
Seit Anfang des Monats ist Dr. Annette Wyrwoll nicht mehr Aktivensprecherin der deutschen Vielseitigkeitsreiter, sondern hat den Vorsitz des Vielseitigkeitsausschusses im Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) von Prof. Dr. Jens Adolphsen übernommen. Im Interview mit der FN verrät die Tausendsasserin, was ihr neues Amt bedeutet und welche Herausforderungen sie für die Zukunft sieht.
Eine Tausendsasserin ist Dr. Annette Wyrwoll gleich in mehrfacher Hinsicht: Sie ist zweifache Pferdewirtschaftsmeisterin (Zucht und Haltung sowie Reiten), hat sowohl sowohl Sport und Mathematik auf Lehramt als auch Veterinärmedizin studiert. „Nebenbei“ ist sie von Kindesbeinen an geritten – und das so erfolgreich, dass sie schließlich die deutschen Farben bei Championaten vertreten hat, unter anderem bei den Olympischen Spielen der Vielseitigkeitsreiter 2000 in Sydney. Sie war dort mit ihrem irischen Wallach Bantry Bay als 19. beste Deutsche. Danach beendete sie ihre sportliche Karriere.
In der Nähe von Regensburg, Bayern, hat Dr. Annette Wyrwoll eine eigene Tierklinik aufgebaut, die sie aber inzwischen verkauft hat. Sie ist FEI-Tierärtin und eine sehr gefragte Referentin für Gesundheits- und Ausbildungsthemen. Darüber hinaus kann sie auch auf 30 Jahre Erfahrung mit der eigenen Pferdezucht verweisen und engagiert sich zudem beim Trakehner Verband als Mitglied der Sportkommission und der Widerspruchskörkommission. Und nun ist sie eben auch Vorsitzende des DOKR-Vielseitigkeitsausschusses.
FN: Sie waren lange Aktivensprecherin. Was macht dieses Amt aus?
Dr. Annette Wyrwoll: Ich war fast 15 Jahre lang Aktivensprecherin, davon die letzten elf Jahre am Stück. Meine Aufgabe dabei war, die Anliegen der Aktiven im Ausschuss anzusprechen und zu vertreten. Das bedeutet, dass ich in den letzten Jahren einen sehr engen Kontakt zu ihnen hatte. Denn ich kann die Interessen ja nur vertreten, wenn die Aktiven auch Vertrauen haben. Sie dürfen keine Scheu haben, offen über alles zu sprechen, auch über Dinge, die eventuell nachteilig für sie sein könnten. Und dass es dann auch in ihrem Sinn im Ausschuss vorgebracht wird.
Warum jetzt der Vorsitz?
Dr. Wyrwoll: Das Amt der Aktivensprecherin hat mir viel Spaß gemacht. Aber eigentlich wollte ich in diesem Jahr aufhören. Ich dachte, es ist blöd, wenn ich mit fast 70 noch 23-jährige Reiter vertrete. Aber als ich das habe verlauten lassen, haben mich viele gebeten, doch weiterzumachen. Und als Jens Adolphsen bekannt gegeben hat, dass er nicht mehr kandidiert, war es sehr schwierig, einen Nachfolger zu finden. Es gab zwar viele Namen, die wir alle angerufen und kontaktiert haben. Aber die meisten haben abgelehnt. Dann kamen die Aktiven auf mich zu und haben mich letztlich überredet, das Amt zu übernehmen.
Was ändert sich jetzt?
Dr. Wyrwoll: „Bisher habe ich eben vorrangig die Aktiven und deren Interessen vertreten. In meinem neuen Amt werde ich mich noch mehr mit den Anliegen, Wünschen und Herausforderungen der anderen Beteiligten am Sport – Verbände, Veranstalter, Offizielle – befassen. Ich bin nicht mehr der alleinige Anwalt der Reiter, sondern muss noch mehr als bisher den gesamten Sport und dessen Entwicklung im Blick behalten.“
Was haben Sie sich vorgenommen?
Dr. Wyrwoll: „In erster Linie möchte ich eine gute Kommunikation. Mein Ziel ist, dass wir gut miteinander und fair umgehen und den Teamgedanken in den Vordergrund stellen. Sportlich gesehen sind immer die nächsten Olympischen Spiele das große Ziel. Auf dem Weg dorthin wollen wir möglichst von allen Championaten mit mindestens einer oder zwei Medaillen nach Hause zu kommen. Besonders wichtig sind dabei die Weltmeisterschaften im kommenden Jahr in Aachen. Wir wollen unseren Sport im eigenen Land im besten Licht dastehen lassen und uns gleichzeitig direkt für Los Angeles zu qualifizieren.
Unser Vorteil ist, dass wir in Deutschland ein Turnier- und Ausbildungssystem haben, um das wir weltweit beneidet werden, und auch großartig ausgebildete und reitende Aktive. Was uns fehlt, ist ein entsprechend großer Pool an Championatspferden. Dazu wurde bereits das Projekt „Road to LA“ auf den Weg gebracht. Eine tolle Idee und hochmotivierte Leute, aber wir brauchen noch tatkräftige finanzielle Unterstützer. Das gilt auch für unsere Nachwuchsarbeit. Konzepte wie die Perspektivgruppe haben sich bestens bewährt. Daran müssen wir festhalten, um sicherzustellen, dass junge Leute nachkommen und für eine Kontinuität in unserem Sport sorgen.“