
Man hätte ihm das Ticket eigentlich schon nach der Intermédiaire II geben können – Viva Gold hat begeistert bei seinem ersten Turnierauftritt unter seiner neuen Reiterin Isabell Werth im Rahmen der Louisdor-Preis Qualifikation von Hamburg. Auf Anhieb hat er sich den Startplatz für das Finale im Dezember in Frankfurt gesichert.
Auf einmal schwieg die ganze Tribüne. Auftritt Viva Gold und Isabell Werth in der Louisdor-Preis Qualifikation von Hamburg. Spätestens nach ihrem souveränen Sieg in der vorgeschalteten Intermédiaire II wollte jeder dieses neue Paar sehen. Und was sie gezeigt haben, war sehenswert – Piaffen, Passagen und Übergänge, die die meisten Championatspaare so nicht zeigen können, eine tolle Galopptour, raumgreifender, taktsicherer, wenn auch vorne paradierender starker Schritt. In Wertnoten ausgedrückt bedeutete das: 76,809 Prozent.
Dieses Pferd bringt alles mit, was ein Grand Prix-Pferd braucht. Vor allem einen Charakter, der „eine 15“ auf der Wertnotenskala ist, wie seine Reiterin sagt. Oder um es mit Kommentatorin Heike Kemmer zu sagen: den „Will to please“. Das konnte Isabell Werth nur bestätigen. „Er hat heute etwas die Kraft verloren. Aber das macht einen Champion aus, dass er dann trotzdem durchzieht.“
Noch fehlt es an der Feinabstimmung zwischen Reiterin und Pferd. Bei manchen Lektionen musste sie noch deutlich Hilfestellung leisten. Aber da ist Potenzial für alles! Nach ihrem eigenen Eindruck gefragt, antwortete Werth kurz und bündig: „Das Pferd ist einfach ein Geschenk und einfach phänomenal!“ Alles gesagt.
Weihes Erbe
Wobei Viva Gold aktuell noch kein Geschenk, sondern eher eine Leihgabe ist. Noch gehört der bildschöne Fuchs nämlich dem Gestüt Westfalenhof, wo er von Kathrin Sudhölter ausgebildet und bis zur schweren Klasse erfolgreich vorgestellt worden war. Das allerdings sehr sparsam. Hamburg war das zehnte Turnier seiner Karriere inklusive Reitpferdeprüfungen. Springreiter Tim Rieskamp-Goedeking, ein Nachbar des Gestüts Westfalenhof, hatte es vermittelt, dass der neunjährige Oldenburger Hengst zu Isabell Werth kommt.
Das lag nahe, hatte die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten doch auch schon die Großmutter des Vivaldi-Sohnes zu drei Weltcup-Titeln, Mannschaftsgold und Einzelsilber bei Olympia, mehreren EM-Titeln usw. geritten. Der Name dieser Großmutter: Weihegold. Deren Besitzerin Christine Arns-Krogmann hat Viva Gold gezüchtet.
Weihegold selbst hatte 2014 den Louisdor-Preis gewonnen, ehe sie die ganz große Karriere machte. Das ist nicht das einzige, was sie mit der wichtigsten deutschen Serie für Nachwuchs-Grand Prix-Pferde verbindet. 2021 war es ihr Sohn Total Hope, der hier die Ehrenrunde anführte, ehe auch er international durchstartete. Und nun ist es mit Viva Gold ein Enkel der großartigen Weihegold, der in Frankfurt für Furore sorgen kann.
Zweiter Festhallenauftritt für Lord Europe
Beim Louisdor-Preis sind die beiden Erstplatzierten der jeweiligen Qualifikation automatisch für das Finale in Frankfurt qualifiziert. Das bedeutet, dass sich Leonie Richter und der rheinisch gezogene Lord Leatherdale-Sohn Lord Europe auf ihren zweiten Auftritt in der Festhalle freuen können. In der gestrigen Intermédiaire II waren die beiden noch Dritte gewesen, heute im Louisdor Grand Prix bedeuteten 72,425 Prozent Rang zwei und damit die Fahrkarte nach Frankfurt.
Tatsächlich konnte das Paar heute noch eine Schippe drauflegen – trotz eines Versehens in den Einerwechseln, über den sich Leonie umso mehr geärgert hat, weil diese Lektion doch zu den Highlights des Hengstes zählt (wie überhaupt die gesamte Galopptour). Die Piaffen hatten sie gestern kaum gezeigt. Heute klappten sie schon recht gut. Was der Hengst immer mitbringt, ist seine Präsenz, seine Elastizität, seine Power. Zudem hat er mit Leonie Richter eine Reiterin, die nicht nur ganz viel Gefühl mitbringt, sondern auch eine echte Prüfungsreiterin ist und jede Lektion mit großer Sorgfalt vorbereitete und bisweilen geradezu zelebriert, vor allem die Pirouetten. Um es mit Heike Kemmer zu sagen: „Leonie reitet präzise mit Sinn und Verstand.“
Mit diesen Zutaten waren sie 2023 Zweite in Frankfurt geworden, damals im Nürnberger Burg-Pokal. Man darf gespannt sein, wie die Schleifenfarbe in diesem Jahr aussieht.
Auf dem richtigen Weg
Das Paar, das gestern Rang zwei belegt hatte, galoppierte heute nach einer 72,106 Prozent-Runde an dritter Position auf der Ehrenrunde: Frederic Wandres und Verrenberg. Ein Highlight des noblen Braunen waren heute die Passagen. Überhaupt zeigte er sich schon sehr lektionssicher. Doch das Hinterbein hätte man sich insgesamt etwas energischer und aktiver gewünscht. Verrenberg habe sich heute etwas müde angefühlt, berichtete Wandres. Kein Wunder, es sei sein erstes Auswärtsturnier mit Übernachtung gewesen. Aber die Entwicklung von Hagen bis hierher mache ihn „besonders glücklich“, so der Mannschaftsolympiasieger vom Hof Kasselmann. Bei der Qualifikation auf heimischem Boden in Hagen waren die beiden noch Sechste gewesen.