AACHEN - CHIO 2025

VERBOOMEN Justin (BEL), Zonik Plus 
CDIO5* - Großer Dressurpreis von Aachen
Grand Prix Kür / Freestyle

Aachen, Reitstadion Soers
06. July 2025
© www.sportfotos-lafrentz.de/Stefan Lafrentz

Kopf an Kopf Rennen mit Wow-Effekt

Justin Verboomen konnte sein Ergebnis kaum fassten. (Foto Stefan Lafrentz)

Gänsehaut, mitreißende Musik und ein spannender Wettkampf – all das bot die Dressurkür im ausverkauften Stadion beim CHIO in Aachen. Wenn man über etwas meckern möchte, dann vielleicht über das Wetter, aber der Regen konnte niemandem die Stimmung vermiesen. Denn das was die Reiter und ihre Pferde boten war einmal mehr großer Dressursport.

Zufriedene Zweite wurde heute Isabell Werth mit Wendy de Fontaine. (Foto Stefan Lafrentz)

Nach seinem fulminanten Sieg im Grand Prix Spezial warnte Mitstreiterin Becky Moody Justin Verboomen in Bezug auf Isabell Werth, dass sie im Grand Prix angreifen und ihm den Sieg nicht schenken wird. Dass die Rheinbergerin Nerven wie Drahtseile hat und ein zweiter Platz für sie immer ein Ansporn ist noch eine „Schippe“ drauf zu legen, ist kein Geheimnis. Und was Alle von ihr erwarteten, lieferte die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten. Im Sattel von Wendy de Fontaine lieferte sie die beste ihrer drei Runden hier in Aachen. Mit der eigens für Wendy komponierten Musik, in der „Oh Wendy“ gesunden wird, anstatt „Oh Mandy“. Die Stute präsentiere sich bereits auf dem Abreiteplatz mit ihrer beidruckenden Bewegungsqualität. Die Kraft und den Ausdruck, den sie in den Piaffen und Passagen zeigte suchen sicherlich ihresgleichen. Auf dem Weg ins Viereck hatte Isabell Werth den Sieg fest im Blick. Das Einreiten sicher und konzentriert. Dann eine gleichmäßige Passage mit viel Dynamik, die trotzdem ruhig im Ablauf wirkt, weil sie in entsprechend gutem Tag vorgetragen wird. In der Piaffe setzt sich die kapitale Stute gut und die Übergänge zwischen diesen beiden Lektionen gelingen fließend. Hier sammelt das Paar hohe Punkte. Die Piaffe wurde als schlechteste Note mit einer 8,5 bewertet. Das waren direkt zu Beginn der Prüfung deutliche Highlights. Im folgenden starken Trab stützt die Stute auf die Hand und wirkt leicht eilig. In den Traversalen kreuzt sie weit und präsentiert sich mit offenem Genick. Die folgende Passage wirkt erhaben und Wendy spielt mit ihrer kraftvollen Dynamik. In den Übergängen zur Piaffe und wieder heraus ist ein Tritt wie der andere. In der Einleitung zur Traversale nach der Pirouette geht die Hinterhand kurz voraus, dann sehen die Zuschauer aber, wie Wendy immer erhabener wird. Im Schritt kommt die Stute sofort zur Ruhe und zum Schreiten, hätte sich aber noch mehr zur Hand dehnen dürfen. Im versammelten Schritt ist sie sehr offen im Genick. In der Traversale wird Wendy noch größer als sie eh schon ist. Trotzdem hatte man das Gefühl, dass nicht nur die Zuschauer die Luft anhielten. Die Pirouetten kann Isabell Werth sehr klein reiten, ohne dabei den nötigen Durchsprung zu verlieren. Dabei gelangen die Linkspirouetten noch besser als die nach rechts. Die Zweierwechsel reitet Isabell Werth mit wenig Risiko, aber die Lektion gelingt sicher. Die Einerwechsel waren sowohl bei den Deutschen Meisterschaften als auch hier in Aachen der Moment in der Prüfung in denen das Paar wertvolle Punkte verlor. Heute gelangen sie fehlerlos, wenn auch nicht ohne Spannung. Die Stute scheint in dieser Lektion die Luft anzuhalten und Isabell Werth muss sie nach allen Kräften unterstützen. Das hochkonzentrierte Gesicht von Werth wechselte nach der Diagonalen dann zu einem breiten Grinsen.  „Die Galopparbeit war heute schon deutlich besser als in den beiden Prüfungen davor. Wendy war entspannter, kann aber hier noch relaxter sein“, resümiert die Reiterin nach der Prüfung. Dabei zeigte sie sich mehr als zufrieden mit ihrer Stute, gleichzeitig aber auch selbstkritisch. „Ich war wirklich sehr happy mit ihrer Entwicklung in den letzten drei Tagen“, freut sie sich über die guten Leistungen ihres Pferdes. Auf der Schlusslinie feierten die Zuschauer das Paar bereits zu Beginn der letzten Linie. Jubelrufe und lauter Applaus begleiteten eine beeindruckende Passage- und Piaffearbeit. Hat man während der Prüfung immer mal das Gefühl, dass die große Dynamik und die Kraft, die Wendy in die Bewegung einbringt zu Momenten zu großer Anspannung führt, so scheint sie die letzte Linie fast zu genießen. Während andere Pferde sich vom Applaus eher einschüchtern lassen, blüht sie richtig auf. Wendy steht auch zum Schluss wie ein Denkmal und schreitet begleitet von Standig Ovations und lautem Applaus aus dem Viereck wie eine Gewinnerin. Isabell Werth freute sich nicht nur über das Ergebnis von 88,44 Prozent, sondern auch über die tollen Leistungen von ihrem Pferd: „Ich war einfach super happy mit ihr!“ Die Musik zu der das Paar über das Viereck tanzt nimmt das Publikum mit Mit „Go your own way“ drückt die Reiterin aus, was sie seit Jahren tut: Ihre Linie verfolgen, unabhängig von den Kritikern, die es zu ihren Vorstellungen immer auch gibt. Genauso hat sie aber ihre Fans und viele waren sich sicher, dass sie in diesem Moment das Siegerteam gesehen haben.

Sie begeisterten das Publikum: Zonik Plus und Justin Verboomen. (Foto Stefan Lafrentz)

Was dann kam, ließ viele auf den Rängen mit einer Gänsehaut zurück. „Zwei völlig unterschiedliche Pferde, eine mit ganz viel Dynamik und der Andere mit Geschmeidigkeit“, erklärte Isabell Werth später. Während sie selbst auf eine kraftvolle und ausdrucksstarke Kür setzte, fuhr man mit der Musik von Justin Verboomen regelrecht herunter. „Ich bin meinem Musikproduzenten sehr dankbar. Wir haben die Kürmusik vor einigen Wochen noch einmal umgestellt, weil sie für mich nicht das transportiert hat, was ich zeigen möchte. Ich möchte, dass die Menschen den sensiblen Teil von Zonik und auch von mir sehen“, berichtet der Belgier, der für sein Heimatland an diesem Wochenende Dressurgeschichte geschrieben hat, nach dem Ritt. Feines Reiten untermalt von soften Klängen und doch war die Kür an keiner Stelle langweilig. Den eine Schwierigkeit folgte auf die nächste und das gemeinsam noch unerfahrene Paar meisterte jede Klippe mit Bravour. Die Choreographie war schwierig, und dabei geschickt aufgebaut. So untermalte sie die vielen Stärken des Paares. In der Passage hereinkommend hält der Reiter direkt hinter dem Einlass zum Viereck. Die Kür beginnt mit einer guten Piaffe. Dann passagiert das Paar über die Diagonale in Richtung E. In der folgenden Piaff-Pirouette sieht man die deutliche Entwicklung in den letzten Tagen. Während der Rappe im Grand Prix nach dem Unterfußen das Hinterbein immer noch einmal deutlich nach hinten setzte, konnte er die Piaffen heute mit gutem Unterfußen vortragen. Er setzt sich und piaffiert wie ein Uhrwerk. In der Trabverstärkung trabt er über viel Boden, dürfte den Rahmen aber noch etwas deutlicher Erweitern. Die Traversalen im versammelten Trab und in der Passage sind sehr gleichmäßig und geschmeidig. Zwischendurch sieht man im Trab ein ganz leicht zuckendes Hinterbein. Im Schritt kommt der Wallach zwar zur Ruhe, und versucht durch den Körper zu schreiten, der Hals könnte hier aber noch mehr Dehnung in die Länge vertragen. Hier muss man sicherlich sowohl das Alter als auch das Exterieur des Pferdes mitbetrachten. Mit nahezu keiner Prüfungsroutine in einer solchen Kulisse und dem hoch angesetzten Hals des Pferdes, findet sich hier ein Punkt an dem Verboomen im Verlauf der weiteren Ausbildung noch arbeiten kann. Aus dem Schritt geht es direkt in eine Piaffe vor der kurzen Seite und daraus in eine gut gesetzte und durchgesprungene Pirouette. Für die Pirouetten erhält das Paar Noten bis 9,5. In der Traversale wird der Galoppsprung etwas kürzer. Auch hier ist sicherlich noch Luft nach oben. In der Wechseltour demonstriert Verboomen dann die Durchlässigkeit von Zonik Plus. Die Zweierwechsel auf gebogener Line gelingen wie aus einem Guss. Daraus geht es in eine gut gesetzte Pirouette aus der eine Traversale mit geschmeidige Traversale folgt, die sich allerdings auf die Grundqualität des Galopps auswirkt. Die Galoppsprünge werden kürzer und etwas flacher. Die Einerwechsel legt Verbommen im Vorwärts an, Zonik Plus wird hier wieder größer und springt die Wechsel nach oben durch. Im Wechsel nach rechts spring er dabei mit dem Hinterbein etwas kürzer durch als beim Wechsel nach links. Die Schlusslinie beginnt mit einer gut gesetzten Pirouette, aus der es direkt in eine erhabene Piaffe übergeht. Nach einer kraftvollen Passage gelingt auch der Schlussgruß. Auch dieses Paar wurde vom Publikum mit tosendem Applaus zum Schlussgruß begleitet. Das Pferd voll bei seinem Reiter, ließ sich davon nicht ablenken. Auch Zonik Plus verlässt das Dressurstadion gelassen und dabei fast ein wenig stolz schreitend. Justin Verboomen beeindruckte durch feinste Hilfengebung, mit der er sein sensibles Pferd passend unterstützte. Wo andere den Zügel der Kandarre oft zu stramm verwenden, lässt der Belgier diesen in weiten Teilen fast durchhängen. Die Anlehnung war deshalb, wenn man etwas kritisieren möchte, einer der Knackpunkte der Prüfung. Zonik Plus müsste noch besser zur Hand hinziehen und das Maul sollte ruhiger werden. Denn auch wenn man nicht das Gefühl hat, dass der Hengst unzufrieden im Maul ist, „klappert“ er in weiten Teilen der Prüfung mit dem Gebiss. Für die Harmonie zwischen Reiter und Pferd vergaben die Richter eine durchschnittliche Note von 9,7. „Ich wollte etwas Sanftes und Geschmeidiges zeigen. Wir hatten eine tolle Verbindung und das war mein Hauptziel. Zonik wurde von Tag zu Tag besser und das war mir wichtig“, erzählt der Reiter später.

Das Warten auf die Noten glich dann einem echten Krimi. Denn nun waren sich die Zuschauer doch nicht mehr sicher, ob man mit Isabell Werth und Wendy die Sieger gesehen hatte. Drei Richter vergaben Gesamtpunkte über 90 Prozent. Mit 89,4 Prozent sorgten Verboomen und Zonik Plus für eine kleine Sensation. Zum ersten Mal wird nun der Name eines Belgiers auf der berühmten Siegerwand der Dressurreiter in Aachen stehen. „Das ist der Sport und das ist auch einfach das, was ich so liebe“, zeigte sich Isabell Werth später als entspannte und gleichzeitig anerkennende Zweite. Das Publikum kam aus dem Feiern kaum mehr heraus. Noch Minuten später bekam das Paar Szenenapplaus beim Schritt reiten auf dem Abreiteplatz. Auf die Frage, ob er bereits viele Kaufanfragen für Zonik Plus erhalten habe, antwortete Justin Verboomen: „Sehr viele“. Es sei keine ganz leichte Entscheidung gewesen den Rappen zu behalten. Denn nicht erst in Aachen wurde sein Talent erkannt. Der Reiter ist gleichzeitig auch der Besitzer des Pferdes. „Ich habe gerade als Projekt meine eigene Reitanlage zu eröffnen. Und da war es natürlich verlockend ihn zu verkaufen“, erklärt er die Hintergründe. Am Ende entschied er sich aber, dass die Reitanlage warten muss und Zonik Plus nicht verkauft wird. Selbst der Besitzer zu sein lässt automatisch einen finanziellen Druck entstehen. Auf der anderen Seite verspürt der Reiter weniger Druck, denn außer ihm selbst kann niemand die Entscheidung treffen, ihm Zonik Plus weg zu nehmen.

Frederic Wandres und Bluetooth schlossen die Aachenwoche mit Rang drei in der Kür ab. (Foto Stefan Lafrentz)

In den „Hexenkessel“, den Justin Verboomen und Zonik Plus hinterließe, mussten dann Frederic Wandres und Bluetooth traben und die Beiden machten, was sie eigentlich immer tun: Sie lieferten. Die Beiden begeisterten mit einer neuen Musik. „Love Love Love“, „I want to know what love ist“ und „Everlasting love“ spiegelten wieder, was Wandres für die aktuelle Zeit wichtig findet: „In diesen Zeiten braucht es mehr Liebe.“ Die Musik ist sogar so neu, dass der Producer sie direkt an das Turnierbüro geschickt hat. „Wir hatten keine Zeit mehr mit der Musik zu üben, aber ich mag sie sehr und Bluetooth ging eine tolle Runde dazu“, ist der Reiter später sehr zufrieden mit seiner Prüfung und auch mit seiner Platzierung. „Am letzten Tag noch einmal in den Top drei zu sein ist doch eine gute Entwicklung“, schmunzelt er.

Und die Entwicklung konnte sich sehen lassen. Der Braune und sein Reiter wirkten trotz der aufgeheizten Atmosphäre durch Justin Verboomens Noten entspannt und trotzdem voll im Fokus. Die Traversalen gleichmäßig, gut schwingend und kreuzend, folgte ein starker Trab in schönem Seitenbild. In der Passage und Piaffe war der Wallach nicht immer ganz gleichmäßig, dies war aber im Vergleich zu den Deutschen Meisterschaften deutlich verbessert. In der Piaff-Pirouette zeigte Bluetooth sich aktiv unterfußend. Im starken Schritt kam er gut zum gelassenen Schreiten. Der versammelte Schritt war erhaben, war aber einer der Knackpunkte der Prüfung. Zwölf durchlässige Zweierwechsel zeigte das Paar auf der gebogenen Linie. Die Pirouette leitete Wandres zunächst etwas größer ein, dann war sie aber gut zentriert. Hier stützte der Wallach aber auf die Hand, sodass sie auch hier einige Punkte verloren. Die schnurgeraden Einerwechsel zeigte das Paar auf der Mittelinie. Nach einem frisch nach vorne gerittenen starken Galopp war der Übergang zunächst stockend. Die Prüfung, in der Reiter und Pferd harmonisch zusammen arbeiteten, beendeten sie auf gebogener Linie noch einmal mit Passage und Piaffe. Auch dieses Paar wurde mit Applaus zum Schlussgruß begleitet. Hier stand Bluetooth wie ein Denkmal. 84,49 Prozent standen am Ende auf der Anzeigetafel und bedeuteten Rang drei.

Joao Pedro Moreira konnte in allen Prüfungen mehr als zufrieden sein. (Foto Rebecca Thamm)

Ein schönes Bild haben auch Joao Pedro Moreira und Drosa Fuerst Kennedy abgegeben. Vielleicht fehlte dem Rappen heute die allerletzte Kraft und Dynamik, aber insgesamt zeigten sie eine sehr harmonische Kür. Diese startete direkt auf der ersten Mittellinie mit einer gut zentrierten doppelten Pirouette. Zehn Zweierwechsel führten zu einer Traversale. Danach ein mutig gerittener starker Galopp. 18 Einerwechsel die im bergauf gesprungen waren, aber über mehr Boden hätten sein dürfen. In den folgenden Einerwechseln hatte das Paar einen Fehler. Daraus zeigten sie eine doppelte Pirouette in der sich Fuerst Kennedy gut setzte.   Daraus ging es direkt über in die Passage und danach in eine etwas zu groß angelegte Piaff-Pioruette. In dieser Piaffe setzte sich der Rappe in einem Moment zu viel und man hatte kurz das Gefühl, dass er die Piaffe nicht halten kann, fing sich aber schnell wieder. Daraus entwickelte Moreira einen gelassenen starken Schritt, in dem der Reiter seinen vierbeinigen Sportpartner gut zur Dehnung kommen ließ. Der starke Trab gut über den Rücken schwingend und mit genügend Abdruck. Auf der Schlusslinie genoss der Portugiese seine Vorstellung noch einmal richtig. Einhändig passagierte er in Richtung letzte Grußaufstellung. Begleitet vom Applaus der Zuschauer galoppierte Fuerst Kennedy einmal kurz an, machte dann aber mit einer sicheren Passage weiter. Ein glücklicher Reiter und ein zufriedenes Pferd verließen entspannt das Prüfungsviereck.

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