Nach den Paralympics in Paris und dem dort erfolgreichen Abschneiden der Deutschen Para-Dressur-Mannschaft ist das Thema Reiten für Menschen mit Behinderung erneut in den Vordergrund gerückt. Beim traditionellen Para-Dressur-Turnier am Pferdesport- und Reittherapie-Zentrum (PRZ) der Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen zeigte sich dies eindrucksvoll. Über 50 teilnehmende Reiterinnen und Reiter aus dem Leistungs- und Breitensport stellten sich vor einem neugierigen und großen Publikum in ihren Leistungsklassen den Prüfungen. Mit Regine Mispelkamp trat die zweifache Silbermedaillengewinnerin im Einzel und Bronzegewinnerin mit der Mannschaft bei den Paralympics in Paris an.
Für das PRZ war dies ein guter Zeitpunkt, im Turniersport ein neues Prüfungsformat auszuprobieren: Das Para-Deux. Bei dieser Innovation zeigt zunächst eine Parareiterin oder Parareiter und im Anschluss eine Regelsportreiterin oder ein Reiter die gleiche FEI-Para-Dressuraufgabe – entsprechend der Wettkampfklasse im Para-Sport (von Grade I = Reiter mit schwerer Behinderung, bis Grade V = Reiter mit leichter Behinderung). Hier gibt also der Para-Sport die Prüfungsaufgabe vor. Die Wertnoten beider werden im Anschluss für die Teamwertung addiert. Die Para-Teilnehmer erhalten dabei auch für ihre Einzelleistungen eine Platzierung.
„Die Premiere des Para-Deux zeigt, dass es gelingt, sowohl den Leistungsanspruch als auch das Gemeinschaftserleben und Gemeinschaftsgefühl von Reitern mit und ohne Behinderung zu stärken“, so das Fazit von Inga Nelle, der Leiterin des PRZ. Dass dabei ein ganz besonderer Spaßfaktor und Teamgeist entstanden ist, bewiesen die strahlenden Gesichter nach den Ritten und bei der Siegerehrung. „Das ist genau die richtige Prüfung, um Menschen zu verbinden. Toll, dass die Gold-Kraemer-Stiftung das so umsetzt“, erklärte Regine Mispelkamp, die mit zwei Nachwuchspferden am Start war und in der Einzelwertung sowohl den ersten als auch den dritten Platz belegte. „Der Regelreiter sieht, wie punktgenau man als Parareiter reitet und lernt dadurch eine andere Wertschätzung fürs Parareiten“, erklärte sie und bezeichnete das Para-Deux durch die Teamwertung als wertvolle Symbiose von Regel- und Para-Sport.
Wie schwer diese Punktgenauigkeit bei den Para-Lektionen ist, konnten die Richterinnen Sabine Ingenhoff und Ilona Müller genaustens analysieren. Auffällig: Bei fast allen Paarungen hatten die Parareiterinnen und -reiter gegenüber ihren Teampartnern ein Stück weit die Nase vor. „Die Parareiter sind sehr sorgfältig geritten“, erklärte Ilona Müller und hob hervor, es sei „beeindruckend zu sehen, wie Leistung gerade mit einem respektvollen Umgang mit dem Pferd erritten werden kann.“ Dieser Umgang ließ sich bei Regine Mispelkamp deutlich erkennen. „Ich lasse wesentlich mehr Gefühl beim Reiten zu, seitdem ich meine Erkrankung angenommen habe. Ich lebe intensiver“, sagte sie nach ihren Ritten. Seit 1997 ist sie an Multiple Sklerose erkrankt, aber erst seit 2018 Parareiterin.
Auch die Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer zeigte sich vom neuen Prüfungsformat angetan: „Es wäre schön, wenn diese neuartige Prüfung auch auf den Regelturnieren angeboten würde. Ich könnte mir vorstellen, dass das Para-Deux beim CHIO Aachen für Begeisterung sorgt. Es ist ein überzeugendes Modell, das Kontakt zum Para-Reitsport herstellt und vor allem junge Nachwuchsreiter im Para-Sport motiviert.“ Für die erfolgreiche Teilnahme ihrer Para-Dressur-Mannschaft bei den Paralympics in Paris wurde die Bundestrainerin zusammen mit Regine Mispelkamp und dem Mannschaftstierarzt Malte Penning gesondert geehrt.
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