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Erst Titel, dann Nachhilfe

Sie wurden ihrer Favoritenrolle gerecht: Isabell Werth und Wendy de Fontaine sicherten sich heute die Goldmedaille bei den Deutschen Meisterschaften im Grand Prix Special. Frederik Wandres gewann seinen siebten Vize-Titel und Katharina Hemmer durfte zum ersten Mal die Luft auf dem Treppchen schnuppern.

Besonders in den Piaffen und Passagen konnten Isabell Werth und Wendy begeistern.

Bei gleißender Hitze gingen die Dressurreiter heute vor voll besetzten Tribünen an den Start. In Balve wehte kaum ein Lüftchen und die wenigen Schattenplätze waren hart umkämpft. Eine, die das nicht zu stören schien war Wendy de Fontaine. Schon beim Abreiten zeigte sie sich kraftvoll und konzentriert und das konnte sie auch mit in die Prüfung nehmen. Als vorletztes Paar galoppierten Isabell Werth und die Sezuan-Tochter die Mittellinie hinunter. Gleichzeitig ertönten auf dem dahinterliegenden Springplatz die Klänge einer Blaskapelle. Wendys Konzentration konnte das nicht stören. Schon ab dem Lostraben wusste man – Isabel Werth hat den Sieg fest im Blick. Nach einem gut entwickelten starken Trab mit geschmeidiger Rückführung, folgten weit kreuzenden Traversalen mit guter Stellung und Längsbiegung. Die Passage sehr gleichmäßig und kraftvoll vorgetragen. Die Stute zeigte sich hier sehr erhaben – wenn man meckern möchte, hätte man sich die Passage zwischendurch noch ein wenig aktiver gewünscht. Insgesamt gehörte diese Lektion ganz sicher zu den Highlights des Paares. Beim zweiten starken Trab gelang die Rückführung nicht so geschmeidig wie zuvor. Die Stute präsentierte sich in gutem Seitenbild, die Verbindung zur Hand wirkte jedoch etwas fest. An der kurzen Seite folgte sie dann in der Passage aber der nachgebenden Reiterhand. Und auch die zweite Traversale gelingt grundsätzlich elastisch und weit kreuzend, wenn auch mit zwischenzeitlich festem Genick bei leicht geöffnetem Maul. Wie ein Metronom zeigt Wendy die nächste Passage. Sicher im Takt und mit viel Kraft. Der Schritt losgelassen und sicher schreitend. Man hat das Gefühl, dass Wendy bei aller Energie im Schritt regelrecht herunterfährt, und deutlich zum Loslassen kommt. Die Piaffen gehören neben den Passagen zu den Stärken des Paares und auch heute konnten sie hier überzeugen. Die im Grand Prix teilweise stark wirkende Anlehnung war heute verbessert, das zweimalige Abschnauben zeigte die Stute erneut, blieb aber mit der Nase vor der Senkrechten. Bei den Übergängen von der Piaffe zur Passage zeigt das Paar sein Weltklasse-Niveau. Der Grundgalopp der Stute kann gut und gerne mit „Wow“ beschrieben werden. Heute war die Galopptour aber die Klippe des Paares. Bereits zu Beginn tauchte Wendy leicht ab und konnte das schöne Seitenbild aus der Trabtour nicht ganz in die Galopptour transferieren. Die erfahrene Reiterin bekam das Genick in den Traversalen zwar wieder hoch, die Stute wurde aber unzufriedener im Maul. Die Einerwechsel waren es dann, die die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten heute vor eine gewisse Herausforderung stellten. Bereits mit Valdiviani und Special Blend hatte sie heute Fehler in dieser Lektion. Und auch mit Wendy war auf der Diagonalen der Wurm drin. Beim starken Galopp und in den Pirouetten ließ das Paar keine Punkte liegen. Gut zentriert und bergauf gesprungen stand hier im Protokoll zwei Mal eine 9. Doch auch die Einerwechsel zwischen den Pirouetten waren fehlerhaft. Auf der Schlusslinie konnte das Paar dann noch einmal überzeugen. Die heißen Temperaturen schienen der Stute Nichts anzuhaben und in höchster Versammlung piaffierte und passagierte sie mit viel Ausdruck Richtung letzter Grußaufstellung. Die Zuschauer feierten die Dressurqueen in der Ehrenrunde mit Standing Ovations. Beim Verlassen des Vierecks hatte Isabell Werth direkt ein selbstkritisches Fazit auf den Lippen: „Das müssen wir bis Aachen aber auf jeden Fall in den Griff bekommen.“ Gemeint waren damit die Einerwechsel, wie sie später erklärte: „Das war wirklich ätzend. Wenn ich an einem Tag mit drei Pferden in den Einerwechseln Probleme habe, scheine ich hier Nachhilfe zu brauchen. An den Pferden kann es ja nicht liegen.“ Bundestrainerin Monica Theodurescu sah dies auf die folgenden Turniere blickend deutlich entspannter: „Natürlich müssen wir das einmal analysieren, aber ich glaube Isabell weiß am besten, wie sie daran nun arbeiten wird.“

Special Blend geht morgen seine erste Kür.

Mit Wendy waren Beide sehr zufrieden. „Wendy war richtig super, ich habe mich in der Prüfung extrem wohl auf ihr gefühlt.“ Die Stute ist seit den Olympischen Spielen heute den ersten Grand Prix Special gegangen und zeigte sich in einer solch guten Form, dass sie von der Bundestrainerin Dispens für die morgige Kür erhält. „In 14 Tagen ist bereits Aachen und ich denke im Sinne der Pferde, muss man für jedes individuell entscheiden, wie man am besten vorgeht. Weder Wendy, noch Bluetooth müssen noch beweisen, dass sie tolle Küren gehen können.“, erklärt Werth das Vorgehen und fügt hinzu, dass man in einem solchen Fall nicht an den Erfolg und die Medaillen, sondern an einen professionellen und fairen Umgang mit den Vierbeinern denken muss. In der Kür wird sie mit Special Blend an den Start gehen, vom dem sie sich heute ebenfalls begeistert zeigte. Er konnte Rang vier im Gesamtklassement belegen. Auf die Frage, welche Kür der Wallach – der genau wie seine Stallnachbarin Wendy von Sezuan abstammt-  morgen gehen wird, antwortet Werth schmunzelnd: „Das muss ich mir tatsächlich heute Nacht erst noch überlegen. Aber ich glaube es wird Emilios Kür sein.“

Für eine mutig gerittene Prüfung wurde Frederic Wandres heute mit Silber belohnt.

Mutiger Frederic Wandres

Auch die heutigen Vize-Meister werden auf einen Start in der Kür verzichten. Frederic Wandres und sein Olympiapferd Bluetooth wären für das Publikum ganz sicher auch morgen eines der Highlights gewesen. Denn heute fanden sie schon auf dem gut einsehbaren Abreiteplatz erste Fans. Hätte es einen Preis für das harmonischste und entspannteste Abreiten gegeben – Wandres hätte ganz vorne gestanden. Dem Wetter angepasst machte er viele Pausen, und beschränkte sich auf ein Minimum an Vorbereitung. In der kurzen Vorbereitungsphase begeisterte ein entspannter und gut gelaunter Bleutooth. Und auch in der Prüfung wussten die Beiden zu überzeugen. „Bluetooth hat kein Problem mit dem Wetter, wir hatten ihn ja auch schon mit in Florida und er kennt das ein bisschen“, plauderte der Reiter aus dem Nähkästchen. Und tatsächlich – der Wallach hatte für die Temperaturen kaum ein nasses Haar am Körper. Mutig und frisch nach vorne vorgetragen startete das Paar mit viel Ausdruck in die Prüfung. In der Passage fußt der Wallach weit unter, wird dabei aber hinten teilweise leicht ungleich. Die Traversalen weit kreuzend und die Übergänge zwischen den Lektionen gelingen. Im Schritt kommt der Wallach gelassen zum Schreiten, dürfte sich hier aber von Beginn an mehr fallen lassen und zur Reiterhand hinziehen. Die Piaffen gelingen mit sicherer Anlehnung, die erste wir allerdings hinten leicht breit. In der Passage wird Bluetooth leicht eng, sein Reiter ist aber mit einer nachgebenden Hand stets bemüht das zu korrigieren. Auch in der Galopptour reitet Wandres den 15jährigen energisch und mutig nach vorne, ohne zu viel von seinem vierbeinigen Sportpartner zu fragen. Die Zweierwechsel gelingen gut durchgesprungen mit offenem Genick. Auch hier reitet Wandres auf Risiko und wird dafür belohnt. Die Einerwechsel sind bei den Beiden ebenfalls nicht fehlerfrei. In derersten Pirouette hätte der Wallach sich mehr tragen dürfen. Die zweite Pirouette wird groß. Die abschließende Passage-Piaffe-Tour zeigt noch einmal, warum das Paar schon seit Jahren zum Championatskader gehört, auch wenn der Wallach hier in der Piaffe erneut breit fußt. Ein zufriedener Reiter, der sich zwar ein wenig ärgert, dass es erneut nicht mit der Goldmedaille geklappt hat, der aber nur lobende Worte für Bluetooth findet. „Er ging wirklich zwei Tage eine super Runde und ist in einer super Verfassung. Deshalb haben wir uns schon im Vorfeld in Absprache mit der Bundestrainerin entschlossen, dass Bluetooth keine Kür geht und nun auf Aachen vorbereitet wird.“

Katharina Hemmer sicherte sich in Balve ihre erste Bronzemedaille.

Publikumsliebling Katharina Hemmer

Die erste Medaille in ihrer Karriere gewann heute Katharina Hemmer. Während ihr vierbeiniger Sportpartner Denoir im vergangenen Jahr noch einige Probleme mit den Gegebenheiten hatte und sich auf dem Platz nicht ganz wohlzufühlen schien, war er heute voll bei seiner Reiterin, die ihn mit viel Gefühl und Geschick durch die Prüfung pilotierte. „Er hat heute wirklich gekämpft und war voll bei mir“ zeigte sie sich später mehr als zufrieden mit dem Fuchs. Die Prüfung der Beiden beginnt mit einem überzeugenden starken Trab bei guter Rahmenerweiterung trabt der Wallach schwung- und kraftvoll über die Diagonale. Die Traversalen gelingen sehr gut kreuzend bei ebenfalls gutem Schwingen. In der überwiegend gleichmäßigen Passage tritt Denoir hinten links zweitweise kürzer, die kann die Reiterin im weiteren Verlauf aber deutlich verbessern. Und auch die zwischenzeitlich dann doch aufkommende Spannung löst Hemmer souverän und gefühlvoll auf.

Beide Wechseltouren gelingen dem Paar überzeugend und ohne Fehler. In der ersten Pirouette verlor der Wallach ein wenig an Kraft und dadurch leicht an Durchsprung. Die zweite Pirouette hätte etwas gesetzter sein dürfen.

Auf der Schlusslinie begeisterten Katharina Hemmer und der Destano–Sohn dann noch einmal mit einer guten Piaffe-Passage-Tour, deren gute Übergänge das insgesamt sehr harmonische Bild unterstrichen. Die Bronzemedaille hat dieses Paar sich heute mehr als verdient. Feines Reiten, mit genügend Ausdruck und einigen Highlights in der Prüfung. Viele Zuschauer hätten die Beiden weiter vorne gesehen. Diese Chance will Hemmer morgen in der Kür nutzen. „Ich habe an der Kür noch einige Dinge verändert und freue mich sehr, dass morgen ausprobieren zu können“, freut sie sich auf einen weiteren Start in Balve.

Regine Mispelkamp sicherte sich souverän Silber. (Foto: Lafrentz)

Silber für Regine Mispelkamp

Die Para-Dressurreiter der Grades V und IV zeigten heute in Balve ihre Küren. Das Sommerwetter hatte sich im Verlauf des Tages in eine deutliche Schwüle verwandelt, die dann gegen Abend sogar mit leichtem Regen begleitet wurde. In der Kür setzte sich erneut Isabell Nowak an die Spitze des Feldes. Mit einer sicheren Runde trabte sie im Sattel von Siracusa zu 75,892 Prozent. Auf Rang zwei folgten mit 74,742 Regine Mispelkamp und Pramwaldhof’s Bayala. Eine harmonische und sicher vorgetragene Vorstellung, die mit 74,742 Prozent belohnt wurde. Und auch auf Rang drei fand sich ein Rheinländer wieder – wenn auch unter und nicht im Sattel. Staatslegende und Noah Kuhlmann sicherten sich 73,85 Prozent. In der gleichen Reihenfolge wurden dann auch die Medaillen verteilt. Isabell Nowak gewann Gold mit insgesamt 222,961 Punkten, vor Regine Mispelkamp mit 218,497 Punkten. Beide Reiterinnen sind in Grade V eingestuft. Noah Kuhlmann geht in Grade IV an den Start. In Balve wurden diese beiden Grades zusammen gewertet und so gewann Noah Kuhlmann mit 213,362 Prozent Bronze.  

Qualifikation Nürnberger Burgpokal

Das begehrte Ticket für das Finale des Nürnberger Burgpokals in Frankfurt lösten heute Leonie Richter und Be Sure. Dass der Siebenjährige über die richtige Grundqualität verfügt, zeigte er bereits im vergangenen Jahr im Rahmen der Bundeschampionate in Warendorf. Eva Möller, die sich eigentlich bereits vom Turniersport verabschiedet hatte, stieg vertretungsweise in den Sattel des Braunen, weil Leonie Richter parallel bei den Weltmeisterschaften der Dressurpferde im Einsatz war. Ein erfolgreiches Unterfangen, denn Möller und Be Sure gewannen den Titel. Leonie Richter zeigte nun in Balve mit 74,415 Prozent und dem Sieg, dass der Benicio-Sohn auch den nächsten Ausbildungsschritt souverän gemeistert hat. In Frankfurt hat er im Dezember nun die Chance einen nächsten Karrierehöhepunkt zu feiern. Und während Be Sure im vergangenen Jahr in Warendorf überzegen konnte, war es vor zwei Jahren Diafys OLD. Damals noch unter dem Sattel von Stefanie Wittmann, gewann er das Bundeschampionat der siebenjährigen Dressurpferde. Seit Kurzem ist der Wallach bei Ingrid Klimke beheimatet und das neue Paar scheint sich bereits gut aufeinander eingestimmt zu haben. Rang zwei mit glatten 74 Prozent.

Für zunächst einen kurzen Schreckmoment, dann für einen herzhaften Lacher bei ihrer Chefin Isabell Werth sorgte Lisa Wernitznig kurz vor dem Einreiten in die Prüfung. Sie griff sich an den Frack und zog ihr Coachphone heraus. Sympathisch, denn das zeigt, dass auch in einem solchen Profi-Stall menschliche Fehler passieren können. Gut, dass die Reiterin es noch vor dem Einreiten bemerkte, und den unerlaubten und durch sie auch ungewollten Helfer früh genug loswerden konnte. In der Prüfung überzeugte das Paar dann besonders in der Galopparbeit. Majestätisch und erhaben wie sein Name es verspricht, galoppiert Majestic Taonga über das Viereck. Ein großer, bergaufgesprungener Galopp mit tollen Wechseltouren machte Lust auf mehr. Mit 73,39 Prozent platzierte sich das Paar an dritter Stelle.

Den größten Schreckmoment gab es allerdings während des Rittes von Beatrice Arturi. Während die Italienerin mit Dimaggio Black auf dem Viereck unterwegs war, wurde auf der Zuschauertribüne ein kleiner Feuerwerkskörper gezündet. Der laute Knall konnte das Paar Gott sei Dank nicht nachhaltig beeindrucken.

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