
Einmal mehr war das Haupt- und Landgestüt Marbach am Wochenende Gastgeber des Berufsreiterchampionats der Vielseitigkeitsreiter, das im Rahmen einer offen ausgeschriebenen Vier-Sterne-Prüfung ausgetragen wird. Man kann sagen: Es war ein spannendes Wochenende!
Der Marbacher Kurs von Bernd Backhaus war „wirklich anspruchsvoll gebaut“, wie Bundestrainer Peter Thomsen gegenüber der Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR) einschätzte. Die Ergebnisse sprechen für sich. Ein Michael Jung mit Nachwuchspferd Solution II stürzte kurz vor dem Ziel. Reitmeisterin Ingrid Klimke schied nach drei Verweigerungen von Siena Just Do It ebenfalls aus. Am Ende war es also keiner der „Big Names“, die den Berufsreiter-Titel schon mehrfach gewonnen hatten, der sich diesen Herausforderungen gewachsen zeigte, sondern eine Newcomerin. Erstmals durfte sich die bayerische Pferdewirtschaftsmeisterin Nina Schultes (31) die Schärpe der Siegerin umhängen lassen.
Nach der Dressur hatte Schultes mit dem 18-jährigen Routinier Grand Prix v. Grafenstolz noch an 14. Stelle gelegen. Doch eine starke Geländerunde mit lediglich 3,6 Zeitstrafpunkten ließ sie in der Gesamtwertung der Prüfung bereits um fünf Plätze nach oben klettern. In der Berufsreiterchampionatswertung bedeutete das bereits vor dem Springen die Führung.
Hier ging Schultes dann auf Nummer sicher. Dementsprechend ließ das Paar alle Stangen in den Auflagen, handelte sich aber 1,6 Zeitfehler ein. Doch die konnten sie sich locker leisten. Erst recht, nachdem ihre Verfolger, Pauline Knorr auf Aevoelet M-A-F und Anna Siemer mit Butt’s Avondale, mit 8,8 bzw. 4 Strafpunkten aus dem Parcours gekommen waren.
Von daher war es ein kluger Schachzug von Nina Schultes, den Abschlussparcours mit angezogener Handbremse anzugehen. Später sagte sie: „Ich bin angesichts des Starterfeldes ohne große Erwartungen nach Marbach gefahren. Samstag Abend habe ich mich dann schon gefreut. Was Grand Prix Iwest im Gelände abgeliefert hat, war schon enorm. Und toll, wie fit er sich dann auch im Springen am Sonntag gezeigt hat. Der Gewinn im Berufsreiterchampionat hat einen sehr hohen Stellenwert für mich. Das ist nichts, was man mal nebenbei gewinnt.“
Silber und Bronze
Zumal Silber an ein Paar ging, das diese Medaillenfarbe auch schon von Europameisterschaften mit heimgebracht hatte: Anna Siemer aus Niedersachsen im Sattel der inzwischen ebenfalls 18-jährigen Butt’s Avondale. Wie der Erstplatzierte präsentierte sich auch die Nobre xx-Tochter im Gelände fit wie eh und je. Mit 5,2 Zeitfehlern verbesserten sie sich von Rang 17 nach der Dressur auf Rang elf vor dem Springen. Trotz des Abwurfs konnten sie sich in der Gesamtwertung um noch einen Rang nach vorne arbeiten, wurden also Zehnte und gewannen Silber in der Berufsreiterwertung.
Auch für Bronzemedaillengewinnerin Vanessa Bölting aus Westfalen war es das erste Mal, dass sie bei einem Berufsreiterchampionat auf dem Treppchen stand. Sie stellte den 13-jährigen Rock Forever-Sohn Ready To Go vor, mit dem sie die deutschen Farben unter anderem auch bei zwei Weltmeisterschaften der jungen Vielseitigkeitspferde Vertreten hat. Nach einer guten Dressur (Rang 9), kassierten sie im Gelände 16 Zeitfehler, waren aber wieder strafpunktfrei im Parcours, so dass sie neben der Bronzemedaille im Berufsreiterchampionat auch noch einen zwölften Platz in der Gesamtwertung mit nach Hause nahmen.
Ben Leuwer gestürzt, „fehlende Routine“
Einziger Rheinländer des Starterfeldes war Ben Leuwer im Sattel des zwölfjährigen Oldenburgers Quincent v. Quintino. Für den Wallach war es das erste Vier-Sterne-Turnier. Nach der Dressur lag das Paar auf Platz 15. Im Gelände fingen sie gut an, lösten an Hindernis 12a allerdings ein Breakable Device aus. Das sind die Sicherheitspins, die brechen wenn es zu einem starken Anprall kommt. An Hindernis 19b kam es dann zu einem Sturz und damit zum Ausschluss. Das Abenteuer ging aber für beide Beteiligten glimpflich aus, wie Leuwer, der zusammen mit seiner Frau Pia einen Vielseitigkeitsstall auf dem Rodderberg in Bonn betreibt, versichert.
Eine Analyse der Situation? „Das war ein Mangel an Routine. Es war ja seine erste Vier-Sterne-Prüfung und wir waren auf dem letzten Viertel der Strecke. Bei dem Hindernis handelte es sich um eine Kombination und es fehlte einfach etwas die Übersicht und Kraft, so dass er hängengeblieben ist und ich klassisch abgeschossen bin.“
Dabei sei aber weder ihm noch dem Pferd etwas passiert. „Ich hatte überhaupt nichts und er ist gleich weitergaloppiert in Richtung Ziel und hat unterwegs noch den vorletzten Sprung mitgenommen“, erzählt Leuwer mit einem Schmunzeln in der Stimme. Demnach sei es auch für Quincent kein „traumatisches Erlebnis“ gewesen, versichert Leuwer.
Glücklich dürfte das Ehepaar Leuwer auch mit dem Auftritt eines alten Bekannten aus ihrem Stall gewesen sein. Der Fuchs Booze Buddy v. Balou Peggio, der erst mit Wiebke Jaspers Bundeschampion der fünfjährigen Vielseitigkeitspferde und dann mit Pia Leuwer Zweiter bei den Sechsjährigen geworden war, war Anfang 2025 vom Rodderberg zu der Schwedin Sofia Sjoborg umgezogen. Marbach war das erste Vielseitigkeitsturnier der beiden und für den siebenjährigen Hannoveraner außerdem die erste CCI2*-Prüfung. Sie fügten ihrem Dressurergebnis lediglich 1,2 Zeitfehler im Cross zu und wurden Zehnte. Siegerin war hier Anna Siemer auf Nachwuchspferd Zacky Zack mit ihrem Dressurergebnis (27,8).
Gesamtsieg nach Schweden
Der Gesamtsieg der CCI4*-S Prüfung ging nach Schweden. Louise Romeike hatte ihr Olympiapferd Caspian mit nach Marbach gebracht. Der bildschöne Holsteiner Schimmel war bereits nach der Dressur mit 25 Minuspunkten (75 Prozent) in Führung gegangen. Im Gelände kamen noch 3,6 Zeitfehler hinzu und im Springen hatten sie einen Abwurf. Es reichte dennoch, um Platz eins bis zum Schluss zu verteidigen.
Das beste deutsche Ergebnis lieferten Malin Hansen-Hotopp und ihr Toppferd Quidditch mit einem zweiten Platz. Da Hansen-Hotopp jedoch keine Berufsreiterin ist, zählte das nicht für die Meisterschaftswertung.