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Isabell Werth und Wendy: A perfect match

Isabell Werth und Wendy de Fontaine sorgten für absolute Gänsehaut in der Kür.

“A perfect match” ist nicht nur das Motto des diesjährigen CHIO Aachen mit dem Partnerland USA, sondern ganz eindeutig auch das von Isabell Werth und Wendy de Fontaine. Gemeinsam sorgten die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt und ihr Neuzugang im Stall heute für pure Emotionen im Deutsche Bank Stadion. Mit einer überragenden Kür, bei der einfach alles gestimmt hat, entschieden sie den Großen Dressurpreis von Aachen für sich. 

“Ich bin schon sehr viele Prüfungen geritten, aber die heute war wirklich eine der Besondersten in meinem Leben”, zeigte sich Isabell Werth selbst noch voller Emotionen nach ihrem Ritt. Auch am letzten Turniertag präsentierte sich ihre Stute mit viel Frische, Ausdruck und zugleich einer gewissen Lässigkeit, die im Verlauf der Prüfung dazu beitrug, dass Isabell Werth das gesamte Stadion zum Beben brachte und trotzdem ihre Lektionen auf den Punkt bringen konnte. Es gelang den beiden auf unvergleichliche Weise, ihre technisch höchst anspruchsvolle Kür wie ein Kinderspiel aussehen zu lassen. Mehr noch, Wendy piaffierte wie ein Uhrwerk, alles klappte wie am Schnürchen und man konnte förmlich sehen, dass das Pferd die einzigartige Atmosphäre im voll besetzten Stadion genoss. Auch Isabell Werth hatte sichtlich Spaß an dem, was sie tat – und konnte dank einer vertrauensvollen Wendy, die selbst beim immer lauter werdenden Applaus des Publikums stets bei ihrer Reiterin blieb, die Schlusslinie bis zum letzten Moment auskosten. Ein paar beruhigende Worte an die Stute während der letzten Piaff-Piourette, ein fast schon ungläubiges Kopfschütteln über diesen nahezu perfekten Moment zwischen sich, ihrem Pferd und über 6000 Menschen im Publikum – und schließlich Tränen der Freude auf dem Weg zum Schlussgruß. Minutenlanger, tosender Applaus und Standing Ovations für eine sichtlich bewegte Isabell Werth. Und eine Wendy, die dafür umso unaufgeregter am langen Zügel ihre große Bühne verließ. “Wendy hat es mir so einfach gemacht. Sie hat nur darauf gewartet, dass ich ihr sage, was sie tun soll. Heute war unser Tag!”, freute sich die Rheinbergerin angesichts der herausragenden Leistung ihrer zehnjährigen Sezuan-Tochter, die sie erst zu Beginn des Jahres aus dem Stall Helgstrand übernommen hat.  

Dass die Chemie zwischen den beiden stimmt, zeigte sich jedoch schnell bei den ersten gemeinsamen Turnieren. Seither sind die erfahrene Reiterin und die dänisch gezogene Stute immer mehr zusammengewachsen und präsentierten sich auch hier in Aachen von Tag zu Tag noch ein bisschen besser. “Wir lernen uns auch in dieser besonderen Turnieratmosphäre immer mehr kennen und ich habe das Gefühl, dass wir uns von Tag zu Tag noch ein bisschen näherkommen”, so Isabell Werth. Als sich ihr Mitte Januar die Möglichkeit bot, Wendy zu reiten, war die Rheinbergerin übrigens sofort Feuer und Flamme: “Ich hatte die Stute bereits in ein paar Prüfungen gesehen und fand schon immer, dass sie ein unglaubliches Potenzial hat. Sie hat eine fantastische Einstellung und ist zu allem bereit. Inzwischen weiß ich, sie hat nicht nur den Willen, sondern auch das Können für die ganz großen Aufgaben.” So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Isabell Werth die Verbundenheit zu ihrer Stute – trotz dessen, dass sie erst seit Kurzem ein Paar sind – auch in ihrer Kür zum Ausdruck brachte. Denn für die Galopptour wurde aus Barry Manilows Ohrwurm “Oh Mandy” tatsächlich kurzerhand: “Oh Wendy”. Oh Wendy, das dachten an diesem Vormittag schließlich nicht nur ihre überglückliche Reiterin und die faszinierten Zuschauer, sondern auch die Richter. Mit sagenhaften 89,095 Prozent katapultierten sie das Paar weit an die Spitze des hochkarätig besetzten Starterfeldes. Dieses Ergebnis war aber nicht nur ausschlaggebend zum Sieg im Großen Dressurpreis von Aachen – dem 15. in Isabell Werths Karriere –, sondern auch neues “personal Best” und ein eindeutiges Ausrufezeichen im Hinblick auf die Olympischen Spiele. Doch damit nicht genug: Am Nachmittag wurde Wendy de Fontaine im Hauptstadion zusätzlich als das erfolgreichste Dressurpferd des CHIO Aachen 2024 ausgezeichnet.

Im Lindt-Preis war übrigens das gesamte Siegerpodest von deutschen Startern besetzt. Den zweiten Platz verdienten sich mit einer ebenso großartigen Darbietung Frederic Wandres und Bluetooth OLD, die heute eine saubere, mit vielen Highlights gespickte Kür ablieferten und damit ihre anfänglichen Schwierigkeiten im Turnier überwunden hatten. 83,010 Prozent vergaben die Richter für den 14-jährigen Oldenburgerwallach von Bordeaux und seinen Reiter. “Jetzt bin ich – endlich – auch sehr zufrieden”, zeigte sich Frederic Wandres im Anschluss erfreut und erleichtert zugleich. Das konnte er auch sein: Am Nachmittag wurde er zusätzlich als bestplatzierter Reiter des Turniers geehrt. Platz drei gab es für Ingrid Klimke und Franziskus FRH, die bei einem etwas zu schwungvollen Einstieg in ihre Kür leider ein paar Punkte verloren. “Für mich war es das erste Mal, dass ich hier in Aachen die Kür am Sonntagmorgen reiten durfte”, freute sie sich nichtsdestotrotz über ihren Ritt vor einem “Once in a lifetime-Publikum”, wie sie es nannte. Ihr Auftritt im Sattel des 2008 geborenen Hannoveranerhengstes von Fidertanz wurde letztendlich mit 81,385 Prozent belohnt. Somit steht nun auch die Nominierung der deutschen Dressur-Equipe für die Olympischen Spiele in Paris fest. Während Jessica von Bredow-Werndl bereits vorher gesetzt war, konnten sich dank ihrer Leistungen in Aachen nun auch Isabell Werth und Frederic Wandres als fester Bestandteil des Teams empfehlen. Ingrid Klimke besetzt die vierte Position. 

Im Fahrstadion war das Vierspänner-Hindernisfahren die dritte und letzte Prüfung in der Einzel- und Mannschaftswertung. In der Einzelwertung siegte Boyd Exell aus Australien, der mit seinen Pferden Celviro, Checkmate, Hero, Ivor und Mad Max eine äußerst erfolgreiche Woche in Aachen gehabt hatte. Zweite wurde Mareike Harm mit ihren Pferden G, Racciano, Sunfire, Zalando und Zazou. Auch der dritte Platz blieb in Deutschland. Diesen sicherte sich Georg von Stein mit Darco, Desperado, Jarodelviro, Javiro und Jerco. Im Nationenpreis der Fahrer siegte schließlich die Niederlande mit Bram Chardon, Ijsbrand Chardon und Koos de Ronde vor dem deutschen Team, bestehend aus Michael Brauchle, Mareike Harm und Georg von Stein. Rang drei sicherten sich die belgischen Fahrer Dries Degrieck, Glenn Geerts und Tom Stokmans.

Tony Stormanns nach einer schnellen Null-Fehler-Runde.

Im Hauptstadion ging es zunächst in einer Junge Reiter Springprüfung mit Stechen um den NetAachen-Preis. Aus dieser ging Siebe Leemanns als Sieger hervor, der mit seiner Stute Karamella beide Durchgänge fehlerfrei beendete und in einer Zeit von 42,20 Sekunden blieb. Der Niederländer hatte auch schon die Einlaufprüfung in dieser Altersklasse gewinnen können. Ganz dicht hinter ihm reihte sich mit ebenfalls weißer Weste und 42,93 Sekunden Tony Stormanns ein. Der das Rheinland vertretende Reiter vom Eschweiler Pferdesportverein hatte zusammen mit neun weiteren Paaren das Stechen erreicht. Mit Donjon d’Asschaut, seinem französisch abstammenden Wallach von Vigo Cece, legte er hier seine zweite Nullrunde hin und freute sich schlussendlich verdient über den Treppchenplatz. Ebenfalls Doppel-Null blieben der Ire Tom Wachman und sein Pferd Obora’s Laura, eine von Luidam abstammende Stute. Diese beiden kamen nach 43,61 Sekunden ins Ziel und fanden sich damit auf dem dritten Platz wieder. Weiter ging es mit dem Mystic Rose Preis, einer CSIO5*-Springprüfung, die von Robert Whitaker für Großbritannien gewonnen wurde. Auf dem Rücken seines niederländischen Wallachs Evert, einem 2009 geborenen Amadeus-Sohn, blieb er ohne Fehler bei 64,97 Sekunden. Zu Platz zwei sprangen Romain Duguet und Bel Canto de Boguin aus der Schweiz. Auch der farnzösische Wallach von Grenat de Grez HN und sein Reiter blieben ohne Strafpunkte und erreichten eine Zeit von 65,19 Sekunden. Rang drei ging an Mclain Ward im Sattel von First Lady, einer elfjährigen Oldenburger-Tochter des Don Diarado. Diese beiden vertraten die Vereinigten Staaten von Amerika und kamen fehlerfrei in 65,64 Sekunden ins Ziel.

Den krönenden Abschluss der Springprüfungen beim CHIO Aachen bildet traditionell der Rolex Grand Prix, der Große Preis von Aachen. Ein hochdotiertes Springen, das neben einer beachtlichen Summe Preisgeld auch ebenso viel Prestige verspricht und dem Sieger die Chance auf den sogenannten Rolex Grand Slam bietet. Dementsprechend heiß her ging es zu beiden Normalumläufen der Prüfung, in denen sich die Weltelite des Springsports maß. Ein spannender Wettkampf gegen Fehler und Zeit, der für Gänsehaut auf den Tribünen des Springstadions sorgte – und in dem schließlich ein Stechen über Sieg und Platzierungen entscheiden musste. Vier Starterpaare schafften es, im zweiten Umlauf fehlerfrei zu bleiben und kamen so ein letztes Mal für dieses Jahr zum Stechen auf den “heiligen Rasen” in der Aachener Soers. Den Anfang machten Mclain Ward und Ilex, die das diesjährige Partnerland vom CHIO Aachen, die USA, repräsentierten. Der sprunggewaltige niederländische Wallach von Chestnut, elf Jahre alt, und sein Reiter legten dabei die Messlatte für ihre nachfolgenden Konkurrenten ordentlich hoch: Sie blieben im Stechparcours fehlerfrei und erzielten eine Zeit von 41,02 Sekunden. Das nächste Paar waren Martin Fuchs und seine Leonie Jei, eine 2012 geborene Baltic-Tochter, die ebenfalls aus niederländischer Zucht stammt. Der Schweizer musste jedoch einen Abwurf hinnehmen und hatte somit keine Chance mehr auf den Sieg. Mit Andre Thieme folgte ein deutscher Reiter, der heute nur an den Start ging, weil er nachgerückt war. Doch mit zwei erstklassigen Nullrunden machte er schon in beiden Umläufen seine Ambitionen deutlich. Und auch im Stechen gelang es ihm, seine Deutsche Sportpferde-Stute DSP Chakaria fehlerfrei über die Hindernisse zu lenken. Und dabei waren die 14-jährige Tochter des Chap und ihr Reiter auch noch schneller als Mclain Ward und Ilex: Ihre Zeit stoppte bei 39,77 Sekunden. Zu guter Letzt traten schließlich Richard Vogel und sein westfälischer Hengst United Touch S im Stechen an. Der Reiter und sein zwölfjähriger Untouched-Nachkomme, die schon im Vorfeld als Sieger gehandelt worden waren, gaben ordentlich Gas, waren auch schon fast fehlerfrei im Ziel – und dann fiel doch noch eine Stange am letzten Sprung. Ihre Zeit von 38,64 Sekunden hätte für den Sieg gereicht, doch somit mussten sie ihren deutschen Kollegen den Vortritt lassen. 

Andre Thieme zeigte sich im Rahmen der feierlichen Siegerehrung vor rund 40.000 Menschen sichtlich bewegt: “Nach dem Nationenpreis am Donnerstag war ich zuerst schon sehr enttäuscht. Eigentlich ist Chakaria in der Form ihres Lebens, aber da sind uns zwei ärgerliche Fehler passiert. Doch nach einigen Nullrunden mit meinem Zweitpferd Paule kehrte das gute Gefühl so langsam zurück und auch heute Morgen zeigte sich meine Stute so frisch und voller Energie, dass ich schon wusste: Sie ist heute gut drauf! Dass wir das dann hier in den beiden Umläufen und auch im Stechen so zeigen konnten, ist unglaublich. Hier den Großen Preis zu gewinnen, ist der Lebenstraum eines jeden Reiters.”

Fotos: Rebecca Thamm, Mirka Nilkens, Luisa Poose

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