der Wallach in der Fachwelt als eines der Pferde gehandelt, welches die Weltspitze erreichen wird. Bei den Deutschen Meisterschaften 2023 in Balve konnte das Paar den Grand Prix sogar vor Jessica von Bredow Werndl und Dalera gewinnen. „Wenn ich in Fendis Sattel steige, fühle ich mich einfach wohl“, erklärte Rothenberger damals. Im Special wurden sie dann Vize-Meister. Dann war ein wenig der Wurm drin bei den Beiden. Sie wurden zwar beim CHIO in Aachen im Nationenpreisteam eingesetzt, der Wallach fühlte sich aber in der Atmosphäre des großen Stadions nicht ganz wohl und das Paar blieb hinter den Erwartungen zurück. Zur Europameisterschaft wurden sie dann zwar nominiert, eine kleine Verletzung verhinderte aber den Start in Riesenbeck. Und auch der Traum von den Olympischen Spielen in Paris ging nicht in Erfüllung. Immer wieder hatte man das Gefühl, dass der Wallach sein ganzes Potenzial auf dem Viereck nicht entfalten kann. Sönke Rothenberger machte sich viele Gedanken, seinem vierbeinigen Sportpartner mehr Sicherheit auf dem Viereck zu geben. Dieses Jahr sah man schon im Grand Prix in Balve eine deutlich positive Tendenz. Mit zwei Mal Rang sechs startete das Paar ins Geschehen. „Ich freue mich sehr, dass Fendi mir nach einer sehr schwierigen Phase wieder mehr vertraut in der Prüfung. Ich habe am Donnerstag schon gemerkt, da kann was gehen“, so der 30-Jährige.
Am Sonntag setzte Rothenberger dann auf ein altes Erfolgsrezept: Fendi ging die Kür von Cosmo. Damit tanzte er in großen Hufspuren über das Viereck. „Er hat es verdient, dass ich nun ihn zu dieser Musik, die mir sehr viel bedeutet, reite. Wenn der Bass einsetzt, bewegt mich die Musik nach wie vor sehr“, erzählt der Bad Homburger. Mit 81,6 Prozent sicherte sich das Paar den Titel. Der Reiter zeigte sich später erleichtert, dass Fendi ihm nun doch immer mehr auf dem Viereck vertraut und sein Potenzial zur Geltung bringen kann. Insgesamt stellt ihr den Braunen mit einem längeren Zügelmaß und einem zwischenzeitlich deutlich offenem Bein vor. Dies scheint dem Pferd zu helfen, denn er ist konzentriert beim Reiter und die Prüfung mit einigen Highlgihts gespickt. Die neun Zweier- und dann 18 Einerwechsel gelingen gut. Rothenberger traut sich dann auf einer Diagnonalen noch einen Übergang von den Zweierwechseln, direkt in die Einerwechsel. Hier hat das Paar dann einen Fehler. Die Harmonie zwischen Reiter und Pferd wurde von fast allen Richtern mit einer 8,5 bewertet.

Über die Silbermedaille freute sich mit Matthias Alexander Rath der zweite Hesse im Bunde, der 2014 bereits Treppchenerfahrung sammelte, nun aber 11 Jahre wieder darauf hinarbeiten musste, mit einer Medaille nach Hause zu fahren. Im Sattel von Destacado erreichte er 80,25 Prozent. Die Beiden waren zu verschiedenen Filmmusiken im Viereck unterwegs. Während die Zweierwechsel und der starke Schritt die Highlights der Prüfung darstellen, hätte man sich in den Piaffen deutlich mehr Aktivität und echte Versammlung mit entsprechender Hankenbeugung und Unterfußen des Hinterbeins gewünscht.

Ebenfalls in großen Hufspuren waren die Drittplatzierten der Kür unterwegs. Während Isabell Werth quasi ein Dauergast auf dem Treppchen der Deutschen Meisterschaften ist und sich bereits 18 Mal den Titel sichern konnte, hatte Special Blend ein Wochenende der Premieren. Zum ersten Mal ging der Sezuan-Sohn überhaupt bei einer Meisterschaft an den Start und auch sein Einsatz in der Kür war eine Premiere für ihn. Mit Wendy gehörte Isabell Werth ganz klar zu den Titel-Favoriten, sie entschied sich aber in Absprache mit dem Dressurausschuss dafür, dass Wendy nach dem Sieg im Grand Prix Special erst in Aachen wieder an den Start gehen wird. So war der Weg frei für Special Blend. Selbstbewusst kam er ins Viereck und schlug sich trotz seiner geringen Turniererfahrung mehr als wacker. Denn eine eigene Kür hat er noch nicht. Isabell Werth wählte die zu italienischen Klängen durchaus sehr anspruchsvolle Linienführung aus der Kür von Emilio. Damit verlangte sie ihrem Newcomer einiges ab, denn in dieser Kür folgt eine Schwierigkeit auf die Nächste. Special Blend, dessen Charakter Werth nicht müde wird zu loben, nahm die Herausforderung an und man sah ihm kaum an, dass er die Kür zuvor noch nie gegangen war. „Ich bin die Linien heute Morgen einmal im Schritt durchgeritten“, verriet Werth. Die Übergänge von der Passage zur Piaffe und wieder zurück absolviert Special Blend, als wäre dies in der hohen Versammlung ganz leicht. Im starken Trab wirkt er hochmotiviert und mit viel Energie. Kraftvoll trabt er die Diagonale herunter, diese Kraft verliert der Zehnjährige dann in der Piaff-Pirouette ein wenig und wird eng im Hals. In beiden Traversalen verdient der Wallach sich 8ten und sogar 9en im Protokoll. Im Schritt kommt der Wallach nicht zum losgelassenen Schreiten. Dies wirkt sich auf den Übergang in den Galopp aus. Der Galopp selbst wird dann wieder mit viel Ausdruck vorgetragen. Es gelingen neun Zweierwechsel auf gebogener Linie und auch in den 11 Einerwechseln sieht es zunächst aus als hätte Werth ihren Wochenendbann gebrochen. Dann kommt das Paar aber recht steil zum Hufschlag und der „Einer-Fluch“, der für Isabell Werth auf diesem Wochenende lag verwirklichte sich erneut. Danach hat die Kür es dann noch einmal in sich. Aus der Pirouette geht es direkt in die Piaffe, später folgen noch Traversalen in der Passage und eine Piaff-Pirouette. Was Isabell Werth meint, wenn sie über den tollen Charakter und die Arbeitseinstellung von Special Blend schwärmt, sieht man in dieser Kür. Das Pferd ist voll bei seiner Reiterin und man sieht ihm auch in den schwersten Abfolgen an, dass er alles richtigmachen will. Gleichzeitig sieht man aber auch noch die fehlende Erfahrung und Kraft für diese Anforderungen. Zeitweise kann der Rappe sich nicht ausreichend tragen, kommt tief im Genick und wird eng. Seine erfahrene Reiterin unterstützt ihn in der Prüfung routiniert und schnell wird klar: Hier scheint ein weiteres Pferd in die großen Hufspuren seiner Vorgänger zu tragen. In Balve hat Special Blend damit nachhaltig begonnen.