Nur, wenn das Wohlbefinden stimmt, kann auch sportliche Höchstleistung erbracht werden. Daher sind vor allem die Grooms ein ebenso wichtiges wie unverzichtbares Rädchen im Pferdesport. Einer, der seinen Job mit vollem Herzblut lebt, ist Robbie Sanderson, seit einigen Monaten Groom der Familie Maass.
„Pferdepfleger zu sein, ist kein Beruf, es ist eine Berufung“, ist Sanderson überzeugt. Der gebürtige Engländer ist seit den 90er Jahren Pferdepfleger. „Damals kam ich mit einem Dressurstall nach Deutschland und musste mich irgendwann entscheiden: Möchte ich Reiter oder Pfleger sein? Ich habe schnell festgestellt, dass beides so zeitintensiv ist, dass ich, wenn ich es richtig machen wollte, eine Wahl treffen musste.“ Der mittlerweile 55-Jährige entschied sich dafür, dass das für ihn das Vollzeit-Kümmern um die Pferde sein sollte. Dementsprechend hat er auch vor zehn Jahren das letzte Mal auf einem Pferd gesessen. „Das Reiten ist mir gar nicht so wichtig, mir sind die Pferde wichtig. Und die stehen nun mal bei der Pflege absolut im Fokus.“
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Kein Nine-to-Five-Job
Damit entschied sich Sanderson allerdings auch für einen Beruf, der weit entfernt von den üblichen „Nine to Five-Jobs“ ist. „Pferdepfleger ist man rund um die Uhr, dessen muss man sich einfach bewusst sein.“ Vor allem nämlich dann, wenn es auf die Turniere geht und von denen hat Robbie Sanderson schon die größten der Welt gesehen. Er war mit mehreren „seiner“ Pferde bei Olympia sowie bei Welt- und Europameisterschaften. „Jedes einzelne Erlebnis war einmalig und ich war sehr stolz, Teil der Teams zu sein“, betont der Groom. Dabei traf er einige besondere Pferde in seinem Leben – wie den Hengst Blue Horse Zack, der mit dem Dänen Daniel Bachmann Andersen ebenso auf internationalem Parkett höchsterfolgreich war wie Cosmo von Soenke Rothenberger, den er ebenfalls betreute. Seinerzeit ging ein Bild aus der olympischen Siegerehrung um die Welt, als Cosmo seinen Pfleger während der Siegerehrung am Kopf traf, als er stieg. Etwas, das der Engländer seinem Schützling nie übelnahm: „Wie wir Menschen auch, haben auch die Pferde ihre ganz eigenen Charaktere. Gerade die hocherfolgreichen kann man manchmal zwischen Genie und Wahnsinn einordnen“, lacht er. Aber auch die im Umgang eher schwierigen Pferde wusste er immer zu händeln. „Natürlich zeige auch ich Grenzen auf, was ihr Verhalten mir gegenüber angeht. Grundsätzlich dürfen sie aber ganz viel bei mir, es gibt keinen Ärger. Sie sollen sich einfach immer wohl fühlen und so sein dürfen, wie sie eben sind.“
Jeden seiner vierbeinigen Schützlinge kennt Sanderson in- und auswendig. Er merkt sofort, wenn etwas zwickt oder sich Bauchweh anbahnt. „Ich habe sie einfach immer genau im Blick. Für mich hat ihr Wohlbefinden oberste Priorität.“
Familiäres Umfeld in Stall Maas
In seinem aktuellen Stall bei Familie Maass kümmert er sich um die Pferde der erfolgreichen Nachwuchsreiterin Alessa Marie Maass, die international bereits einige Erfolge verbuchen konnte wie 2022 beispielsweise EM-Gold mit dem Team. Mittlerweile ist die 15-Jährige im Großpferdesattel unterwegs und freut sich, dass ihre vierbeinigen Sportpartner dank Groom Robbie Sanderson bestens betreut sind. „Ich könnte nicht glücklicher sein über die Zusammenarbeit mit der Familie Maass“, betont Sanderson. „Sie haben genau die gleiche Einstellung zu den Pferden wie ich.“ Auch fühle er sich nach den vielen Jahren in Großställen im familiären Umfeld der Maass‘ besonders wohl. „So ist es eine viel persönlichere Zusammenarbeit.“
Der Brite hat einige Kniffe und Tricks, auf die er bei der Pflege besonders schwört. Er bereitet die Pferde nicht nur fürs Reiten vor, er geht auch mit ihnen spazieren, begleitet sie auf Turnieren und sorgt dafür, dass sie von Kopf bis Huf glänzen und strahlen – und, dass ihnen kein Muskel weh tut. „Das Putzen an sich ist nicht einfach nur das Säubern der Pferde“, erzählt er. „Es ist eine richtige Wellnessbehandlung und eine Massage.“ Sobald er eine Bürste ans Pferd legt, merkt er sofort, sollte es irgendwo leicht verspannt sein. „Dann massiere ich diese Stelle besonders intensiv“, verrät er. Hinzu kommt Management wie Solarium oder Magnetfeld, das je nach Bedarf ebenfalls zum Wohlbefinden seiner Schützlinge beiträgt.
Putzen als Massage
Bei der Pflege des Schweifes schwört Groom Robbie Sanderson auf Spezialprodukte, die die Haare besonders geschmeidig werden lassen. Er verrät einen Trick: „Viele wenden die Sprays an und bürsten dann direkt. Aber die Produkte müssen erst einmal einwirken, damit sie ihre volle Wirkung entfalten können“, betont er. Daher – sobald das Pferd auf dem Putzplatz steht, wird zunächst der Schweif eingesprüht. Das Bürsten kommt erst ganz zum Schluss, wenn alle anderen Reinigungsarbeiten erledigt sind.
Auch das Scheren gehört zur winterlichen Routine und es sitzt jeder Handgriff, damit die Pferde sich wohlfühlen und top aussehen. „Manchmal kann es auch eine richtige Herausforderung sein, vor allem, wenn man von einem Turnier zum anderen unterwegs ist“, beschreibt Groom Robbie Sanderson eine Problematik. Denn auf dem Turnier selbst dürfen die Pferde nicht mehr geschoren werden. „Daher kommt es absolut aufs richtige Management an“, ist er überzeugt. Denn damit das Pferd ebenso wie sein Reiter Hochleistungen bringen kann, muss das ganze Drumherum stimmen – und dazu gehört auch die Länge des Fells, damit das Pferd nicht unnötige Energie ins Schwitzen stecken muss.
Hufe im Fokus
Besonders im Fokus aus Sandersons Sicht sollten auch die Hufe stehen: „Sie müssen immer im Top-Zustand sein und von Dreck befreit werden.“ Punkt Nummer eins ist dabei eine saubere und trockene Einstreu. Aber auch das Auskratzen geschieht mehrmals täglich – immer, wenn die Pferde neuen Untergrund betreten haben. „Von zu viel Waschen mit Wasser halte ich nichts“, betont er. Viel wichtiger sei es, das Horn mithilfe von einem speziellen Huföl elastisch zu halten. Auch das trägt der Groom mehrmals täglich auf – vorm Reiten, vorm Paddock, bevor das Pferd wieder in die Box geht.
„Es gibt so viele Handgriffe, die für mich selbstverständlich sind, von denen ich aber feststelle, dass ihnen heute weniger Bedeutung zugemessen wird. Das korrekte Bandagieren zum Beispiel.“ Vor allem aber sorgt sich Groom Robbie Sanderson um die Zukunft des Pferdepflegerberufs. „Viele junge Leute reden nur noch von Work-Life-Balance, die Leidenschaft für den Job bleibt dabei oft auf der Strecke.“ Dabei gäbe es aus seiner Sicht gar keinen schöneren Job. „Andere zu motivieren und zu Höchstleistungen zu verhelfen – ich könnte mir keine bessere Aufgabe vorstellen.“ Dabei sorgt der Groom aus Sandersons Sicht nicht nur dafür, dass sich das Pferd rundum wohl fühlt. Er hat auch immer ein offenes Ohr für den Reiter, fiebert mit und feuert an und trägt so auch dazu bei, dass er selbstbewusst in den Sattel steigt. „Schlechte Laune hat weder im Stall noch im Sattel etwas zu suchen. Einen schlechten Tag sollte man das Pferd niemals merken lassen.“
Der größte Lohn sei dann der Erfolg des von ihm betreuten Paares: „Wer kann schon von sich behaupten, dass er dank seiner Betreuung des Top-Sportlers ein Teil davon war, als die Goldmedaille gewonnen wurde?“
Andrea Zachrau
Pflegetipps für den Sommer
Christian Klös ist Marketingmanager der Firma leovet und damit absoluter Fachmann, was die Pflege von Pferden angeht. Wir haben ihn nach seinen Top-Tipps für den Sommer gefragt.
Tipp Fliegenschutz:
Das A und O für ein entspanntes Pferdeleben in der wärmeren Jahreszeit ist ein guter Schutz vor lästigen Insekten. Welches Mittel am besten wirkt, hängt von verschiedenen Faktoren wie Wohnort, Eigengeruch des Pferdes und Art der Insekten, die vorherrschen ab. Wichtig bei allen ist: Es muss genügend aufgetragen werden, um eine gute Wirkung zu erzielen. Dabei sollte das komplette Pferd abgedeckt werden. Für sensible Bereiche wie den Kopf gibt es Insektenschutz auch in Gelform oder als einfachen Roll On, was ein gezieltes Auftragen ermöglicht.
Tipp Sommerekzem:
Viele Pferde kämpfen im Sommer mit Ekzem oder in leichteren Fällen Juckreiz. Hier sollte das Pferd im Idealfall mit einer Fliegendecke geschützt werden und die betroffenen Stellen zudem mit einem guten Produkt behandelt werden. Ein mildes Hautöl hält die Haut geschmeidig, mindert Juckreiz und hilft bei der Regeneration. Es lohnt sich auch, das Pferd von Zeit zu Zeit mit einer besonders sanften, medizinischen Waschlotion zu waschen, um Rückstände, Hautschuppen und Co zu entfernen und das Pflegeprodukt anschließend neu aufzutragen.
Tipp Hufe:
Die Hufe benötigen im Sommer oft besondere Pflege – trockene Hufe neigen dazu, auszubrechen und rissig zu werden. Wichtig ist es, auf eine mineralölfreie Rezeptur bei Pflegeprodukten zu achten, um den natürlichen Hufmechanismus nicht zu behindern und den Huf weiter „atmen“ zu lassen. Regelmäßige, gute Pflege stärkt den Huf und seine Schutzmechanismen und kann Problemen wie Ausbrechen, Rissen und auch Strahlfäule vorbeugen. Um Ausbrechen zu verhindern, gibt es Spezialprodukte, wobei allerdings häufig der krebserregende und umweltschädliche Stoff Glutaraldehyd zum Einsatz kommt. Besser ist es, auf ein Produkt mit rein natürlichen Inhaltsstoffen zu setzen, um seine eigene Gesundheit und die Umwelt zu schonen. Im Sommer sollte vor allem auf leichte, tief einziehende und viel Feuchtigkeit spendende Produkte gesetzt werden, die die Elastizität fördern.
Tipp Regeneration:
Nach einem anstrengenden Training die Beine kühlen – das ist ein bekannter Tipp zur Unterstützung der schnellen Regeneration. Das Ganze kann mit einem speziellen Kühlgel, welches am nassen Bein haftet, noch unterstützt werden. Wertvolle Pflanzenwirkstoffe sind bekannt dafür, Sehnen, Bänder und die Muskulatur zu unterstützen und sind nicht nur eine Wohltat fürs Pferd, sondern dienen auch der langfristigen Gesunderhaltung. Auch bei Wetterumschwüngen, alten Pferden oder nach Verletzungen können Gele zur Kühlung helfen, einem Anschwellen der Beine vorzubeugen oder diesem entgegenzuwirken.
Pflegeprodukte – auf den Inhalt kommt es an
Nicht selten enthalten Pflegeprodukte synthetische Bestandteile. Die richtige Pflege ist durchaus aber auch mit 100% natürlichen Zutaten möglich. Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass die Produkte nach Naturkosmetik-Standard zertifiziert sind. „Das bedeutet, dass alle Inhaltsstoffe nachweislich aus Pflanzen stammen oder gewonnen werden oder mineralischer Herkunft sind. Mineralöl und aus Mineralöl synthetisierte Inhaltstoffe sind ausgeschlossen“, erklärt Nikolai Piefel, Marketingleiter und Produktmanager der Firma MM-Cosmetic, in deren Hause unter anderem ZEDAN und BREMSENBREMSE hergestellt werden. „Alle Rezepturen der natürlichen Pflegemittel werden von Eco Control, einem unabhängigen Institut, überprüft. Für jeden Inhaltstoff ist nachzuweisen, dass er pflanzlichen Ursprungs ist. Jährliche Inspektionen durch Eco Control überprüfen vor Ort den Ursprung der Inhaltstoffe. Nur, wenn alle Inhaltsstoffe als natürlich bestätigt werden, erhält das Produkt das NCS (Natural Cosmetic Standard) Label. Diese Zertifizierung garantiert den Verbrauchern, dass sie ein 100% natürliches Produkt erhalten.“
Wer es ausschließlich natürlich mag, sollte daher genau hinschauen, bevor er ein Produkt erwirbt. „Viele Hersteller verweisen gerne auf den Einsatz (einzelner) natürlicher Inhaltstoffe, verschweigen jedoch, dass (möglicherweise viele) andere Teile des Produkts synthetischen Ursprungs sind. Das ist bei einer Zertifizierung nicht möglich“, erklärt der Experte. Die Zertifizierung verpflichte außerdem dazu, alle Inhaltsstoffe auf der Verpackung anzugeben. Diese Verpflichtung ist Teil des Zertifizierungsprozesses.
Allerdings: Die gesetzlichen Anforderungen für die Deklaration von Pferdepflegeprodukte sind in der Chemikalienverordnung und im Wasch- und Reinigungsmittelgesetz festgelegt. Da Pferde wie alle Tiere rechtlich als Sachen behandelt werden, sind die Hersteller laut Gesetz nicht verpflichtet, die Inhaltstoffe zu nennen – vielfach wird das auch so gehandhabt. Ehrlich transparent ist daher nur derjenige, der die Inhaltsstoffe seine Pflegeprodukte voll deklariert.
Beispiele für Produkte, die sich rein natürlicher Inhaltsstoffe bedienen: Ein Pflegeschutz für die gerade im Winter anfälligen Fesselbeugen der Pferde, das auf Wollwachs basiert. „Wollwachs wird aus Schafwolle gewonnen und bildet die wasserabweisende Schicht, die Schafe vor Nässe schützt. Wollwachs ist wasserabweisend, aber in der Formulierung gleichzeitig luftdurchlässig. Das ist entscheidend, um Schmutz und Wasser fernzuhalten, aber gleichzeitig Sauerstoff an die Haut zu lassen“, erklärt Nikolai Piefel. Zusätzlich hemmt ein Mineral-Schwefel-Komplex mit Teebaumöl Bakterienwachstum und schafft ein Umfeld, in dem Krankheitserreger nicht gedeihen. Bisabolol, ein Wirkstoff aus Kamille, unterstützt die Wundheilung und Hautneubildung.
Auch Hufpflege ist ohne künstliche Zusätze möglich: Der angegriffene Strahl wird mit einer Mischung aus Propolis, Bio-Ringelblumenextrakt und Schellack behandelt; die Basis bildet Bio-Ethanol. Durch seine dünnflüssige Konsistenz dringt die Mischung tief in die Strahlfurche ein und erreicht alle Bereiche.
Eine solche Behandlung ist gerade im Winter immer mal wieder vonnöten: „Strahlfäule beim Pferd entsteht durch Bakterien, die in die Hufsohle eindringen und das Strahlhorn, den zentralen Teil des Hufes, schädigen. Feuchtigkeit, Schmutz, ungünstige Haltungsbedingungen und unzureichende Hufpflege schaffen optimale Bedingungen für das Wachstum dieser Bakterien, die den Strahl angreifen und zu einer Infektion führen“, erklärt Piefel. Eine unzureichende Luftzirkulation unter dem Huf könne die Strahlfäule verschlimmern. „Daher sind regelmäßiges Ausmisten der Stallbox, trockene Einstreu und regelmäßige gründliche Hufreinigung entscheidend, um das Risiko zu minimieren. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung unterstützen ebenfalls die Gesunderhaltung der Hufe. Frühzeitige Erkennung und Behandlung sind wichtig, um die Ausbreitung der Strahlfäule zu stoppen und die Heilungschancen zu verbessern.“