
Finaltag bei den Deutschen Meisterschaften der Vielseitigkeitsreiter in Luhmühlen. Sowohl in der Fünf- als auch in der Vier-Sterne-Prüfung war es ein Trainerinnen-Schülerinnen-Gespann, die das Geschehen dominierten.
Den Anfang im Parcours machten auch heute wieder die Fünf-Sterne-Reiter. Rosalind Canter und ihr KWPN-Wallach Izilot hatten schon nach der Dressur in Lauerstellung hinter den bis dato führenden Laura Collett und London gelegen. Letztere, mit zwei Mannschaftsgoldmedaillen und Einzelbronze bei den Olympischen Spielen, einem Badminton-, einem Luhmühlen-Titel usw. hoch dekoriert, dürften den Atem der Konkurrenz im Nacken gespürt haben, als Canter und ihr zwölfjähriger Zavall-Sohn als vorletztes Paar eine souveräne Nullrunde sprangen.
Dann Auftritt Collett/London, die gestern eine von nur vier fehlerfreien Geländerunden abgeliefert hatten. Einen Springfehler durften sie sich auch heute nicht erlauben. Doch dann passierte es doch. Am Einsprung in die dreifache Kombination fiel eine Stange. Vier Strafpunkte, 29,4 insgesamt. Damit stand Ros Canter mit 28,8 Minuspunkten als Siegerin fest und Collett rutschte auf den dritten Rang ab. Für Canter bedeutete dies den zweiten Fünf-Sterne-Sieg 2025, nachdem sie vor wenigen Wochen mit ihrem Star im Stall, Olympiapferd Lordships Graffalo, in Badminton siegreich gewesen war.
Über Platz zwei zwischen den beiden Britinnen konnte sich mit der Neuseeländerin Samantha Lissington auf Ricker Ridge Sooty eine Schülerin von Canter freuen. Für die beiden war es der zweite Auftritt in der Heide und nach Platz sieben 2021 wurde es nun die silberne Schleife mit 29,3 Minuspunkten.
Stimmen
Canter berichtete später, dass ihr weniger die Hindernisse heute Kopfzerbrechen bereitet hätten, als vielmehr das Drumherum. „Izilot ist ein guckiges Pferd, insbesondere zu Beginn seiner Karriere war das oft eine Herausforderung. Auch heute hat er ganz schön große Augen gemacht. Ein Glück haben wir mittlerweile eine so starke Verbindung zueinander aufgebaut, dass wir uns trotzdem voll und ganz aufeinander verlassen können. Ich lasse ihm dann genügend Zeit, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er ist so vermögend, dass die eigentlichen Sprünge gar kein Problem sind. Der Weg bis zum Sprung ist viel schwieriger.“ Umso erfreuter war sie über das Ergebnis: „Vielen, vielen Dank an den Veranstalter und alle hier in Luhmühlen. Ich bin überglücklich“, so die Weltmeisterin von 2018.
Aus Samantha Lissington sprach vor allem der Stolz auf ihren – eher kleingewachsenen – Sportpartner: „Er ist so toll. Natürlich fühlen sich die Sprünge auf ihm immer etwas höher an als auf meinen anderen Pferden – ich habe mich aber mittlerweile ganz gut daran gewöhnt. Er hat eine wirklich große Galoppe und überhaupt kein Problem mit den Distanzen und Kombinationen.“
Und Laura Collett? War verständlicherweise etwas enttäuscht. „Natürlich bin ich ein bisschen enttäuscht, ich glaube, das wäre jeder an meiner Stelle. Aber vor allem, weil London diesen Sieg verdient hätte. Er ist auch heute wieder fantastisch gesprungen. Vor zwei Jahren hatten wir einen Springfehler Vorsprung und haben ihn nicht gebraucht, heute hätten wir ihn gebraucht – so ist das Leben“, spielte sie auf ihren Sieg in Luhmühlen 2023 mit dem Holsteiner an.
Erfolgreiche und reflektierte Malin Hansen-Hotopp
Malin Hansen-Hotopp und ihr ebenfalls holsteinisch gezogener Carlitos Quidditch K haben ein aufregendes Wochenende hinter sich, das mit einem fantastischen zweiten Platz nach der Dressur begann, einen tollen Geländeritt brachte, bei dem sie allerdings ein MIM auslösten, und heute nach fehlerfreiem Springen auf einem starken sechsten Platz endete (41,5). Das bedeutete die zweite Top Ten-Platzierung beim zweiten Fünf-Sterne-Auftritt für dieses Paar.
Hätte es nicht die elf Strafpunkte für das Auslösen des MIM-Clips am Wassereinsprung gewesen, wäre auch noch mehr drin gewesen. Aber damit haderte Hansen-Hotopp nicht. Zumal sie den Fehler in der Rückschau bei sich selbst sieht: „Ich hätte den Sprung gestern noch präziser vorbereiten müssen und dann hätte ich die Strafpunkte auch nicht bekommen. Gutes Reiten ist einfach das Wichtigste.“ Vor allem sieht Hansen-Hotopp, was diese Sicherheitssysteme für den Sport bedeuten:
„Alles, was den Sport für uns und für unsere Pferde noch sicherer macht, ist eine wichtige Erfindung.“
Wie wichtig diese Erfindungen sind, wurde vor einigen Wochen in Badminton deutlich, wo die wegklappenden Hindernisse manchen schweren Sturz verhindert haben dürften. In Luhmühlen gab es dieses Wochenende nur einen Pferdesturz. Der allerdings endete mit einer gebrochenen Schulter der Stute Chiquita von einer zutiefst erschütterten Maj-Jonna Ziebell. Die Stute musste später eingeschläfert werden. Wir berichteten.
Bergendahl und Luthien NRW auf Rang 14
Nach einer souveränen Geländerunde rangierte der zweite von nur zwei deutschen Teilnehmern im CCI5*-L, Arne Bergendahl aus Hamminkeln mit seiner Superstute Luthien NRW aka „Lucy“ an zwölfter Stelle. Heute im Parcours kam für die beiden noch ein Abwurf hinzu, so dass es unter dem Strich ein toller 14. Platz wurde für die beiden.
Für Arne Bergendahl und sein Team war dies nicht der einzige Grund zur Freude an diesem Wochenende. Im CCI4*-S hatte er Lucys Sohn Bronco v. Blockbuster an den Start gebracht. Der kam, wie seine Mutter, schon bei der Familie Bergendahl zur Welt. Arnes Vater Helmut ist seit Jahrzehnten eine Institution in Sachen Vielseitigkeitsreiterei und -zucht. Der Sport ist im Stall Bergendahl also Zwei- und Vierbeinern in die Wiege gelegt. Dementsprechend erfreulich war es, dass zum 14. Rang von Lucy in der Fünf-Sterne-Prüfung noch Platz sechs im CCI4*-S, gleichzeitig Platz vier in der Deutschen Meisterschafts-Wertung, hinzu kam.
Das zweite rheinische Paar im CCI4*-S schaffte es ebenfalls unter die Top Ten. Trotz 5,2 Fehlern konnten sich Antonia Baumgart und Ris de Talm heute noch um einen Platz verbessern und wurden Neunte (44,9), nachdem die Konkurrenz auch nicht ungeschoren davon gekommen war.
Vierter Titel für Krajewski, Bronze an Böckmann
Wow! Drei Buchstaben, die die Auftritte von Julia Krajewski und Nickel in der Heide an diesem Wochenende treffend zusammenfassen. Es wurde ein Start-Ziel-Sieg in beiden Wertungsprüfungen für das Paar, das 2024 so richtig durchgestartet war, als es erst die Vielseitigkeit beim CHIO Aachen gewann und dann als Reservisten bei den Olympischen Spielen in Paris als Elfte zweitbestes deutsches Paar wurde. Dieses Wochenende war keiner besser, weder in der DM- noch in der internationalen Wertung. Bereits nach der Dressur waren Krajewski und ihr elfjähriger Numero Uno-Sohn mit 25,3 Minuspunkten deutlich in Führung gegangen. 2,4 Zeitfehler im Gelände konnten sie sich locker leisten. Und bei den 27,7 Minuspunkten blieb es denn auch.
Für Julia Krajewski bedeutet das den vierten Deutschen Meister-Titel. Den letzten gewann sie 2023 auf Ero de Cantraie. Zuvor war es zweimal Samourai du Thot gewesen, der sie aufs oberste Treppchen getragen hatte.
Dabei hätte die Warendorferin nicht nur als Reiterin einen Titel verdient gehabt, sondern auch als Trainerin. Wäre sie nicht am Donnerstag bereits in die Hall of Fame ihres Sports aufgenommen worden, nach diesem Wochenende hätte sie es noch mehr verdient gehabt.
Denn die beiden weiteren Medaillenränge gingen an zwei junge Reiter, die jahrelang von ihr betreut worden waren, erst im Juniorenlager, zuletzt bei den U25-Reitern: Emma Brüssau auf Dark Desire GS und Calvin Böckmann mit Altair de la Cense.
Brüssau hatte im Gelände eine furiose Aufholjagd hingelegt. Als eines von nur vier Paaren innerhalb der erlaubten Zeit arbeitete sie sich mit ihrer 16-jährigen Hannoveraner Stute v. Don Frederico von Rang fünf nach der Dressur auf den zweiten Platz der internationalen Wertung vor. Und den konnten ihr auch 0,4 Zeitfehler im Springen heute nicht mehr nehmen. Was zugleich eine silberne Schleife und eine silberne Medaille für sie bedeutete.
Bronze sicherte sich Calvin Böckmann. Bereits gestern im Gelände hatten sie sich von Rang elf nach der Dressur auf den fünften Platz der Gesamtwertung vorgekämpft. Den konnten sie heute im Parcours dank fehlerfreier Runde erfolgreich verteidigen. Als drittbestes deutsches Paar komplettierten sie das DM-Treppchen.
Zwischen die drei Deutschen schoben sich zum einen der Australier Andrew Cooper auf Sharvalley Thunder (36,1) und zum anderen Neuseelands Clarke Johnstone mit Rocket Man (36,5).