Die Vielseitigkeit ist mit Sicherheit die abwechslungsreichste olympische Reitsportdisziplin. Die Reiter und ihre Pferde müssen sich zunächst in der Dressur Beweisen, dann mit der Geländestrecke wohl eines der Highlights des Wettbewerbs absolvieren und dann im anschließenden Springen noch einmal alle Nerven zusammen halten, damit alle Stangen in den Auflagen bleiben. Erst danach entscheidet sich dann, wer die Team- und die Einzelmedaillen entgegen nehmen darf. In der Dressur sah man heute bereits Vorstellungen wie aus dem Lehrbuch.
Vor einer solchen Kulisse sind wohl bisher die wenigsten Vielseitigkeitsreiter an den Start gegangen. Und nicht nur das Dressurstadion bietet einen atemberaubenden Blick. Auch von der Geländestrecke hört man, dass sie wohl eine der schönsten Strecken sein soll, die man bisher gesehen hat. Schon mehrfach ist das Wort Kunstwerk gefallen. Dieses Kunstwerk wird den Reitern und ihren vierbeinigen Sportpartnern morgen einiges abverlangen und die Rangierung aus der Dressur ganz bestimmt noch einmal durcheinander bringen. Doch der Reihe nach. Die Deutschen hatten ein wenig “Los-Pech” und erhielten mit der Nummer eins den ersten Startplatz auf der Liste. “Einer muss ja nun mal der anfangen”, nahm es die amtierende Olympiasiegerin Julia Krajewski jedoch gelassen. Sie war ursprünglich als Reservistin mit nach Frankreich gereist. Weil das Pferd von Sandra Auffahrt bei der letzten tierärztlichen Überprüfung im Trainingslager aber nicht zu 100 Prozent fit war, kommen nun Krajweski und Nickel zum Einsatz. Mit einer harmonischen Runde, die die Reiterin und auch das Trainerteam sehr zufrieden stellte, sorgte sie für einen guten Start in den Wettbewerb. Momentan liegt sie damit auf Rang 15 in einer dicht beisammen liegenden Spitzengruppe. Diese wir angeführt von Laura Collett, die im Sattel von London eine Dressurprüfung darbot, die nicht nur die Zuschauer auf ganzer Linie begeistern konnte. Mit nur 17,5 Minuspunkten geht sie nun als Führende in die morgige Geländeprüfung. Ihr dicht auf den Fersen sind jedoch Michael Jung und Chipmunk FRH. Mit einer Prüfung wie aus dem Lehrbuch zelebrierten die Beiden diese Teilprüfung wahrlich und liegen mit 17,8 Punkten nur einen Wimpernschlag hinter den Overnight Leadern. Zu Rang drei ritt mit Hua Tian Alex ein Chinese im Sattel von Jilsonne van Bareelhof. Die Beiden erhielten glatte 22 Minuspunkte. In der Teamwertung führen momentan die Briten mit 66,7 Punkten. Dahinter folgen die deutschen Reiter mit 74,1 Punkten vor den Gastgebern aus Frankreich mit 81,2 Punkten. Auch die Geländeprüfung wird Julia Krajewski morgen eröffnen. Früher war der erste Reiter im Gelände für die Mannschaften als Pathfinder unterwegs. Mit nur drei Reitern im Team und ohne Streichergebnis lastet dabei ein ganz anderer Druck auf der Reiterin und ihrem Nickel. Denn obwohl die Reiter einen solchen Kurs mehrfach abgehen und gemeinsam mit der eigenen Erfahrung, der Erfahrung der Mitreiter und den Trainern bewerten – wenn die ersten Pferden die Strecke absolviert haben gibt es oft für das restliche Teilnehmerfeld noch wichtige Erkenntnisse. Auf diese muss die erste deutsche Teamreiterin morgen vollends verzichten.
Auch die Dressurpferde sind mittlerweile auf dem Gelände angekommen. Die Freude über die Olympischen Spiele wurde hier durch einen Todesfall überschattet. Der Vater von Isabell Werth verstarb vergangene Woche und wurde gestern beerdigt. Unser herzlichstes Beileid geht an die ganze Familie Werth, alle Angehörigen und Freunde!
Fotos: Benjamin Clark