
Einen belgischen Sieg erwartet man in Aachen nicht unbedingt, wenn man sich Karten für den Grand Prix Spezial der 5*-Tour kauft. Das ist spätestens seit heute anders, und für Insider der Szene war es ohnehin keine Überraschung.






Justin Verboomen und Zonik Plus wussten bereits im Nationenpreis Grand Prix zu überzeugen und verhalfen der belgischen Mannschaft zum einem historischen zweiten Platz in dieser Prüfung. Auf die Frage ob ihn die gute Leistung seines Pferdes überrascht hätte, antwortete van Boomen selbstbewusst: „Nein“ und fügte noch hinzu, dass das Paar längst noch nicht zeigen kann, was zu leisten im Stande ist. Heute war er nach der Prüfung etwas zurückhaltender. Nicht, weil er nicht mit der Leistung nicht zufrieden war – im Gegenteil: Man hatte das Gefühl, dass er seinen Sieg einfach noch nicht fassen konnte. Kein Wunder, denn er hatte einige große Namen des Sports hinter sich gelassen. „Ich bin einfach nur stolz auf ihn“, fasste van Boomen seine Prüfung zusammen und fügt hinzu: „Die Prüfung war kein Spaziergang, aber er hat das einfach toll gemacht und wir können immer noch nicht zeigen, was wir im Training schon können. Im Training geht er das Programm schon viel entspannter, das heute war erst der Anfang.“ Und da sind sich auch seine Konkurrenten sicher. „Es war absolut keine Überraschung, das Justin und Becky hier heute auf dem Podium stehen. Wer die Beiden auf den vergangenen Turnieren beobachtet hat, der wusste was da kommt. Und das ist das Tolle an unserem Sport – es bleibt immer spannend“, zeigte sich Isabell Werth begeistert von den Ritten der Beiden anderen Reiter. „Aber falls du es noch nicht weißt – morgen wird sie dich jagen“, lacht Becky Moody in Verboomens Richtung und fügt anerkennend hinzu: „Das war heute erst der zweite Grand Prix Spezial, den Justin und Zonik Plus jeweils in ihrem Leben geritten sind.“ Dann lacht sie: „Und ich bin fast gar nicht neidisch!“ Das Paar begeisterte aber nicht nur die anderen Reiter, sondern auch die Richter und viele Zuschauer. Zonik Plus, der seit Zeijährig bei Justin Verboomen ist, trabte in das Deutsche Bank Stadion, als würde er schon sein Leben lang in großen Arenen gehen. Das Paar beginnt die Prüfung mit einer guten Grußaufstellung und sichert sich gleich in der ersten schwungvollen und gut kreuzenden Traversale die ersten Neun im Protokoll. Die Passage ist erhaben, der Rappe könnte aber noch mehr unter den Schwerpunkt fußen. Die zweite Traversale sorgt für die nächsten Neunen im Protokoll. Die Passage ist gleichmäßig, aber ins vorwärts angelegt. Der starke Schritt ist zunächst nicht ganz losgelassen, wird auf der Diagonalen aber besser. In der Rückführung zum versammelten Schritt paradiert der Hengst. In der Piaffe erhält das Paar zwei Mal die Neun. Im Vergleich zum Grand Prix war diese Lektion deutlich verbessert, trotzdem fußt das Pferd nachdem es unter den Schwerpunkt tritt wieder nach hinten zurück. Wenn heute auch deutlich weniger als noch am Donnerstag. Die folgende Passage gelingt mit viel Ausdruck. In der ersten Galopptraversale kommt leichte Spannung auf, genau wie in der Trabtour präsentiert sich das Pferd zwar in gute Aufrichtung, hat aber auffällig oft das Maul deutlich geöffnet und klappert teilweise mit dem Gebiss. Der Kandarenzügel hängt zwar eher durch, als dass er zu stramm ist – ein ganz zufriedenes Maul vermisste man in dieser Prüfung jedoch. Die Zweierwechsel waren leicht schwankend und in den Einerwechseln springt das Pferd mit dem rechten Hinterbein kürzer als mit dem linken. Die Pirouetten waren erneut ein Highlight der Prüfung. Sehr zentriert und gleichmäßig in der Sprungfolge. Für die erste zückt ein Richter die Bestnote Zehn. Die folgenden Übergänge gelangen geschmeidig. Dass das Ergebnis von 80,745 Prozent ein Personal Best darstellt, braucht man nicht dazu zu schreiben, wenn man die Prüfungshistorie der Beiden kennt. Darüber hinaus haben sie dieses Jahr für ihr Heimatland Belgien in der Soers Geschichte geschrieben.



Isabell Werth
Mit dem Thema Geschichte schreiben kennt sich auch die Zweitplatzierte gut aus. Als erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeit war Isabell Werth in Aachen nicht selten das Maß aller Dinge. Und auch in diesem Jahr hatte sie den Sieg fest im Blick. Im Sattel von Wendy de Fontaine ritt sie mit viel Energie ins Viereck. Die Stute ist imposant und die Kraft, die sie in jede Bewegung legt, ist zwischendurch an der Klippe zu zu viel Spannung. Die Traversale war ein erstes Highlight der Prüfung. Schon früher war Isabell Werth für ihre guten Traversalen bekannt. Heute waren die Traversalen weit kreuzend. Die Passage war deutlich gleichmäßiger als im Grand Prix, das Seitenbild war ansprechend, gleichzeitig war die Stute aber auch fest im Genick und verwarf sich zwischenzeitlich leicht. Die Dynamik, die Wendy in diese Lektion bringt, erklärt die hohen Noten für diese Lektion. Der starke Schritt wurde gelassen und gut schreitend vorgetragen. Der versammelte Schritt hingegen zeigte sich als Schwachpunkt im ansonsten mit Höchstnoten gespicktem Protokoll. Die folgende Piaffe gelingt gut und auch die Übergänge gehören zu den Besten der Prüfung. Aus einer erneut dynamischen Passage folgt eine weitere überzeugende Piaffe. Die Galopptour beginnt im deutlichen Bergauf. Und auch die Galopptraversalen können sich sehen lassen. Hier stimmten das Gefühl der Reiterin und das der Zuschauenden überein: „Die Galopptraversalen fühlen sich einfach nur toll an. Wendy wird da richtig groß vor mir und das ist ein tolles Gefühl“, freut sich die Reiterin nach der Prüfung über eines der Highlgihts aus der Aufgabe. Die Zweierwechsel sind leicht schwankend und die Stute könnte hier noch deutlicher unter den Schwerpunkt springen. Bei den Einerwechseln verwirklichte sich erneut der Fluch aus Balve. Die Stute scheint die Luft anzuhalten und dann aus dem Rhythmus zu kommen. Die Pirouetten sind zentriert und im Bergauf. Die Einerwechsel dazwischen gelingen ohne Fehler. Und obwohl die Stute auch hier fest in der Oberlinie wirkt, gelingen der Übergang in den Trab geschmeidig. Auf der Schlusslinie konnte das Paar dann noch einmal Punkten, und die Piaffe sorgte noch einmal für Begeisterung bei den Anwesenden. Das Publikum feierte Isabell Werth und Wendy de Fontaine für die Vorstellung, für die sie 80,106 Prozent erhielten.


Becky Moody
An dritter Stelle reihte sich ein Paar in der Platzierung ein, welches insbesondere durch seine Harmonie begeistern konnte. Richtig aufmerksam wurde die Öffentlichkeit auf das Paar als sie im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen ins britische Team nachrückten und in Paris tolle Runden drehten. Und auch in Aachen überzeugten sie bereits im Grand Prix. Auf die Frage, ob sie selbst vor zwei Jahren geglaubt hätte, dass sie einmal solche Turniere reiten würde antwortet Moody: „Damit geht wirklich ein Traum in Erfüllung. Ich wusste, dass Jagerbomb ein gutes Pferd ist. Wie gut er wirklich ist, habe ich glaube ich erst 2023 bei meinem Start in London realisiert. Und das war auch der Moment von dem an ich mich getraut habe von solchen Turnieren zu träumen.“ Hochmotiviert startete das Paar heute in die Prüfung. Und das war gleichzeitig auch das Problem, denn der Braune war voller Energie und kam während der Grußaufstellung nicht zur Ruhe. „Er ist so energetisch. Das ist für viele Teile der Prüfung toll und wir brauchen das. Stillstehen ist nicht seine Stärke. Er möchte Jedem zeigen, wie gut er piaffieren kann. Blöd nur, wenn man eigentlich gerade halten möchte“, schmunzelt sie nach der Prüfung. „Hier in Aachen zu reiten ist wirklich etwas Besonderes. Vor so einem fachkundigen Publikum geht man nicht immer an den Start. Es ist beeindruckend, wie nah die Zuschauer beim Spectator Juging an den Noten der Richter sind“, fügt sie hinzu. Und genau diese Zuschauer mochten Becky Moody und ihren Jagerbomb sehr. Auch diese Beiden erzielten heute mit 78,404 Prozent ein persönliches Bestergebnis. Wie schon erwähnt begann ihre Prüfung mit einer misslungenen Grußaufstellung. Man hatte jedoch nicht das Gefühl, dass der Grund hier negative Spannung war. Viel mehr wollte der Wallach los und fand deshalb nicht zur Ruhe. Die Traversalen wurden gleichmäßig vorgetragen und sicherten dem Paar die erste Neun im Protokoll. In der Passage arbeitet Jagerbomb gleichmäßig durch den Körper und zieht schön zur Hand. In der ganzen Prüfung wirkt die Reiterin fein ein und stellt das Pferd mit dem zufriedensten Maul vor. Jagerbomb kaut zufrieden und das Maul ist geschlossen. Wenn man meckern möchte, muss man sagen, dass der Wallach zwischendurch leicht hinter die Senkrechte kommt. Das wird aber jedes Mal feinfühlig von seiner Reiterin korrigiert. Die Übergänge gelingen dementsprechend geschmeidig. Die zweite Traversale ist genügend schwingend und kreuzend. Bei guter Stellung und Biegung. Der Schritt ist zwar gelassen, der Wallach dürfte aber mehr übertreten und noch deutlicher zum Schreiten kommen. Eine gute Piaffe-Passage-Tour geht dem Galopp voraus. In der Linkstraversale überzeugt das Paar wieder mit einer guten Längsbiegung, die man so heute nicht bei allen Pferden erkennen konnte.
Die Serienwechsel gelingen ebenfalls fehlerfrei. Die Pirouetten sind sehr zentriert. Die letzte Linie mit Passage und Piaffe gelingt noch einmal sehr durchlässig. Für noch höhere Noten dürfte der Wallach aktiver abfußen, aber insgesamt konnte das Paar hier noch einmal überzeugen. Mit dieser Runde hat Becky Moody heute definitiv Werbung für den Dressursport gemacht!


Eine weitere Reiterin, der dies ebenfalls gelungen ist, war Katharina Hemmer. Sie stellte Denoix PCH mit sehr viel Gefühl vor. Auch wenn die Prüfung des Paares nicht ganz fehlerfrei war, einen Harmoniepreis hätten die Beiden heute auf jeden Fall gewinnen können. Denn obwohl das Pferd sichtlich gestresst von der Atmosphäre war, konzentrierte er sich auf seine Reiterin und ließ sich von ihr fein durch die Prüfung führen. Mit 77,447 platzierten sie sich an vierter Stelle.



João Pedro Moreira
Dass es sich durchaus lohnt, sich auch die Paare anzuschauen, die von den Richtern nicht unbedingt mit absoluten Höchstnoten bedacht werden, bewies heute João Pedro Moreira. Der Portugiese, der für einen rheinischen Verein reitet, konnte im Sattel von Drosa Fuerst Kennedy OLD mit feinem Reiten überzeugen. Sein vierbeiniger Sportpartner zeigte sich zufrieden und motiviert in jeder Lektion. Besondere Highlights waren hier die Piaffen und Passagen. „Hätte er einen berühmteren Namen, dann hätte er dafür deutlich mehr Punkte bekommen“, waren sich einige Zuschauer sicher. Einziger Kritikpunkt der gefragten Zuschauer war das über weite Teile der Prüfung offene Maul des Rappen. „Aber die Handeinwirkung wirkte auf uns nicht grob“, fassten sie zusammen. Woran es genau lag, dass er beispielsweise für das erste Halten nicht mehr Punkte bekommen hat, das wissen nur die Richter, die sich hier allerdings sehr einig waren. Am Ende konnte der Portugiese mit sich und seinem Pferd mehr als zufrieden sein. 73,596 Prozent bedeuteten am Ende Rang sieben.
Die Noten in einer Dressurprüfung sind auch immer eine Frage der Perspektive. Während die Richter Lektion für Lektion mit Punkten versehen, beurteilt man selbst oft auch den allgemeinen Eindruck. Trotzdem wäre es zu begrüßen, wenn das Thema Durchlässigkeit und Harmonie eine größere Bedeutung für das Gesamtergebnis hätten. Dann würden auch Paare bei denen zwar die Bewegungsqualitäten des Pferdes herausragend, die Themen Durchlässigkeit und sinnvolles Maß an „Das Pferd fordern“ vergeblich zu suchen sind, weiter hinten in der Ergebnisliste landen. Das Publikum tat seine Meinung heute beispielsweise bei Andreas Helgstrand kund. Der Däne wurde beim Verlassen des Vierecks von einigen Zuschauern ausgebuht.