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Blick über den Tellerrand – Western reiten

Wer denkt, dass das Rheinland nur in den klassischen Sparten der Reiterei wie Dressur, Springen, Vielseitigkeit, Voltigieren sowie Fahren Medaillen und Titel sammelt, hat weit gefehlt. Denn im Bergischen Land findet man mit dem Trainingsstall Leckebusch eine der besten Adressen für Westernreiten in Deutschland.

Eine amerikanische Ranch ist normalerweise ein Langstreckenflug und mehre Zeitzonen weit entfernt, es sei denn, man besucht den Trainingsstall Leckebusch in Nümbrecht: Weideflächen soweit das Auge reicht, auf denen zahlreiche Quarter Horses grasen und zwei hochdekorierte Westernreiterinnen im Sattel – wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, dass man sich im mittleren Westen der USA befindet.

Dass die Schwestern Linda Leckebusch-Stark und Caroline Leckebusch in den Ergebnislisten auf Westernturnieren meist ganz oben zu finden sind, kommt nicht von ungefähr, da sie mit dem Westernreiten groß geworden sind. 1984, als Linda Leckebusch-Stark geboren wurde, erfüllten sich ihre Eltern ihren Traum und kauften  das Gestüt in Nümbrecht, um dort Westernpferde zu züchten und auszubilden. „Meine Eltern haben sich damals über das Westernreiten und die Appaloosas kennengelernt, obwohl mein Vater eigentlich aus der klassischen Reiterei kommt. Meine Schwester und ich sind die erste Generation, der es überhaupt möglich war, mit dieser Disziplin groß zu werden“, erzählt Linda Leckebusch-Stark. Erst seit 1978 ist der Westernsport in Deutschland in der EWU, der Ersten Westernreiter Union Deutschland e.V. organisiert und befindet sich inzwischen unter dem Dach der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.  

Das Konzept der Familie Leckebusch traf genau den richtigen Nerv und das Geschäft boomte. Da die Nachfrage in den 90er Jahren größer war als das, was der deutsche Markt hergeben konnte, importierte Familie Leckebusch insgesamt über 1.500 Pferde aus den Staaten: „Wir waren in Deutschland einer der größten Importeure und Verkäufer von American Quarter Horses und sind regelmäßig nach Texas, Oklahoma, Wisconsin, Minnesota und Iowa geflogen, um dort Pferde einzukaufen.“, erklärt Linda Leckebusch-Stark, die ihre Eltern begleitet hat, seitdem sie sieben Jahre ist.

Fast 40 Jahre nach dem Kauf des Gestüts wird der Trainingsstall Leckebusch immer noch seiner Vorreiter-Rolle gerecht und ist einer der größten Betriebe für Westernreiten in Deutschland. Um die 100 Pferde sind auf der Anlage unterbracht, wofür man sehr viel Platz benötigt: „Wir besitzen 90 Hektar Land, weswegen wir auch so erfolgreich in der Zucht und Aufzucht sind, denn unsere Pferde laufen immer auf sehr großen Weiden mit fettem Gras. Das ist die artgerechteste Aufzucht für Pferde, die es gibt. Bewegung und Futter, so viel sie wollen“, bekräftigt die Westernreiterin.

Linda Leckebusch mit ihrer Zuchtstute Ebony und Fohlen im Jahr 2020. Foto: Jasmin Ziegler

Das Gestüt mit allen Belangen der Zucht wird von Mutter Petra Roth-Leckebusch betrieben. Die Pferdewirtschaftsmeisterin ist EWU Trainerin B und anerkannte Landwirtin, die im Laufe ihrer Karriere schon 45 Auszubildende erfolgreich zur Prüfung begleitet hat. Zudem hat Petra Roth-Leckebusch den ersten Band der FN-Westernreitlehre verfasst und gerade das fortführende Praxishandbuch Westernreiten veröffentlicht. Darüber hinaus war Petra Roth-Leckebusch im Ausschuss der FN federführend dafür verantwortlich, dass der Beruf Pferdewirt für Westernreiten eingeführt wurde. Tochter Linda war 2020 eine der ersten, die die Prüfung zur Pferdewirtschaftsmeisterin mit Schwerpunkt Westernreiten erfolgreich ablegte.

Erfolgreicher Zuchtbetrieb

Neben den erfolgreichen Bemühungen von Petra Roth Leckebusch, das Westernreiten in Deutschland zu etablieren, ist ihre Zucht weit über dessen Grenzen bekannt. Ihre Pferde – gut zu erkennen mit der Abkürzung TL für Trainingsstall Leckebusch – werden europaweit verkauft. Hauptsächlich handelt es sich um American Quarter Horses, aber auch Paint Horses und Appaloosas werden für die Disziplinen Reining, Cowhorse und Pleasure gezüchtet und ausgebildet. Familie Leckebusch besitzt eigene Deckhengste, züchtet aber auch mit amerikanischen Hengsten per TG. „Unser Zuchtziel ist ein gutes, solides Gebrauchspferd, das körperlich und mental belastbar ist und seinem Reiter lange Freude bereitet. Und da der größte Genpool in der American Quarter Horse-Zucht liegt, konzentrieren wir uns überwiegend auf diese Rasse“, erläutert Linda Leckebusch-Stark.

Mit über 4,6 Millionen eingetragenen Pferden in 77 Ländern ist das American Quarter Horse die zahlenmäßig größte Pferderasse der Welt. Es verdient seinen Namen der Tatsache, dass es sich um das schnellste Pferd auf der Distanz der ‚Quarter Mile‘, der Viertelmeile, handelt und auf dieser Strecke sogar Vollblüter stehen lässt. Das Hauptstammbuch, die American Quarter Horse Association befindet  sich im texanischen Amarillo, daher müssen auch die Papiere der in Deutschland gezüchteten Quarter Horses über die USA beantragt werden. Die Zucht ist auch außerhalb von Amerika genau geregelt. Alle Zuchttiere – Deckhengste und Zuchtstuten – müssen für ihren Einsatz einen gültigen DNA-Test von der AQHA vorweisen, um Gendefekte aus der Zucht zu eliminieren.

Pferdegerechtes Leben im Trainingsstall

Linda Leckebusch-Stark und ihre Schwester Caroline, die beide den EWU Trainer-Schein A besitzen, führen den Trainingsstall des Betriebes: „Meine Schwester und ich haben jeder unsere eigenen Kunden, aber wir unterstützen uns in allen Belangen und fahren immer als Team aufs Turnier“, erklärt Linda Leckebusch-Stark. Langweilig wird es bei der Familie Leckebusch nicht, denn neben dem Trainingsstall gibt es noch einen normalen Pensionsbetrieb, Zuchtkurse, APU-Lehrgänge und Angebote für Reitabzeichen sowie Trainerscheine. Lehrgänge, bei denen Teilnehmer ihre eigenen Pferde mitnehmen, finden jedoch nur von Mai bis Oktober statt, solange die Weiden offen sind.

Denn obwohl die Anlage für 100 Pferde ausgerichtet ist, gibt es nur 48 Boxen, die aber wenig benutzt werden. „Man sieht bei uns auf dem Hof zwischen Sport und Freizeitpferd keinen Unterschied, denn auch unsere Sportpferde stehen im Offenstall. Es ist wichtig für uns, dass jedes Pferd gleich gehalten und gefördert wird und selbst die Hengste stehen – wenn es geht – mit anderen Pferden zusammen. Wir geben uns größte Mühe, dass unsere Pferde Pferd sein dürfen, egal ob sie im Leistungssport gehen oder nicht. Denn nur, wenn es dem Pferd mental und physisch gut geht, dann kann es auch einen guten Job machen“, so die Westernreiterin. „Wir legen viel Wert auf eine gute, systematische Ausbildung der Vierbeiner. Sie sollen realistisch, mit viel Zeit und Talent ausgebildet werden. Ob sie danach Freizeit- oder Turnierpferd werden, ist anfangs erst einmal egal, denn am Anfang sollten alle Pferde – meiner Meinung nach auch Disziplinübergreifend – gleich geritten werden.“ Erst später unterscheidet sich das Westernreiten von der klassischen Ausbildung: „Wir bilden die Pferde auch in der Vorwärts-Abwärtshaltung aus, behalten diese aber bei, da wir keine Aufrichtung wollen. Unsere Pferde sind dafür auch nicht gezüchtet sind, denn sie haben viel zu tiefe Halsansätze.“

Linda: Linda Leckebusch-Stark hat sich mit Haut und Haar dem Westernreiten verschrieben.
Foto: Sabine Blank

Das Westernreiten ist eine Arbeitsreitweise, die aus der Arbeit mit dem Rind entstanden ist: „Auch heute noch ist unsere Sportart sehr praxisnah. Wir wollen zu einem zügelunabhängigen Reiten kommen und da es sich beim Westernreiten um eine Signalreitweise handelt, lernen die Pferde in der Grundausbildung, die Gangart von selbst beizubehalten.“ Trotzdem lässt Linda Leckebusch-Stark aber auch klassische Ausbildungsmethoden einfließen und longiert am Kappzaum oder arbeitet ihre Pferde über Cavallettis. „Wir setzen auf abwechslungsreiches Training und vertrauensbildende Maßnahmen, damit die Pferde später zufrieden mit dem Reiter zusammenarbeiten. Auchmeine Turnierpferde kann jeder im Geländer ausreiten und galoppieren, so ausgeglichen sind sie.“

Am liebsten bildet die Westernreiterin die selbstgezüchteten Pferde ihrer Mutter aus: „Mein Traumkonstrukt, was mir auch sehr gut gelingt, ist es, die von uns gezüchteten Pferde als Fohlen zu verkaufen, die dann bei uns in der Aufzucht und im Training bleiben. Wir züchten nur noch Pferde, die potenziell als Sportpferde geeignet sind, aber auch an Freizeitreiter verkauft werden können. Generell legen wir den Fokus darauf, dass die Pferde gesund, robust, brav und ausgeglichen sind.“

Kein Konkurrenzkampf auf dem Turnier

Turnierreiten ist Linda Leckebusch-Starks Leidenschaft und ihre über 30 Titel, wie vielfache Rheinlandmeisterin, mehrfache Deutsche Meisterin und Europameisterin in mehreren Verbänden sind der Beleg dafür, dass ihr Trainingsprogramm zum Ziel führt, denn ihre Titel hat sie alle mit selbst ausgebildeten Pferden errungen.

Konkurrenz bekommt sie dabei aber aus der eigenen Familie. „Ich werde oft gefragt, wie es ist, gegen die eigene Schwester zu starten, aber es gibt nichts Schöneres, als von der eigenen Schwester geschlagen zu werden“, erzählt Leckebusch-Stark. Der Turniersport im Westernreiten unterscheidet sich aber in vielerlei Hinsicht von der klassischen Reiterei. „So viele Veranstaltungen wie in Amerika gibt es hier natürlich nicht. Wir starten auf ungefähr acht bis zehn Qualifikationsturnieren und großen Veranstaltung, müssen dafür aber deutlich weiter – teilweise bis Bayern – fahren. Und jedes Jahr richten wir Anfang Juli auf unserer eigenen Anlage ein großes Turnier mit Qualifikationen aus“, erklärt die amtierende Europameisterin im Junior Ranch Riding.

Dabei geht es farbenfroh zu: „Das Turnieroutfit lässt viele Möglichkeiten zu, denn es ist eher ein Verkleiden und ist mittlerweile zu einer richtigen Western-Fashion geworden. Es gibt immer neue Trends, wobei Amerika immer Vorbild und Vorreiter bleiben wird.“ Und die Atmosphäre ist auf Westernturnieren auch anders „Es kommen deutlich weniger Zuschauer als zu den normalen Turnieren, denn bei uns gibt es sehr viele verschiede Disziplinen, die für Laien sehr undurchsichtig sind. Aber es herrscht trotzdem immer eine super Stimmung, denn es darf auch während der Prüfung gejubelt werden und gerade im Reining gibt es eine richtige laute Geräuschkulisse.“

Auch wenn die deutschen Veranstaltungen nicht an die Größe und das Spektakel der amerikanischen Turniere heranreichen, brauchen die deutschen Westernreiter den Vergleich nicht scheuen. „Reiterlich könnte man durchaus mit dem amerikanischen Niveau mithalten, aber das Pferdematerial ist dort sehr viel besser, da 90 Prozent aller Quarter Horses in den USA leben und man dort eine ganz andere Auswahl hat. Wenn man hier ein top Pferd besitzt, hat der Amerikaner zehn davon im Stall stehen. Es gibt dort auch viel größere und bessere Anlagen, die speziell auf das Western reiten ausgelegt sind. Genau wie hier Sponsoren Geld in den Dressur- und Springsport investieren, fließt in Amerika sehr viel Geld in das Westernreiten.“

Der wilde Westen auf dem Vormarsch

„In Deutschland sind wir heute noch die Exoten im Reitsport und Westernreiten hat in Deutschland den gleichen Stellenwert wie Football, der sich nie gegen Fußball durchsetzen wird“, erläutert Linda Leckebusch-Stark. Trotzdem ist Deutschland europaweit das stärkste Land, was Westernreiten betrifft und mittlerweile verzeichnet der Deutsche Verband 10.000 aktive Mitglieder. „Wir haben einen riesigen Zuwachs, gerade im Breitensport. Ich sage immer, ein gut gerittenes Westernpferd ist wie ein E-Bike, denn unsere Pferde sind ausgeglichener und kompakter als Dressur- und Springpferde. Die gut ausgebildeten Westernpferde sind einhändig zu reiten und das ist für den Privatreiter, der nach der Arbeit einfach nur Spaß mit seinem Pferd haben und durchs Gelände reiten will, deutlich entspannter.“

Einer der Stars im Stall: #pmroyaltechnique ist achtfacher Europameister und vierfacher Deutscher Meister. Foto: privat

Und der ‚american way of life’ zieht immer noch viele Europäer in seinen Bann: „Westernreiten ist eine ganz andere Art, mit dem Pferd zu leben und zu arbeiten. Bei uns herrscht immer Ruhe auf dem Hof, denn die Pferde sind sehr entspannt. Es liegt einerseits an der Rasse, aber auch an der Haltung. Viele entscheiden sich aber auch für das Westernreiten, weil sie diesen Lifestyle mögen. Und viele Männer bevorzugen Western, weil sie nicht in Strumpfhosen reiten wollen“, berichtet Linda Leckebusch-Stark schmunzelnd. 

#happyshowhorse

Um noch mehr Pferdenarren für das Westernreiten zu begeistern und mit Vorurteilen aufzuräumen, ist die 37-Jährige auf Social Media sehr präsent: „Ich will demonstrieren, dass wenn man Zeit und Talent hat, die Pferde nicht quälen muss, egal um welches Tier und welche Disziplin es sich handelt. Es ist wichtig, dass wir eine Vorbildfunktion haben und zeigen, wie es gehen kann, anstatt mit dem Finger auf andere Leute zu zeigen. Das ist ein Problem unserer Branche und der Medien, dass hauptsächlich negative Bilder gezeigt werden und kaum positive.“ Zusätzlich ist Linda Leckebusch-Stark auch bei wehorse  vertreten und betreibt den Podcast Pro Horse Talk, bei dem sie sich mit Profis aus der Western-Branche, aber auch mit Größen aus anderen Disziplinen wie beispielsweise Uta Gräf austauscht.

Auch wenn auf dem abgelegenen Hof im Bergischen Land kein Handyempfang möglich ist, gibt es WLAN in der Reithalle und die Westernreiterin wird immer versierter, was die Kameraführung angeht: „Auf Instagram versuche ich – soweit es die Zeit lässt – die Follower an meinem täglichen Training teilhaben zu lassen und kann mittlerweile auch filmen, wenn ich im Gelände mit Handpferd galoppiere. Ich habe den Hashtag #happyshowhorse ins Leben gerufen und will damit zeigen, dass meine Turnierpferde ein normales Pferdeleben führen dürfen, mit allem was dazu gehört – täglicher Weidegang, im Schlamm wälzen und über die Stoppelfelder galoppieren.“

Juliane Körner

Trainingsstall Leckebusch

Wer neugierig geworden ist, kann sich auf der Homepage der Familie Leckebusch ausführlich über das Westernreiten informieren. https://leckebusch.com/

Instagram:  @linda.leckebusch

Podcast: Pro Horse Talk

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