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Runter mit dem Pelz

Winterfell adé: Ab sofort kommen in den Ställen wieder Schermaschinen zum Einsatz. Foto: Equipics/Zachrau

Vielerorts surrt und brummt es aktuell wieder in den Stallgassen. Durch die Luft fliegen jedoch nicht wie sonst unliebsame Insekten, sondern tausende kleiner Haare: Die Schersaison hat begonnen. Was alles beim richtigen Schnitt beachtet werden muss, haben wir für Sie zusammengetragen.

Für Sportpferde, die täglich intensiv gearbeitet werden, ist das Scheren zur allwinterlichen Routine geworden. Der dicke Pelz kommt ab, sodass starkes Schwitzen und langes Trocknen passé sind, dafür halten wärmende Stall- und zusätzlich vor Nässe schützende Outdoordecken Einzug, die dafür sorgen, dass die Pferde trotz fehlendem Fell nicht frieren und sich pudelwohl fühlen.

Teil- oder Komplettschur?

Für die meisten Sportpferdebesitzer gehört die Schur zum Handwerk und geht schnell von der Hand. Oft bleibt nur die Frage: Welche Schur für welches Pferd? Das hängt ganz von der Intensität des Trainings ab – wer fast ausschließlich in der Grünen Saison auf Turnieren unterwegs ist und es im Winter entspannter angehen lässt, für den dürfte oft schon eine Teilschur genügen. Irish Schur, Ralley-Schnitt, Decken-Schur – all diese Schuren sind ideal für Pferde mit leichten bis mäßigem Training, denn hier kommt nur ein Teil des Pelzes ab. Bei der Irish-Schur werden Kopf, der untere Teil des Halses, die Brust, die Vorderbeine und der Unterbauch geschoren. Bei der Deckenschur bleibt das Fell nur an Rücken und Beinen stehen. Am wenigsten Fell lassen muss das Pferd beim Ralleyschnitt, hier werden nur der untere Bereich des Halses und die Brust sowie ein Streifen unten-seitlich vom Pferd geschoren.

Teilschuren sorgen dafür, dass das Pferd schon deutlich weniger schwitzt als mit komplettem Winterfell und selbst wenn einmal ein schweißtreibendes Lehrgangswochenende ansteht, trocknen die Pferde nach getaner Arbeit vergleichsweise schnell.
Anders sieht es bei den Hochleistungssportlern aus: Wer sein Pferd voll im Training hat und die Hallensaison voll auskosten will, kommt häufig nicht um eine Komplettschur herum.
Wichtig ist für diese Pferde nur, sie in Ruhephasen vor der Kälte zu schützen, um keine Unterkühlung zu riskieren. Das bedeutet nicht nur, sie mit einer Thermodecke einzudecken, sondern sie auch beim Schrittreiten vor und nach der Arbeit mithilfe von Abschwitzdecken warm zu halten. Geschorene Pferde freuen sich zudem besonders über die wohl tuende Wärme eines Solariums nach getaner Arbeit.

Auf das Arbeitsgerät kommt es an

Übrigens: Pferde, die auch am Hals geschoren werden, sollten unbedingt auch dort vor Nässe und Kälte geschützt werden, schließlich fehlt ihnen an diesen Stellen das schützende Deckhaar, sodass die Haut unmittelbar der Kälte ausgesetzt ist. Wer beispielsweise mit einer dicken Thermodecke den Körper schützt, aber den Hals ausspart, riskiert nicht nur, dass sich das Pferd verkühlt und im schlimmsten Fall auch erkältet, sondern auch, dass es zu Verspannungen im Halsbereich kommt, was sich wiederum im Training bemerkbar machen kann.

Ob ein Pferd ganz oder nur teilweise geschoren wird, richtet sich nach der Arbeitsintensität. Foto: Equipics/Zachrau


Kommen wir zurück zur richtigen Schur: So leicht sie auch von der Hand gehen mag – das klappt nur mit dem richtigen Arbeitsgerät. Der Markt hat eine große Auswahl an Schermaschinen zu bieten. Welches am Ende das perfekte Modell für den einzelnen Nutzer darstellt, hängt ganz von seinem Einsatz ab. Während günstigere Maschinen mit einem weniger ausgeklügelten Scherblattsystem und Stromanschluss mithilfe eines Kabels für ein einzelnes Pferd schon ausreicht, greifen die Profis gerne auf die hochwertigeren und häufig auch langlebigeren Modelle zurück. Wer oft schert, wird dankbar sein, wenn die Scherblätter nicht nach nur wenigen Schuren bereits stumpf sind und nachgeschärft werden müssen. Ebenso haben sich für den schnellen Einsatz akkubetriebene Maschinen bewährt, die in der Handhabung doch etwas flexibler sind als ihre strombetriebenen Pendants.

Wichtige Pflegehinweis für Schermaschinen

Der Hersteller Heiniger fasst die wichtigsten Punkte für die Pflege seiner Maschinen so zusammen:

– Die Messer stets mit empfohlenen Schmiermitteln ölen

– Die Maschine sauber halten: Haare mit dem mitgelieferten Pinsel entfernen

– Akkukontakte sauber halten. Den Akku nicht in der Maschine lagern.

– Messer scharf halten: Bei Bedarf nachschleifen oder ersetzten

– Verschleißsteile bei Beschädigung ersetzten

Zudem sollten die Schermaschinen vor Feuchtigkeit geschützt, nicht direktem Sonnenlicht ausgesetzt und vor mechanischen Schlägen bewahrt werden. Die Lagertemperatur von 0 bis 40 Grad sollte eingehalten werden. Aceton- und alkoholhaltige Reinigungsmittel sollten nicht verwendet werden.
Auch im Sektor Akkumaschine lohnt es sich, im Vorfeld zu kalkulieren: Wie viele Pferde möchte ich scheren? Wie häufig kommt das Gerät zum Einsatz? Für manch einen kann sich eine etwas teurere Maschine, die über eine längere Akkulaufzeit verfügt, durchaus lohnen – Wartezeiten fürs Nachladen fallen weg und sorgen so für schnelle und effektive Arbeit.

Wann und wie oft scheren? Das ist eine Frage, die sicherlich auch mit der Nutzung des Pferdes, aber ebenso mit dem individuellen Fellwachstum zusammenhängt. Als grobe Faustregel gilt: Erstschur spätestens im November, Zweitschur im Januar. Pferde, die intensiv im Training sind, kommen aber durchaus häufiger „unters Messer“: Alle drei bis fünf Wochen wird das Fell erneut gekürzt.

Geduld bei jungen Pferden

Wer sein Jungpferd zum ersten Mal schert, sollte Zeit und Geduld mitbringen – und die für viele Tiere doch zunächst furchteinflößende Maschine mit ein paar Belohnungsleckerlis positiv belegen. Auch in kleinen Eimern erhältliche Leckmassen können für Ablenkung sorgen. Lecken und Kauen sind generell entspannende Verhaltensweisen fürs Pferd, sodass die leckere Ablenkung gleichzeitig auch entspannend wirkt.
Hilfreich kann es auch sein, zunächst einen erfahrenen Kandidaten vom Winterpelz zu befreien und das junge Pferd daneben anzubinden. So lernt es die Geräusche der Maschine aus sicherer Entfernung bereits kennen und sieht am gelassenen, schererfahrenen Nachbarn, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gibt.

Schermuster: Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt – die einen mögen es kitschig, die anderen eher dezent. Foto: Equipics/Zachrau

Sterne, Krönchen, Pfotenabdrücke oder das Pummeleinhorn: Es gibt kaum ein Motiv, das es in der kreativen Schur noch nicht auf den Pferdehintern geschafft hat. Das muss man zweifelsohne mögen – manch einer nutzt die Wintersaison jedoch zu gerne, um ein Statement im Pferdefell zu setzen und damit nicht nur in der hofeigenen Halle, sondern auch auf dem Turnier zum Hingucker zu werden. Während die Motivschur für manch einen besonders begabten Künstler an den Scherblättern zum lukrativen Nebeneinkommen wird, gibt es mittlerweile aber auch die verschiedensten Schablonen inklusive Anleitung im Handel, mit denen es leichter gelingt, das Pferd mit einer kleinen Deko zu verschönern. Wer es dezent mag, muss nicht gleich ein großes Herz auf der Hinterhand entstehen lassen – auch etwas schlichtere Motive wie ein Schachbrettmuster, das nur beim zweiten Blick ins Auge fällt, sind mit ein wenig Geschick auf den Allerwertesten gezaubert.

So gelingt die perfekte Schur

Während Ganzkörperschuren häufig einfacher umzusetzen sind, stellen Teilschuren manch einen Pferdebesitzer vor eine Herausforderung. Der Schnitt soll möglichst gleichmäßig und symmetrisch sein und keine großen Kanten aufweisen. Damit das gelingt, macht es Sinn, den gewünschten Schnitt „vorzuzeichnen“. Dafür eignet sich beispielsweise Aluspray oder ein dicker Filzstift- zeichnen Sie das gewünschte Muster einfach per Hand vor. Damit es symmetrisch wird, beginnen Sie mit einzelnen Punkten – beim Rallye-Streifen markieren Sie die Brust, Schulter, Bauch und Flanke an der gleichen Stelle und verbinden die einzelnen Punkte in einer schwungvollen Linie. Da besonders Teilschuren das Pferd optisch prägen, lohnt es sich, nicht nur auf die Funktionalität, sondern auch auf geschwungene Linien zu achten, die den Körperbau des Pferdes positiv unterstreichen. Beginnen Sie mit der Schur, folgen Sie einfach der abgezeichneten Linie mit einer durchgehenden Bewegung. So werden unschöne Zacken im Fell vermieden. Optimalerweise scheren Sie von hinten nach vorne – so scheren Sie „gegen den Strich“ und erfassen jedes einzelne Haar quasi an der Wurzel und erhalten ein gleichmäßiges Schurbild am ganzen Pferdekörper.  Bleiben einzelne Haare stehen, ist das kein Problem, die Feinarbeit kommt zum Schluss. Besondere Vorsicht ist an empfindlicheren Hautstellen wie beispielsweise hinter den Ellenbogen geboten.

Und noch ein wichtiger Hinweis: Scheren Sie nur, wenn das Fell sauber und zu 100% trocken ist. An nassen Stellen kann die Schermaschine hängen bleiben. Zudem sorgt feuchtes und schmutziges Fell dafür, dass die Scherblätter schneller stumpf werden.  Andrea Zachrau

Fehler beim Scheren

Wir haben verschiedene Schermaschinenhersteller gefragt: Was sind die Fehler, die am häufigsten beim Scheren gemacht werden?

Matthias Linnert-Kuhn von Kerbl rät: „Der Plattendruck muss richtig eingestellt werden, denn erst durch den richtigen Druck der beiden Schermesser aufeinander und die gleichmäßige Druckverteilung entsteht ein schönes, glattes Schnittbild. Außerdem werden Motor, Akkus und Messer durch die korrekte Druckeinstellung geschont. Mit der Präzisionsjustierhilfe Torqui ist das ganz einfach: Der Drehmomentschlüssel wird auf die Schraube am Scherkopf aufgesteckt und im Uhrzeigersinn gedreht bis das Klick–Geräusch zu hören ist. Nach dem Scheren sollten die Schermesser abgebaut, von Schmutz und Haaren gereinigt, geölt und wieder auf die Maschine gesteckt werden. So ist alles bereit für die nächste Schur.“

Dirk Ringsdorf von Lister empfiehlt: „Nutzen Sie nur spezielles Schermaschinenöl für die Pflege Ihrer Schermaschine, denn nur so ist ein gleichmäßiges Schmierverhalten gewährleistet. Alternative Öle schaden der Maschine eher, als dass sie helfen. Während der Schur sollten Scherkopf und Messer ca. alle zehn Minuten geölt werden, da die Maschine sonst heiß werden kann. Nach getaner Arbeit sollte sie stets trocken gelagert werden. Nach der Schur werden die Messer entfernt und geölt und möglichst luftdicht verpackt, da sie sonst schneller Rost ansetzen und damit unbrauchbar werden können.“

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